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Kurator'in für: Medien und Gesellschaft Kopf und Körper Flucht und Einwanderung Fundstücke Feminismen
piqd für euch die Perlen unter den Radio Features. (Bis Ende 2017 für Deutschlandfunk Kultur, inzwischen unabhängig und senderübergreifend).
Lebt und arbeitet als freie Autorin, Regisseurin und Produzentin mit Schwerpunkt künstlerisches Feature in Berlin. Hat alles mögliche an Geisteswissenschaften studiert und ist Absolventin der EBU Master School on Radio Features. Sie veröffentlichte außerdem ein erfolgloses Hip Hop Album, arbeitete sich durch bislang sieben musikalische Stilübungen von Reggae bis Death Metal, und hat trotz aller Widrigkeiten zwei wunderbare Kinder in die Welt gesetzt.
„Am Anfang, da dachte ich, das wird sich alles wieder legen, also ich meine die Situation im Radio, aber von wegen – es wird alles nur schlimmer.“
Das Feature „Magda und der Maulkorb – Alternative Fakten in Polen“ von Johanna Rubinroth und Tanja Krüger legt in erschreckender Weise dar, wie eine Änderung des Mediengesetzes 2015 das Ende einer unabhängigen Berichterstattung in Polens öffentlich-rechtlichem Rundfunk einläutete.
Die zwei Autorinnen des Features unterhalten sich, wie sie es am besten machen, da ihre Protagonistin nicht erkannt werden wolle. Sie werde ja ohnehin übersetzt, damit müsse nur der Name geändert werden, heißt es. Man einigt sich auf „Magda“. Aber der Sender dürfe ja auch nicht genannt werden, um die Protagonistin zu schützen. Also sage man einfach „eine öffentlich-rechtliche Radiostation“ in Polen. Nun müsse man nur noch die Namen all der Kolleg*innen ändern, die im Zusammenhang mit der Protagonistin genannt werden müssten, dann sei diese „safe“. In dieser Einstiegssequenz bekommt die Hörerschaft schon ein Gefühl dafür, in welchem Klima der Angst sich regierungskritische Journalist*innen hier bewegen.
Die PiS-Partei unter Führung von Jarosław Kaczyński hatte mitten in der Nacht des 31. Dezembers 2015 das neue Mediengesetz verabschiedet. Der Kurs, den die Regierung allgemein unter dem Begriff „die gute Veränderung“ propagiert, bedeutet für den Journalismus alles andere als das. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll nach Plänen der Regierung umgebaut werden. Von unabhängiger Berichterstattung kann keine Rede mehr sein.
"[Das neue Mediengesetz] ermöglicht der Regierung nun direkten Eingriff in Personal- und Programmfragen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes enden die Amtszeiten aller Aufsichtsräte sowie der Intendanten aller öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten des Landes. Die neuen Vorsitzenden werden künftig vom Schatzminister beauftragt."
Massenhaft verschwinden plötzlich Leute von ihren Posten und werden durch regierungstreue Mitarbeiter ersetzt. Das alles geschieht schleichend und leise, und die Angst geht immer weiter um in den öffentlich-rechtlichen Medienhäusern.
„Die nächste Zeit war gruselig. (...) ‚Krawattennadel‘ war plötzlich der Stellvertreter von unserem Chef. Wir haben uns nicht mehr getraut, offen zu sagen, was wir denken, und wenn, haben wir erstmal geprüft, ob die Tür auch verschlossen war.“
Die Angst zieht sich bis hin zu den Zeitungshändlern, die sich plötzlich nicht mehr trauen, die regierungskritische oppositionelle Zeitung offen auszulegen. Sie liegt versteckt ganz unten unter irgendwelchen Zeitungsstapeln und wird nur zögerlich auf Nachfrage von den Zeitungshändlern hervorgeholt.
„Magda“ ist seit 20 Jahren Nachrichtensprecherin, hat drei Kinder zu ernähren und ist auf ihren Job angewiesen. Die Entlassungswellen, das Klima der Angst und der Druck, Nachrichteninhalte zu manipulieren, bringen sie als rechtschaffene Journalistin, die sich der wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet fühlt, an ihre Grenzen.
"Die Schere im Kopf funktioniert. Du weißt einfach, wer in letzter Zeit schon alles rausgeflogen ist. (...) Mein Job war in letzter Zeit ein einfacher Horror. (...) Im Nachrichten-Pool der Agentur fehlen 3/4 der Informationen, sie fehlen einfach. (...) Alles, was nicht im Sinne der PiS-Partei ist, wird abgebügelt als 'das ist tendenziös'."
Inzwischen ist Polen auf der Liste der Reporter ohne Grenze in Sachen Pressefreiheit auf Rang 69 gelandet. Ein trauriges Zeugnis.
Der problematische Regierungskurs wird auch an anderer Stelle deutlich, etwa, wenn die Mutter der Journalistin diese bittet, mit ihr (wieder einmal) gegen das verschärfte Abtreibungsgesetz auf die Straße zu gehen. Und dann die Reform des Bildungssystems. Auch die wird nachts durchgedrückt.
"Jetzt wollen sie unsere Schulen umkrempeln. Die Gymnasien sollen komplett weg, unbequeme Lehrer werden entlassen, und sie wollen ihre eigenen Schulbücher einführen."
Ein ebenso wichtiges wie unterhaltsames Feature, das beinahe ein Hörspiel ist, künstlerisch toll umgesetzt unter der Regie von Robert Schoen. Will gehört werden!
Quelle: Johanna Rubinroth und Tanja Krüger Bild: pa /ZUMAPRESS.com... www.rbb-online.de
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