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Pop und Kultur

Wiederentdecken: Alice Coltrane

Fabian Peltsch
Musikjournalist

Fabian Peltsch interessiert sich für globale Popkultur-Perspektiven jenseits von World-Music-Klischees. Er ist Redakteur bei Table.Media in der China-Redaktion und schreibt daneben regelmäßig für Rolling Stone, Musikexpress, Mint, Fluter und die Welt.

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Fabian PeltschFreitag, 07.08.2020

Alice Coltrane ist sicherlich eine der visionärsten Musikerinnen und Bandleaderinnen des 20. Jahrhunderts. Trotzdem zeichneten viele Kritiker lange das Bild einer Art Yoko Ono von ihr, die für das Auseinanderbrechen des klassischen Quintetts ihres Mannes, John Coltrane, verantwortlich sei. Es ist ein gutes Zeichen, dass solche sexistischen und idiotischen Behauptungen immer mehr verstummen und Coltranes' Werk auch außerhalb von Jazz-Nerd-Kreisen immer mehr Anerkennung bekommt. Künstler wie Flying Lotus oder Kamasi Washington würden nicht so klingen, wie sie klingen, hätten sie sich nicht tief in das Gesamtwerk von Alice Coltrane hineingegraben. Aber auch die Drone-Düstermänner von Sunn O))), Paul Weller oder Laura Veirs haben ihr schon Songs gewidmet. 

Von einer tiefen spirituellen Hingabe durchdrungen, war die 1937 in Detroit geborene Alice McLeod ihr Leben lang auf der Suche nach höheren, kosmischen, göttlichen Klängen. Dass sie dabei alle Genregrenzen überschritt, war nur natürlich: Ihre 20 Soloalben verweben Jazz, Gospel, Blues, psychedelic rock, indische Andachtsmusik, nordafrikanische Rhythmik, nepalesische Tempelklänge, entrückte Ambient-Synths, europäische Klassik und eine Intuition, die alles in den besten Momenten zu etwas Größerem transzendiert. 1976 gründete Coltrane selbst ein spirituelles Zentrum in Kalifornien und zog sich immer mehr aus dem Musikgeschäft zurück. Neue Aufnahmen konnte man nur noch in kleiner Stückzahl auf Kassette im Ashram kaufen. Ein Comeback in der Öffentlichkeit feierte sie erst in den Nuller Jahren mit dem Album "Translinear Light", das sie mit ihrem Sohn, dem Saxophonisten und Produzenten Ravi Coltrane, aufgenommen hatte. 2007 verstarb Coltrane im Alter von 69 in Los Angeles an einem Lungenleiden. 

Wie vielfältig, faszinierend und hypnotisch ihre Musik ist, kann man gut in der NTS-Reihe "In Focus" nachvollziehen, die sich in ihrer jüngsten Sendung über anderthalb Stunden lang mit Coltranes' musikalischem Lebenswerk befasst. Die Worte werden der Musikerin dabei selbst überlassen: Zwischen den Stücken werden immer wieder sporadisch alte Interview-Aufnahmen von ihr eingestreut.

Einen guten Einstieg bieten auch die umfassenden Album-Guides für Beginner beim Guardian und im QuietusUnd auf NPR schreibt die Journalistin Sydnee Monday in einer berührenden Widmung, wie Coltranes Album "Journey In Satchidananda" sie aus einer existentiellen Krise geholt hat:

For six months, I meditated every day to that album, through an exhausting election, as the summer humidity turned to winter rain, and I entered a new year more ready than I ever had been, aware that it would undoubtedly bring more of the same challenges. Almost 50 years after Journey In Satchidananda was released, the album remains a vision of universal healing, spiritual self-preservation in times of trouble and the god that appears when you seek her out.
Wiederentdecken: Alice Coltrane

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Kommentare 1
  1. Yvonne Franke
    Yvonne Franke · vor mehr als 4 Jahre

    Vor einiger Zeit habe ich mit der wunderbaren Dorothea Tachler eine Stunde für unser piqd Online College aufgenommen, in der wir über Frauen im Jazz und speziell über Alice Coltrane gesprochen haben. Das hier vielleicht als kleine Ergänzung: https://www.youtube.co...

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