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Pop und Kultur

Schuldvermutung: Die seltsame Solidarität der Rammstein-Gemeinde

Jan Freitag
Volontariat, Arbeit, Leben
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Jan FreitagSamstag, 17.06.2023

Wahre Fans sind leidenschaftsgetriebene Wesen – das ließ sich vor 60 Jahren bereits bei Konzerten der Beatles bestaunen, was jene von Rammstein nun auf eigene, sehr seltsame Weise wiederholen. Anstatt die Ermittlungen gegen Sänger Till Lindemann abzuwarten, dem sexueller Machtmissbrauch vorgeworfen wird, gehen sie in die Gegenoffensive.

Ihre Bewaffnung? Geld. In den Charts nämlich rauschen drei ältere Alben von Rammstein Richtung Spitze aufwärts, während zwei ältere sogar erneut in die Hitparade eingestiegen sind. Fünf Platten in den Top-90 – damit betreibt die Gemeinde eine bizarre Art der Opfer-Täter-Umkehr und deutet unfreiwillig an, wie viel Wahrheit offenbar im zotigen Pubertätsmetal der Hardrock-Band steckte.

Schuldvermutung: Die seltsame Solidarität der Rammstein-Gemeinde

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Kommentare 10
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

    Ist das mit den Tätern schon geklärt?

    1. Jan Freitag
      Jan Freitag · vor mehr als ein Jahr

      Nee, aber es droht die Unschuldsvermutung im Aussage-gegen-Aussage-Modus zulasten der weiblichen Opfer...

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Jan Freitag Wenn die Täterfrage nicht geklärt ist, dann ist doch auch die Opferfrage unklar?

    3. Jan Freitag
      Jan Freitag · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Wenn sich die Täterfrage zweifelsfrei klären ließe, würde das ja bedeuten, dass mehr als 90% aller Anzeigen wegen sexueller Gewalt gegen Frauen falsch sind. Denn das Dilemma sexueller Gewalt ist in der Regel die 1:1-Situation ohne Zeug:innen. Deshalb neigt die Rechtsprechunge modernerer Staaten wie skandinavischer dazu, Frauen einen Glaubensvorschuss zu gewähren. Damit nehmen sie zwar bewusst Falschanzeigen in Kauf. Sie machen allerdings nur einen Bruchteil jener Freisprüche für sexuell gewalttätige Männer aus, die mangels Zeuge:innen zu Unrecht erfolgen. Ergo: Frauen brauchen unsere - also auch Ihre und meine - ungeteilte Solidarität, nicht Männer.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Jan Freitag Das kann ich nicht nachvollziehen. Vor Gericht sind erst mal alle Menschen gleich. Sexuelle u.a. Gewalt, die keine Spuren hinterläßt ist sicher ein schwieriger Fall. Aber dafür einer ganzen Gruppe einen Glaubensvorschuß zu geben (was auch immer das heißt?) kann nicht das Prinzip sein. Es muß Indizien oder Zeugen geben. Alles andere wird zur Willkür. Und es gibt genug Beispiele für harte Falschverurteilung von Männern - nicht nur Kachelmann. Frauen sind nicht per se die besseren Menschen. Auch wenn meist die körperlich unterlegenen

      Aber das Problem bei Rammstein ist ja noch ein anderes (nicht unübliches) - die Vorverurteilung in den Medien. Auch wenn ich Lindemann nicht für ein Unschuldslamm halte, es muß ein ordentliches Verfahren geben.

    5. Jan Freitag
      Jan Freitag · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Ja, es ist ein Dilemma, dass der beweispflichtige Rechtstaat niemals lösen wird. Deshalb verzichte ich als Mitglied einer Spezies, deren männlicher Teil für 99,9% aller Gewalt verantwortlich ist, auf die Unschuldsvermutung und neige dazu, mutmaßlichen Opfern sexualisierter Gewalt eher zu glauben als Tätern. Das ist womöglich nicht gerecht, aber ernsthaft: Männer - insbesondere die weißen - waren im Lauf der Geschichte an nahezu jedem Übel alleinschuldig. Da sollten sie vielleicht mal ein Weilchen auf ihre Privilegien verzichten. Ich ahne, dass du zu den Besseren gehörst, lieber Thomas, but we agree to disagree...

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Jan Freitag Ja, wir werden mit unseren Weltbildern wohl nicht zusammenkommen. Umso interessanter und wichtiger ist die Diskussion.

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Jan Freitag Vielleicht kommt es ja auch so:

      "Der Basler Zoologe Adolf Portmann hat bereits vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass Menschen instinktarme Wesen sind. Und dass sie Bilder brauchen, um sich in der Welt orientieren zu können. Die moderne Neurobiologie geht noch weiter und definiert Leben als einen Bilder generierenden Prozess: Das Bild, das wir von uns selbst haben, ist identitätsstiftend. Ist es negativ und verächtlich, führt das zu gravierenden Identitäts- und Orientierungsproblemen. Neuere Untersuchungen belegen bei Buben und jungen Männern einen engen Zusammenhang zwischen fehlender Orientierung und der Neigung zu Gewalt und Vandalismus.

      In der umfangreichen Studie «Spreading Misandry» haben Paul Nathanson und Katherine K. Young vor rund zwanzig Jahren nachgewiesen, dass negative Bilder von Männlichkeit zunächst von der elitären intellektuellen Kultur übernommen wurden und sich dann in der Populärkultur massiv verbreiteten. Die Autoren machen dabei unterschiedliche Techniken des Männerhasses aus.

      Dazu gehört das Lächerlichmachen von Männern: «Heute ist es für jedermann in Ordnung, sich über Männer lustig zu machen», halten sie fest, «jedenfalls über weisse bürgerliche Männer, aber nicht über Frauen oder Schwarze.» Eine zweite Methode ist es, auf Männer verächtlich herabzuschauen, eine dritte, sie gar nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen und so zu tun, als bestünde die Welt nur aus Frauen und Mädchen. Eine vierte besteht darin, Männer für alles Schlechte verantwortlich zu machen. Die fünfte Technik entmenschlicht Männer und stellt sie als Bestien dar. Die sechste schliesslich dämonisiert das männliche Geschlecht und macht es zu einem nur noch hassenswerten Objekt.

      Die medialen Bilder infiltrieren dabei mehr und mehr die soziale Wirklichkeit. So haben verschiedene internationale Fluggesellschaften festgelegt, dass allein reisende Männer nicht mehr neben Kindern sitzen dürfen. In Österreich organisierte das Frauenministerium eine Plakatkampagne gegen Männergewalt. Die Plakate zeigen eine Familie, Tochter und Mutter stehen neben dem Vater und tragen Schutzhelme. Männer stehen unter Generalverdacht. Sie sind böse, gewalttätig, unberechenbar. Genderpolitisch ist die Unschuldsvermutung ausser Kraft gesetzt.

      Die Reaktion darauf kann nicht darin bestehen, das männliche Geschlecht generell von allen Vorwürfen freizusprechen. Es gibt männliche Gewalt, #MeToo war wichtig. Dass widerwärtige Figuren wie Harvey Weinstein aus dem Verkehr gezogen wurden, war überfällig. Die Vorwürfe gegen Till Lindemann von Rammstein müssen vorbehaltlos untersucht werden. Aber die generelle Verteufelung von Männern, wie sie in feministischen Zirkeln gang und gäbe ist und immer weiter um sich greift, ist menschlich verwerflich und sozial problematisch."

      https://www.nzz.ch/feu...

      Kommen dann "Geschützte Männer"(https://de.wikipedia.o...) um Nachwuchs zu sichern.? Aber vielleicht geht das gentechnisch einfacher und gezielter.

  2. Jürgen S.
    Jürgen S. · vor mehr als ein Jahr

    Der Mensch gesteht selten ein, den falschen Propheten ausgesessen zu sein. Das führt dann zu einer "jetzt erst recht"-Solidarität. Siehe Michael Jackson, siehe Katholische Kirche.

    1. Jan Freitag
      Jan Freitag · vor mehr als ein Jahr

      Schade oder? Mea culpa zeugt von so viel Größe...

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