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Medien und Gesellschaft

In Marokko wird ein Journalist vom Staat schikaniert – was kann Europa dagegen unternehmen?

Mohamed Amjahid
Buchautor und Journalist

Reporter, Kurator, Autor für deutsche und internationale Medien. Studium der Politikwissenschaft/Anthropologie. Themen: Weiße Mehrheitsgesellschaft, MENA, Autokratien, Kapitalismuskritik, Feminismus und kritische Theorie.

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Mohamed AmjahidMontag, 03.08.2020

Den Journalisten Omar Radi habe ich zum ersten Mal im Jahr 2016 getroffen. Damals diente er mir als kompetenter Gesprächspartner und Experte für die politischen Entwicklungen in Marokko – ich hatte vor fast fünf Jahren aber schon irgendwie das Gefühl, dass Radis kritische Perspektive auf den marokkanische Staat selbst irgendwann Mal Teil meiner Berichterstattung werden sollte. 

Radi ist einer dieser Journalist*innen, die von autoritären Regimen mit Verve und viel Aufmerksamkeit gehasst und geschasst werden. Er hat in Marokko schon alle unangenehmen Themen angefasst, die man sich nur so vorstellen kann: Die Misshandlung von Geflüchteten, Korruption und Vetternwirtschaft, die Diskriminierung von Minderheiten oder politische Jugendproteste. Er war als Journalist und Aktivist vorne dabei, als im Februar 2011 Zehntausende Marokkaner*innen für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit auf die Straße gingen. Wann ihn der marokkanische Staat mit all den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen ins Visier genommen hat, ist aber nicht so ganz klar. 

Fakt ist: Mehr als zehn Mal wurde Radi seit Dezember 2019 schon von den marokkanischen Behörden zum Kreuzverhör gebeten. Jedes Mal war eine breite Öffentlichkeit über die sozialen Medien mit dabei. Stundenlang bangen User*innen, Leser*innen, Bürger*innen vor ihren Bildschirmen, bis die Verhöre vorbei sind. Ein Kreis von Unterstützer*innen informiert über Facebook und Co. regelmäßig über den Stand der Dinge. 

Im Juni 2020 hatte ein Zusammenschluss internationaler Journalist*innen die Geschichte aufgedeckt, wie marokkanische Sicherheitsbehörden das Handy von Omar Radi mithilfe eines israelischen IT-Unternehmens mit Hauptquartier in Herzliya nahe Tel Aviv abhörte. Die Recherche zeigt am Beispiel von Radi wie über wirtschaftliche Zusammenarbeit, Technologieaustausch und internationale Sicherheitspolitik auch die Unterdrückung der Pressefreiheit überhaupt ermöglicht wird. Die entsprechende Spähsoftware ist bei vielen Regierungen weltweit sehr beliebt. Dies betrifft nicht nur marokkanische Journalist*innen oder Menschenrechtler*innen. 

Die Liste der Anschuldigungen gegen Radi ist mittlerweile aber sehr lang geworden: Er soll als ausländischer Agent gearbeitet, ausländische Gelder entgegengenommen und die Sicherheit des Staates gefährdet haben. Seit Kurzem wird ihm (sehr gut getimed) auch eine Vergewaltigung vorgeworfen. Seit mehreren Tagen sitzt Radi nun in Haft: ohne Anklage, ohne Beweise, ohne juristische Grundlage, dafür aber mit einem sehr klaren politischen Motiv von staatlicher Seite betrachtet. 

Und was hat Europa mit diesem Fall zu tun? Was können politische Entscheidungen in Brüssel, Paris oder Berlin hier überhaupt bewirken? Der Kreis der Unterstützer*innen von Omar Radi in Marokko und auch in der Diaspora ist sich sicher: Die marokkanischen Behörden kennen nur einen effektiven Druck, wenn es um Menschenrechte und Meinungsfreiheit geht. Falls die wichtigen europäischen Partner Rabats drohen würden, den Geldhahn zuzudrehen, sagen die Unterstützer*innen, wäre Omar Radi im Nu wieder ein freier Journalist. 

In Marokko wird ein Journalist vom Staat schikaniert – was kann Europa dagegen unternehmen?

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