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Kurator'in für: Fundstücke Zeit und Geschichte
Seit der ersten Stunde als Kurator bei Forum dabei: Dirk Liesemer arbeitet als Journalist für Magazine wie mare und G/Geschichte. Er hat Politik, Philosophie und Öffentliches Recht studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, immer mal wieder in Redaktionen gearbeitet und ehrenamtlich eine Reihe von Recherchereisen mitorganisiert und begleitet. Bisher fünf Bücher, darunter "Café Größenwahn" (2023), ein Ausflug zu den großen Kaffeehausliteraten des Fin de Siècle. Foto: Andreas Unger
Gestern Abend gab es einen ARD-Brennpunkt zum Massaker in Butscha. Bevor die Filmbilder gezeigt wurden, sagte die Moderatorin, man werde die Toten "selbstverständlich unkenntlich machen". Warum so etwas "selbstverständlich" sei, wurde gar nicht weiter ausgeführt: aus Respekt vor den Toten oder doch eher den Zuschauern, denen man manche Bilder nicht zumuten möchte? Oder vielleicht irgendwie aus beiden Gründen?
Derzeit wird viel darüber debattiert, ob man Bilder von Toten zeigen soll. Dabei wird nicht mehr um einzelne Bilder gestritten, vielmehr gelten Bilder von Toten offenbar grundsätzlich als Tabu, ganz gleich, wie sie uns berühren, aufklären, erschüttern oder zum Handeln verleiten mögen. Eine Folge der Verpixelung: Krieg wird damit wieder unpersönlich und abstrakt.
Ich wollte erst eine DLF-Diskussion empfehlen, die aber dann zu wenig erkenntnisreich verlief: Wie sollen Medien mit Kriegsbildern umgehen? Gleich zu Beginn wurde an ein unverpixeltes Foto in der New York Times erinnert, abgedruckt am 7. März. Mit dem Abdruck des Bildes in den USA begann denn auch die aktuelle Diskussion.
Die Reaktionen über dieses Foto hat die NZZ wiedergegeben. Während die Berliner Kunsthistorikerin Charlotte Klonk meinte, die New York Times sei der eigenen Ambition nicht gerecht geworden und damit den Abdruck kritisierte, meldete sich wenig später der für tot gehaltene Familienvater der abgebildeten Kriegsopfer zu Wort, der zu einem ganz anderen Urteil kommt.
Diese journalistische Fehleinschätzung führte dazu, dass Serhi Perebinis über Social Media vom Tod seiner Familie Kenntnis nehmen musste. Dennoch befürwortete er nachträglich im Gespräch mit der «New York Times» die Publikation des Bildes. Es zeige ein Kriegsverbrechen. Das müsse die Welt sehen. Und für Perebinis ist klar: «Jemand muss zur Rechenschaft gezogen werden.»
Man kann seine Position nicht verallgemeinern, aber man sollte sie auch nicht für ungewöhnlich halten. Wie also entscheiden? Ich erinnere mich da an einen klugen, prägnanten Kommentar von Peter-Matthias Gaede. Sein Text ist zwar von 2015, es ging damals auch nicht um die Ukraine, sondern um das Foto eines syrischen Flüchtlingsjungen, aber seine Argumente – und die Grenzen, die er zum Voyeurismus zieht – gelten sicher auch in der aktuellen Debatte. Sie sind jedenfalls keineswegs überholt.
Quelle: Peter-Matthias Gaede meedia.de
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NACHTRAG: Aus einer Pressemitteiltung des Presserates vom 4. April:
Der Deutsche Presserat appelliert an die Redaktionen, vor der Veröffentlichung von Kriegsbildern sorgsam zwischen dem Informationsinteresse der Leserschaft und den Interessen von Opfern und deren Angehörigen abzuwägen.
„Gerade Fotos von Kriegsverbrechen haben eine hohe Relevanz und eine herausragende nachrichtliche Dimension“, so die Sprecherin des Presserats Kirsten von Hutten. „Fotos von getöteten Zivilisten hat der Presserat in der Vergangenheit mit Blick auf das hohe Informationsinteresse in vielen Fällen als zulässig bewertet“.
weiter gehts hier https://www.presserat....