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Medien und Gesellschaft

Politischer Kitsch - (k)eine deutsche Spezialität?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
Zum Kurator'innen-Profil
Thomas WahlMontag, 08.02.2021

In einem Gespräch mit dem Philosophen und Autor Alexander Grau diskutiert der WDR über politischen Kitsch. In seinem Buch behauptet der Autor, politischer Kitsch habe gerade in Deutschland in allen politischen Lagern Hochkonjunktur:

Betroffenheitsrhetorik, Mahnwachen, Solidaritätsbekundungen – alles im Namen von Buntheit, Menschlichkeit oder Anständigkeit. Sentimentale Worthülsen, penetrante Gefühligkeit, Verklärung des Gestern und infantile Inszenierungen bestimmen den öffentlichen Diskurs. Die gesellschaftlichen Debatten sind geprägt von aggressiver Rührseligkeit und peinlichen Politritualen. Leerformeln scheinen das bevorzugte Sprachspiel in deutschen Landen. 

A. Grau sieht dabei dieses Mittel öffentlicher Kommunikation nicht als isoliertes Phänomen politischer Ästhetik, sondern als Ausdruck tieferliegender psychosozialer Entwicklungen. Er ist Teil eines alles andere als harmlosen soziologisch und kulturell bedingten Mentalitätswandels. 

Denn eine Gesellschaft, die politische Fragen zunehmend im Modus zur Schau getragener Gefühligkeit behandelt, weil andere Formen der Kommunikation als zu nüchtern, abgeklärt oder sachbezogen empfunden werden, verweigert sich der Realität und gefährdet ihre Fähigkeit, Herausforderungen schnell und effizient zu lösen. Insbesondere die Massenmedien bevorzugen es, betroffenheitsschwanger tragische Schicksale und verzweifelte Menschen vorzuführen und so sachliche Diskussionen im Keim zu ersticken. Das ist auch deshalb problematisch, weil politischer Kitsch unverkennbar autoritäre Politik zu legitimieren scheint. Wenn Augenmaß, Sachverstand und Nüchternheit verloren gehen, wenn die Gesellschaft rhetorisch in einen andauernden Alarmzustand versetzt wird, wenn überspannte Emotionen und süßliches Pathos die öffentliche Debatte bestimmen, dann sind rationale Diskussionen kaum noch sinnvoll führbar.

Affekte und Ressentiments, von vielen Aktivisten vehement vorgetragen und verteidigt, bestimmen oft die öffentlichen Diskussionen. Abweichende Sichten werden dann als nicht legitim abgelehnt. Wer die gefühlige Argument nicht mit macht wird schnell als Unmensch markiert. 

Ein Glück, das es u.a. piqd gibt.


Politischer Kitsch - (k)eine deutsche Spezialität?

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Kommentare 4
  1. Gabriel Koraus
    Gabriel Koraus · vor fast 4 Jahre

    Auch meinem Eindruck nach ist seit einigen Jahren eine Art "stellvertretende Gekränktheit" im deutschen Diskurs zu beobachten, kombiniert mit einem selektiv-moralischen Werturteilsautomatismus. Jeder hat zu allem eine Meinung und zwar eher eine sehr explizite, als eine fundierte. Ob Muhammad-Karikaturen, die Umweltsau-Oma oder jüngst Martin Sonneborns angeblicher Rassismus.
    Auffällig ist, dass dies auf allen Seiten des politischen und gesellschaftlichen Spektrums auftritt und dass über sozialwissenschaftliche und kulturpsychologische Themen auf einem Erkenntnislevel debattiert wird, für welches es den allermeisten Teilnehmer:innen an Expertise fehlt.

    Aber daraus gleich auf eine psychologische Konfiguration zu schließen, ist vielleicht etwas übertrieben .... zumindest wäre die zu Grunde liegende Induktionsoperation, sprich: der Theorierahmen, spannend zu erfahren.

    Übrigens vermag ich die von Ihnen im letzten Absatz angedeutete "Radikalisierung" in der Debattenkultur so nicht zu bestätigen. Mein Eindruck ist eher, dass dieser Eindruck wohl entsteht, wenn man sich nur mit der Erregungsrhetorik auf z.B. Twitter konfrontiert sieht, sich aber stark abschwächt, sobald es in die "echte" interpersonale Diskussion geht, bzw. sobald mehr als nur die Tageszeitung rezipiert wird.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 4 Jahre · bearbeitet vor fast 4 Jahre

      Bei der Radikalisierungstendenz in der Debattenkultur deckt sich mein Eindruck mit dem des Autors. Ein empirischer Beweis ist das natürlich nicht. Aber auch zwischen den Tageszeitungen geht es schon deutlich zur Sache. In einer anderen piqd-Diskussion habe ich folgendes Beispiel an Marcus geschickt:

      "Hier mal ein Auszug aus Perlentaucher:
      "Fatina Keilani, Redakteurin im Tagesspiegel, hatte kürzlich scharf kritisiert, dass der Rassismusvorwurf zu einer Art Geschäftsmodell verkommen sei (unser Resümee). Daraufhin schlug ihr in den sozialen Medien ein derartiger Shitstorm entgegen, dass sie in einem zweiten Artikel den Rassismus aufs Korn nahm, dem eine Migrantin ausgesetzt ist, die nicht konform geht mit der linken Opferagenda (mehr hier). In der Welt benennt Don Alphonso einige Wortführer dieses Shitstorms, die oft in der Politik arbeiten. Dazu gehören Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter von der Linkspartei, Charlotte Obermeier, Koordinatorin Social Media der Grünen-Bundesfraktion, die laut Don Alphonso schon eine Autorin des Westfalen-Blatts zu Fall gebracht haben soll, sowie zwei Personen, die ihre Funktion in ihren Twitterprofilen nicht so offensichtlich machen: Krsto Lazarevic, Pressesprecher des grünen Europaparlamentsabgeordneten Erik Marquardt, und eine gewisse Sarah, die tatsächlich Mitarbeiterin des Bundestagsabgeordneten der Linkspartei Stefan Liebich sei. Für Don Alphonso ist die "Botschaft offensichtlich: Wer vom gewünschten Meinungskorridor abweicht, wird von Politikern angegriffen, von bezahlten Mitarbeitern der Politik mal verdeckt, mal offen verleumdet, und die Pöbler im Netz besorgen den Rest. Es gibt momentan jede Menge Vorwürfe, die konstruiert werden, um Fatina Keilani und ihren Ruf zu zerstören: Natürlich ist das ein Angriff auf die Pressefreiheit, und bei Linken und Grünen hat man offensichtlich auch keine Hemmungen, das mit Leuten zu betreiben, die für den Bereich Presse und Social Media angestellt sind.""

      https://www.perlentauc...

      Und kurz danach wird dann Don Alphons in der Zeit gekontert:
      "Der Blogger Don Alphonso, früher FAZ, heute Welt, mobilisiert laut Antonia Baum in der Zeit ein Netz von rechtsextremen Trollen. Wenn er jemanden attackiert, seien sie es, die die Angegriffenen mit ihren Hasspostings und Drohmails terrorisieren. Die Welt diene ihm dabei als das bürgerliche Umfeld, das ihm Respektabilität verleihe: "Exakt so beschreibt es der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent: Es gebe die Tendenz, dass jemand, der 'öffentlich renommiert' sei, vorangehe und die Zielperson aussuche, auf die 'sich dann Rechtsradikale stürzen'." Die Opfer, so Baum, seien "eher junge Leute mit eher linken, feministischen, antirassistischen Ansichten, die häufig in den sozialen Netzwerken publizieren". Baum erwähnt nicht, dass Don Alphonso gerade selbst umgekehrt einige Parlamentarierer und Parlamentsmitarbeiter der Linken und Grünen benannt hatte, die wiederum die Tagesspiegel-Redakteurin Fatina Keilani mit Hasspostings verfolgt hatten ..."

      https://www.perlentauc...

      Ich glaube, wenn wir nicht aufhören mit solchen Kampagnen und damit, diese gegenseitigen Vorwürfe ernst zu nehmen - sei es im Netz oder in den klassischen Medien - wird das übel enden."

      https://www.piqd.de/ze...

    2. Gabriel Koraus
      Gabriel Koraus · vor fast 4 Jahre

      @Thomas Wahl Ja, diesen Kommentar habe ich ebenfalls mit Interesse gelesen.
      Allerdings gebe ich zu Bedenken, dass zum Einen die Benennung singulärer "Wortführer von Shitstorms" eine ziemlich vereinfachte Herangehensweise an die Funktionsweise (insofern man von einer solchen überhaupt reden kann, da noch viel zu wenig darüber bekannt ist) der kollektiven Meinungsartikulation in den sozialen Medien ist. Ich darf aus eigener Erfahrung sagen, dass es der heilige Gral jeder Marketingagentur wäre, die Knotenpunkte einer Kommunikationssequenz auf Twitter von vornherein lokalisieren zu können.
      Will sagen: das einer Charlotte Obermeier oder einem Krsto Lazarevic tatsächlich die Kontrolle über ein so komplexes Phänomen wie einen Shitstorm attestiert wird, grenzt an Blasphemie. Mindestens aber ist es eine mechanistische und monokausale Komplexitätsreduktion.
      Und zum Anderen geht es ja auch bei den beschriebenen Auseinandersetzung zuallererst wieder um Dispute auf Twitter und in diversen Blogs. Wie und wann diese auch jenseits der virtuellen Welt Wirkmächtigkeit entfalten, ist so gut wie nie prognostizierbar, geschweige denn steuerbar.
      Aber grundsätzlich haben sie selbstverständlich auch recht, eine Radikalisierung ist definitiv zu beobachten. Mein Eindruck ist jedoch, dass sich diese in der realen Interaktion nicht so manifestiert, wie oft proklamiert wird.
      Aber gut, was nicht ist, kann ja noch werden...

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 4 Jahre

      @Gabriel Koraus Mag sein, das es in den Shitstorms keine Wortführer gibt oder diese nicht sicher zu identifizieren sind. Das trifft ja auch auf DA zu, der angeblich ein Netz von rechtsextremen Trollen orchestriert. Es geht doch wohl auch um die Geisteshaltung, mit der man sich an diesen Diskussionen beteiligt. Und natürlich kann man in solchen Medien Punkte markieren mit seinen Beiträgen.

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