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Medien und Gesellschaft

Über den Untergang des Kulturjournalismus

René Walter
Grafik-Designer, Blogger, Memetiker | goodinternet.substack.com

Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.

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René WalterMontag, 15.04.2024

In einem fulminanten Text auf 54books schrieb Johannes Franzen schon vor zwei Monaten über die "Restrukturierung" und das Ende des einflussreichsten Internet-Musikmagazins "Pitchfork". Franzen stellt darin die Frage, was eigentlich im Kern verloren geht, wenn Kulturjournalismus und das Feuilleton angesichts immer weiter sinkender Einnahmen von Medienhäusern zusammengestrichen und eingestellt werden.

Google und Facebook haben große Teile der Werbeeinnahmen umgeleitet und neoliberale Paradigma führen zu einer konstanten Entwertung von Kunst und Kultur, mit dem Ergebnis, dass Kulturjournalismus nicht rentabel ist, zu einem Luxusgut wird, auf das dank einer Massenkultur der Amateur-Kritik im Netz auch verzichtet werden kann. Wer braucht den elitären Geschmack einer handvoll Nerds in Brooklyn, wenn man den algorithmischen Empfehlungen des Spotify-Neuerscheinungsradios folgen kann, und wer braucht kenntnisreiche Filmkritik, wenn Plattformen wie Rotten Tomatoes eine Meta-Kritik liefern, ohne den Ballast elaborierter Verschriftlichung.

Marktlogiken und neoliberale Dogmen über "nutzlose" Kunst und das angeblich "hochgeistiges Geschwafel" über so "alberne" Dinge wie Musik, Literatur und Film -- Kulturausdrücke, die in unserer durchdigitalisierten Welt zum "Content" degradiert wurden -- haben dem Kulturjournalismus, dem Feuilleton und der Kritik einem Großteil des kulturellen Kapitals beraubt, dass es diesen Medienformen ehemals erlaubte, gesellschaftliche Entwicklungen mit noch einmal anderen Mitteln der Berichterstattung zu begleiten, bewerten und einzuordnen.

Der jüngst verstorbene Ägyptologe Jan Assmann hat in seiner Arbeit als Kulturwissenschaftler den Begriff des "Kulturellen Gedächtnisses" geprägt, dessen Ausdrucksform vor allem in Kanons zu finden ist, unter anderem dem Literatur-Kanon, dem Literatur-Kanon, dem Film-Kanon. Es sind diese Mechanismen des gesellschaftlichen Gedächtnisses, die an den Paradigmas der digitalen Medienwelt zerbrechen: Das Digitale kennt keinen Kanon, der öffentliche Diskurs zu Kunst und Kultur bleibt wie alles digitale immer diffus, fluid und unterliegt den Logiken der Schwarmintelligenz: Der beste Film aller Zeiten ist laut den Usern der bekannten Internet Movie Database "The Shawshank Redemption" (dt. "Die Verurteilten"). Eine nette Stephen King-Verfilmung, aber sicherlich nicht der beste Film aller Zeiten. 

Der Kanon, einer der Pfeiler des gesellschaftlich immens wichtigen kulturellen Gedächtnisses, droht, hinter einem technisch erfassten und sich ständig verändernden Monitoring des Massengeschmack zu verschwinden. Und mit der Fähigkeit, Kanons auszubilden, verliert eine Gesellschaft gleichzeitig ihre Fähigkeit geteilte Realitäten zu leben: Die fundamentalen Erzählungen, die Gesellschaften zu dem machen, was sie sind, und auf die wir uns wortwörtlich "einigen" können, verschwinden hinter schwarmgenerierter, statistischer Durchschnittlichkeit (die auch, im Gegensatz zur Kultur-Kritik institutionalisierter "Wächter des Kanons", Manipulationen durch Marktlogiken schutzlos ausgeliefert sind).

Meines Erachtens liegt hierin im Kern die größte Gefahr, die vom "Untergang des Kulturjournalismus" in einer digitalen Mediengesellschaft ausgeht.

Über den Untergang des Kulturjournalismus

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Kommentare 3
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 7 Monaten

    Die Krise ist treffend beschrieben.

    Beim Kampf gegen den diktaturaffinen Marktextremismus, den man viel zu freundlich Neoliberalismus nennt, hilft aber nicht, wenn man vom Untergang spricht und schreibt.

    Der neue Morgen kommt bestimmt. Und manches erhellen da nun mal Kulturjournalisten. Hier ein gutes Beispiel aus einem relativ jungen Medium:
    https://www.republik.c...

    1. Michael Praschma
      Michael Praschma · vor 7 Monaten · bearbeitet vor 7 Monaten

      Die "Republik" (die man gar nicht genug empfehlen kann!), ist sicher ein Sonderfall, allerdings ist Kulturkritik hier nur ausnahmsweise zu finden. Interessant wäre zu erfahren, wie bei Medien mit einem qualifizierten Feuilleton wie der "Zeit" die Zugriffszahlen für Kritiken in der Onlineausgabe aussehen. Oder für die Printausgabe der Anteil an Leserbriefen zu Kritiken. Das würde die Thesen zum Kulturjournalismus untermauern. Ob eine "Schaubühne" mit den breitgefächerten Beiträgen Tucholskys heute auf dem Markt bestehen könnte?
      Die kulturkritischen Nadeln im Heuhaufen des Internets sind jedenfalls schwer zu finden, z. B. Rick Beatos profunde Musikbesprechungen auf YouTube. Keine Ahnung, ob und was der damit verdient, aber es ist jedenfalls jeden Cent wert.

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor 7 Monaten

      @Michael Praschma Leider kann ich die Fragen nicht richtig beantworten.

      Allerdings war die SCHAUBÜHNE, die sich nach der Öffnung zur Politik WELTBÜHNE nannte, auch keine Goldgrube.

      Indirekt nehme ich mit diesem Pick die Diskussion über den Kulturjournalismus auf:
      https://www.piqd.de/su...

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