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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Armin Nassehi hat im Montagsblock einen sehr interessanten Meinungsbeitrag zur Wirkung sozialer Medien veröffentlicht. Er nimmt dabei Bezug auf eine Rede unseres Wirtschaftsministers, darüber,
welche Eigendynamik soziale Netzwerke erzeugen, deren Algorithmen darauf geeicht sind, vor allem das Polemogene, das Konflikthafte und nicht zuletzt das Eskalierbare in den Vordergrund der Aufmerksamkeit zu schieben. Er sprach davon, dass eine in diesem Sinne nicht regulierte Form der sozialen Netzwerke für die liberale Demokratie gefährdend sei, weil hier die Eigendynamik des Kommunikationsflusses zu Polarisierung und Eskalation beitrage.
Ich würde auch sagen, ja, soziale Medien tragen zu Polarisierung und Eskalation bei. Aber das tun andere Medien auch. Man werfe einen Blick auf die großen Polarisierungen im 20. Jahrhundert, ganz ohne unsere heutigen sozialen Medien. Die Frage ist, was genau tragen diese heute dazu bei?
Sicher, die Algorithmen, bringen eine gewisse Ordnung in die Kakophonie der Netze, in dem sie die polemogene Formen verstärken. Das geschieht bevor man Meinungen seriös diskutieren und kritisieren kann. Aber ist das nicht immer so in und zwischen geschlossenen politischen Blasen (gewesen). Liefern nicht auch schon immer die meisten Massenmedien erwartbare einfache Antworten entsprechend der Erwartungen ihrer "Kunden"? Auch sehr krasse Antworten? Und ist das selektive zur Kenntnis nehmen eigener Ansichten nicht eine sehr menschliche, schwer zu steuernde Eigenart?
Auch hier müßte man m.E. noch mal genauer hinschauen:
Wer ein „liberaler“ Kritiker des angeblich illiberalen, autoritären Ansatzes des ministeriellen Redners ist, also ein wirklich liberaler Kritiker, müsste sehen, dass der Redner zwar den Fehler macht, diese Plattformen unreguliert zu nennen, aber doch gerade auf die Radikalität der Regulierung hinweist: durch zentrale Spieler mit Macht, durch eine intransparente Formen der Selektivität, die geradezu inflammatorisch jenem „freien Spiel der Kräfte“ misstrauen, aus dem sich doch der größte benefit für alle generieren soll.
Worin besteht den die angebliche Macht des "zentralen Spielers" wirklich. Ja, die Algorithmen bevorzugen krasse und simple Ansichten, die vielfach geteilt werden. Aber das nach allen Seiten. Und auch nicht perfekt. Man sieht sehr schön, in welche Präferenzen sich Gesellschaften sortieren. Es gibt gleichzeitig große Inseln seriöser Diskussionen, inhaltlich wertvolle Netzwerke. Neben den "Stammtisch-Blasen". Ist das durch den "zentralen Spieler" gesteuert? Also letztendlich ist für mich die Selektivität gar nicht so intransparent. Was an Äußerungen juristisch verboten ist (Z.B. Nazi-Parolen) gilt es zu zensieren. Aber was wäre das „freien Spiel der Kräfte“? Ein Diskurs, betreut von den verschiedenen generischen Intellektuellen? Schwierig, es gibt noch viel zu verstehen ….
Quelle: KursbuchOnline kursbuch.online
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McLuhan hat mal postuliert "Das Medium ist die Botschaft.“ Medien sind immer mehr als reine Übermittlungstechniken. Sie erweitern jeweils die menschliche Möglichkeiten und Fähigkeiten. Das Netz als Medium ermöglicht es nun buchstäblich jedem Einzelnen seine Meinung in den Raum zu stellen und die Meinungen der anderen zu sehen, sich dazu zu verhalten. Milliarden Bürger können senden und empfangen. Das ist ganz klar ein Kontrollproblem, eine Zumutung ist es auch. Mir fehlt die Phantasie, wie das jemand jemals überblicken und ggf. "säubern" will, ohne großflächig zu zensieren bzw. das Netz zu verbieten. Vielleicht durch bessere KI? Was man aber m.E. nicht machen sollte ist nur die negativen Seiten zu betonen. Für viele Menschen und auch für mich (für dich sicher auch) ist es ein tolles Instrument Wissen, Inspiration oder Kontakte zu bekommen. Und vielleicht benötigen wir auch mehr Vertrauen in kluge, selbst denkende Menschen. Was mich allerdings sehr beunruhigt sind staatlich und politisch gelenkte Desinformations-Kampagnen, wie wir sie aus Rußland sehen. Da haben wir wieder den kalten Krieg der Medien. Da wird das Selbstdenken einfach überschrieben. Was natürlich das ganze "Demokratieprojekt" in Frage stellt.
ja ist krass komplex...und wie immer hat Nassehi Freude daran dem noch ein paar Komplexitäts-Layer hinzuzufügen.
Ich kann nur etwas simpler und nachfragend dazu beitragen. Nämlich - alle Medien unterziehen sich doch einer Art staatlicher Aufsicht. Seit dem es diesen Staat gibt. Was öffentlich zugänglich gemacht wird, unterzieht sich einer Beurteilung, ggf. auch einer juristischen. Eingriffe wurden bisher sehr sensibel vorgenommen, aber klar - alle die sanktioniert oder gar ausgeschlossen wurden, haben es Zensur genannt. Im Netz gilt erstmal juristisch das selbe Recht und scheint aber irgendwie dadurch, dass alle immer publizieren können, kaum mehr durchsetzbar. Publizistisch ist aber der social media account von Individuen nicht reguliert, obwohl er im Zweifel größere Reichweite hat, als manche regulierte Medien. Ich finde es insofern erstmal legitim, dass wir zumindest mal anfangen darüber nachzudenken, ob wir das so richtig finden und wie man damit umgeht, wenn solche private, publizistische Macht entsteht. Ganz grundsätzlich und nicht nur, wenn sie offensichtlich gesellschaftlich zersetzend und polarisierend für entsprechenden "Fake" genutzt wird. Das hat so Tradition und die Aufregung über mangelndes Freiheitsbewusstsein ist in dem Kontext eben das, was Nassehi schreibt: Ausdruck eines Freiheitsbegriffs, für den Freiheit nicht mehr ist als "ein Zufallsgenerator von Unterschiedlichem". Oder?
Finde das extrem spannend. Ein konkreter Fall: der CSU Generalsekretär behauptet in einem Video auf "seinen" sozialen Kanälen, die Grünen wollten Hunde als Haustier verbieten. Wie verlogen, manipulierend, polarisierend und toxisch das ist, gemessen am tatsächlichen Hintergrund der Aussage, kann ja jeder selber beurteilen. Die Frage ist jetzt: ist das Hubers Meinung und muss das durch die Meinungsfreiheit geschützt sein? Oder ist das nicht eben eine Publikation von Herrn Huber, die entsprechend wirkt und können "wir" nicht deshalb als Gesellschaft "natürlich " sagen, dass wir das nicht als "privat" akzeptieren?
Aber was dann?
Die Plattformen verpflichten, solche accounts automatisch mit Reichweitenverlust zu belegen? Aber in welchen Fällen? Wer entscheidet, ob und wie hart reagiert werden muss?
Wirklich schwierig.
Aber ein Problem haben wir ja offensichtlich. Und jetzt eben zu tun, als ob es in freiheitlicher Hinsicht ein völlig perverser, totalitärer und neuer Gedanke wäre, mit dem Problem umzugehen, ist Quatsch. Oder?