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Programmleiter Zukunft des Journalismus am Bonn Institute & Direktor futur eins
Wer manchmal auf die Startseiten der Nachrichten geht, könnte meinen, wir befinden uns täglich kurz vor der Apokalypse. Krisen, Katastrophen und Konflikte dominieren in der Regel die Berichterstattung. Das ist ein Grund, warum zunehmend Menschen versuchen, Nachrichten zu vermeiden.
"Negativismus" gilt gemeinhin in der Nachrichtenwertforschung als Nachrichtenfaktor. Heißt: Je "schlimmer" ein Ereignis, desto höher die Publikationswahrscheinlichkeit. Jetzt könnte man argumentieren, dass Nachrichten genau dafür da sind: Das Übel in der Welt zu zeigen. Das kommt aber zu einem Preis: Menschen vermeiden Nachrichten – und das zunehmend. Im Digital News Report 2019 (S. 25) waren es fast 1/3 der Befragten, die angaben Nachrichten bewusst aus dem Weg zu gehen (allein in Großbritannien im Vergleich zur Studie 2017 +11%). In Deutschland waren es 25% der Befragten.
Für Großbritannien wurde die "News Avoidance" noch mal aufgeschlüsselt: 58% gaben an, dass der negative Einfluss auf ihre Stimmung zu groß sei, 40% fühlen sich hilflos ob der Nachrichtenlage. Der Artikel des NiemanLab, der eine Studie von Benjamin Toff und Antonis Kalogeropoulos vorstellt, gibt weitere Einblicke, welchen Einfluss Pressefreiheit, Öffentlich-Rechtliche, Medienvertrauen, Alter, Geschlecht oder politische Einstellung darauf haben, ob Menschen Nachrichten versuchen aus dem Weg zu gehen.
Nun könnte man auch anders argumentieren und sagen, dass Medien im Idealfall versuchen sollten, ein realistisches Bild der Welt zu zeichnen, statt einen Zerrspiegel aus Krisen – Katastrophen – Konflikten. Der Konstruktive Journalismus (dessen Verfechter ich bin), plädiert genau dafür: Mehr Perspektive auf Themen zuzulassen. Das heißt eben nicht nur die Krisenherde zu zeigen, sondern auch stärker zu erklären, was die Hintergründe dafür sind und eben auch, ob und wie an Lösungen dafür gearbeitet wird. Das könnte nicht nur diejenigen erreichen, die Nachrichten aufgrund des negative bias versuchen zu vermeiden, sondern auch diejenigen, die sich nach der Rezeption von Nachrichten hilflos fühlen.
Dabei sind es nicht nur diejenigen, die Nachrichten bewusst vermeiden, die sich eine andere Form der Berichterstattung wünschen. Hierfür gibt es ein paar spannende neue Zahlen des Constructive Institutes aus Dänemark, dessen Gründer Ulrik Haagerup quasi ein Vorreiter des Konstruktiven Journalismus ist. Er hat versucht herauszufinden, welche Wünsche das dänische Publikum hat: Die Zahlen sind auch insofern spannend, weil Konstruktiver Journalismus in den skandinavischen Ländern bereits viel etablierter ist als hierzulande. Und dennoch: 58% der befragten Dänen, wünschen sich lösungsorientiertere Nachrichten, 68% plädieren für mehr Perspektive in der Berichterstattung.
Letztlich hat das Ganze auch eine demokratietheoretische Dimension: Demokratie funktioniert eben nur, wenn sich irgendwer auch für sie interessiert. Je weniger Menschen (qualitativ hochwertige) Nachrichten konsumieren, desto weniger informiert sind sie, wodurch sie in der Folge auch schlechtere politische Entscheidungen fällen. Insofern: Gegen "News Avoidance" anzugehen, sollte im Interesse aller sein. Oder um Peer Steinbrück zu zitieren: "Wenn Du Dich nicht um mich kümmerst, dann verlasse ich Dich ... Deine Demokratie!"
Quelle: Joshua Benton Bild: NiemanLab EN www.niemanlab.org
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ok. deskriptive oder normative NachrichtenKriterien... Aber so zu tun als würden sie nur die negative Realität ab/bilden, ist mir auch zu simpel. human interesst zb ist fast immer auch was "positives" und darüber hinaus sind diese Kriterien ja tatsächlich relevant. Ich meine wir Menschen springen darauf an. und natürlich (!) bilden wir Realität Wahrnehmung in Geschichten (ab).
Warum dann news avoidment? weil heute viele Redaktionen oft zu hektisch und handwerklich schlecht berichten und erzählen.
und (mir ist klar dass ich hier vereinfache und existierende unterschiede zwischen Bericht und Erzählung, zwischen Fakt und Fiktion verwische)
zu wenig erzählen wenn sie eine (negative) Nachricht aneinander reihen... (analog des binge-watching von ein zwei Krimiserien, da hat man auch erstmal keine Lust auf noch eine Krimiserie).
Der gefordertete konstruktive Journalismus mit Lösungsansätzen und Hintergründen - das ist eben die bessere Erzählung/sstruktur.
NachrichtenVermeidung erfolgt übrigens auch bei banaler Übersättigung von ganz und garnicht weltbewegenden, keinerlei action-news-weise der lokalnachrichten mit ihren (hunderten) vereins-, Stadtfest-, ortsumgehung-, Windparkstreit- und firmenfest- verkündungsartikelchen...
Mann liest brennende Zeitung :-)
Auch hier: https://www.piqd.de/me...
Warum werden eigentlich Nachrichtenfaktoren so häufig als Rechtfertigung für die Kriterien der Berichterstattung herangezogen? Sind die nicht eigentlich komplett deskriptiv und null normativ?