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Kurator'in für: Fundstücke Medien und Gesellschaft
Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
Mag es, gute Geschichten zu lesen.
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Mag es gar nicht, in der dritten Person über sich zu schreiben.
Diese Empfehlung schließt an einen piq von Jürgen Klute an: In "Von der Illusion journalistischer Neutralität" fasst er einen Artikel von taz-Autorin Ulrike Herrmann zusammen, die darin erklärt, warum sie ihre Parteimitgliedschaft bei den Grünen ruhen lässt. Sie schreibt unter anderem:
Das ist jedenfalls meine Perspektive – und auch ein Grund, warum ich bei den Grünen geblieben bin. Die LeserInnen sollen wissen, dass ich nicht neutral bin. Denn Neutralität gibt es nicht. Wenn eine objektive Wahrheit existieren würde, wären Kommentare und Meinungsartikel genauso sinnlos wie verschiedene Zeitungen, die auf unterschiedliche Lesergruppen zielen. Es ist ja kein Geheimnis, dass die Welt oder die FAZ eine völlig andere Weltsicht haben als die taz und ihre GenossInnen.
Diese Sichtweise dürfte Marko Ković gefallen. Für die Medienwoche beschäftigt er sich mit der Frage, ob Journalismus neutral sein kann – und ob das überhaupt ein Ziel ist, das Medienschaffende anstreben sollten.
Die Debatte um Objektivität, Neutralität, Haltung und Meinung ist vermutlich so alt wie der Journalismus selbst. Manchmal nervt es mich, über die ewig gleichen Fragen zu streiten, aber eigentlich halte ist es für richtig: Schließlich entscheiden die Antworten, die man darauf gibt, was man unter Journalismus versteht und wie man seinen Beruf definiert. Es ist sinnvoll, das immer wieder auszudiskutieren – erst recht in Zeiten, in denen eine kleine, aber lautstarke Minderheit das Vertrauen in unabhängige Medien verloren hat.
Auch Ković gibt auf diese Fragen keine abschließenden Antworten (ich glaube, das ist unmöglich), aber er liefert Denkanstöße. Unter anderem nennt er drei Gründe, warum das Ideal der journalistischen Neutralität seiner Meinung schnell an seine Grenzen stößt:
Ković ist überzeugt, dass es bessere Werte gibt, nach denen Journalismus streben sollte. Seine drei (leicht gekürzten) Gegenvorschläge lauten:
Daniel Drepper hat sich vor vier Jahren für das Medium Magazin noch ausführlicher mit dem Thema auseinandergesetzt. Wenn mir in Leserbriefen oder sozialen Medien "Haltungsjournalismus" vorgeworfen wird, verweise ich gern auf seinen Essay "Haltung? Ja bitte!" – der für mich gute Gründe liefert, warum das kein Schimpfwort, sondern eine Auszeichnung sein sollte.
Quelle: Marko Ković Bild: Tingey Injury Law... medienwoche.ch
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Leider muss man sich im Journalismus angesichts der starken Polarisierung der öffentlichen Meinung immer wieder nicht nur dazu deklarieren, welchen Meinungen man anhängt, sondern auch, was man für relevant hält und warum. Es ist zwar schon tausendmal durchgekaut, dass allein schon die Auswahl der Themen Ausdruck bestimmter Werthaltungen ist, aber immer noch – und derzeit besonders – gilt es zu erklären, weswegen etwas ein Thema ist und etwas anderes (z. B. ob Bill Gates das Coronavirus in die Welt gebracht hat) eben nicht. Mühsam, aber was willst du machen…
Den Ursprung des Neutralitätsideals im Journalismus würde ich auf die 1890er datieren. Adolph Ochs von der New York Times und Melville E. Stone von der Associated Press haben damals intensiv dafür geworben und der wirtschaftliche Erfolg hat das Ideal legitimiert. Viele Zeitungen haben in der Folge das Newspaper-of-Record-Modell kopiert und auch die ersten Journalismus-Studiengänge, die in den 1910ern gegründet wurden, haben sich an diesen Idealen orientiert.
Der Analyse von Marko Ković stimme ich komplett zu. Eine 100-jährige Tradition abzutragen ist jedoch ein sehr dickes Brett. Und wie Ulrike Herrmanns Kündigung ihrer Parteimitgliedschaft zeigt, ist das Neutralitätsideal noch immer sehr mächtig.
Danke für diese lesenswerte Ergänzung meines Posts.