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Medien und Gesellschaft

Was der Chefredakteur der New York Times – Dean Baquet – jetzt ansagen müsste

Christoph Zensen
Informationswissenschaft, Medieninformatik, Produktmanagement

#ViewFromSomewhere #MovementJournalism

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Christoph ZensenDienstag, 18.08.2020

Es ist inzwischen sehr klar, dass der Chefredakteur der größten Zeitung in den USA (und der Welt) nichts – oder nur wenig – aus der Wahlberichterstattung von 2016 gelernt hat.

Anfang des Jahres war Dean Baquet beim Podcast des eigenen Hauses "The Daily" mit Michael Barbaro eingeladen (Link zur Folge). Auf die Frage nach der Fixierung der New York Times auf die Story rund um den E-Mail-Server von Hillary Clinton, antwortete er:

People forget there were big important stories in those emails –Dean Baquet

🤦

Seit dem Wahlkampf 2016 sind inzwischen 4 Jahre vergangen. Und US-Präsident Donald Trump hat seitdem jeden Tag unverschämt gelogen. Er hat daran gearbeitet, die Legitimität der Demokratie zu untergraben. Er streut unverantwortliche Zweifel, dass die US-Wahlen im November dieses Jahres nicht fair ablaufen werden.

Doch Dean Baquet will nicht anerkennen, dass das auch Konsequenzen für die Berichterstattung der New York Times haben soll. Er will das alte Modell politischer Berichterstattung nicht aufgeben, in dem Journalist:innen in der Mitte zwischen zwei Parteien stehen. Er sagt Michael Barbaro auf Nachfrage:

We’re at a moment where people very much want us to take sides. And I don’t think that’s the right stance for the New York Times. – Dean Baquet

In einem anderen Interview im Juni (Link zur Folge) führt er sein Idealbild des Journalismus noch einmal weiter aus. Sein Idealbild ist ein...

Reporter with an empty notebook – Dean Baquet

Das leere Notizbuch steht hier bildlich für den vorurteilsfreien Reporter. Und man versteht, was gemeint ist. Auch Donald Trump sollte man am besten so begegnen, als würde man ihn gerade erst kennenlernen. Neutral, Fair, Unvoreingenommen.

Fool me seven times, shame on you. Fool me eight or more times, shame on me – Amy aus Futurama Staffel 2, Folge 9

Doch der Interviewer, Max Linsky, wittert hier seine Chance und konfrontiert Baquet mit einer Passage aus einem Essay von Wesley Lowery, dass erst einige Tage zuvor als Op-Ed in der New York Times erschienen ist. Linsky zitiert Lowery:

We also know that neutral “objective journalism” is constructed atop a pyramid of subjective decision-making: which stories to cover, how intensely to cover those stories, which sources to seek out and include, which pieces of information are highlighted and which are downplayed. No journalistic process is objective. And no individual journalist is objective, because no human being is. – Wesley Lowery

Konfrontiert mit diesem Zitat gerät Dean Baquet etwas ins Straucheln, da er gleichzeitig seine Definition verteidigen will und die Nähe zur Interpretation von Wesley Lowery sucht. Schließlich sagt er:

You also have to get on the plane with as empty an notebook as possible. You also have to hope that the person who assigned you and the person that edits you also has an empty notebook.

Dieser Chefredakteur macht betroffen. Mit dieser Haltung wird der politische Journalismus ausgenutzt (Stichwort: Working the Ref) und ist gegen die Angriffe eines autoritären Donald Trump völlig schutzlos.

Jay Rosen: Der Chefredakteur, den wir brauchen, aber nicht verdienen

Im Angesicht dieser Führungslosigkeit hat der Journalismusprofessor und Zeitungskritiker, Jay Rosen, sich entscheiden zu einem Schatten-Chefredakteur der großen US-Zeitungen zu werden. Im März hatte er seine erste Editor's Note geschrieben. Einen Aufruf an eine fiktive oder jede Redaktion im Land. Er gibt damit jedem Chefredakteur eine Blaupause, um die nötigen interne Reformen einzuleiten.

Im März schrieb er:

Today we are switching our coverage of Donald Trump to an emergency setting – Jay Rosen

Jetzt im August und als Reaktion auf Trumps Angriff auf die US-Post schreibt er:

From emergency to active threat: We have again switched settings in our coverage of Donald Trump – Jay Rosen

Was der Chefredakteur der New York Times – Dean Baquet – jetzt ansagen müsste

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