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Medien und Gesellschaft

„Hanau muss die Endstation sein!“ (Çetin Gültekin)

Susanne Franzmeyer
Piqer für Radio Features
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Susanne FranzmeyerSonntag, 14.02.2021

Am 19. Februar 2020 wurden in Hanau-Kesselstadt an verschiedenen Orten gezielt neun Menschen von einem hasserfüllten Rassisten ermordet. Nun, da sich dieses schreckliche Ereignis jährt, senden Deutschlandfunk Kultur, WDR und NDR das Feature „Der letzte Tag. Das Attentat von Hanau“ von Sebastian Friedrich, ein Feature, das auf beeindruckende Art mit Überlebenden und Angehörigen der Ermordeten den letzten Tag rekonstruiert. Schon jetzt ist es online abrufbar.

Beeindruckend ist das Feature vor allem, weil es der Hörerschaft die Menschen der als „sozial abgehängt“ geltenden Kesselstadt so nahebringt. Die Ungerechtigkeiten, den Alltagsrassismus und ihre Träume, die an diesem Tag so jäh zerplatzten, und die man sich in Kesselstadt hartnäckiger erkämpfen muss als in den privilegierten Vierteln wenige Straßen weiter:

„Ich habe immer zu ihm gesagt, Ferhat, du musst mehr, mehr arbeiten als deutsche Kinder, weil du hast ja keine gleiche Chance.“ (Ferhats Mutter)

Nicht alle Ermordeten können in diesen 55 Minuten in den Fokus gerückt werden, der Autor konzentriert sich in seinem Feature auf die Geschichte von Ferhat Unvar. Dessen Mutter und Schwester kommen zu Wort sowie sein Freund Jaweid, mit dem Ferhat sich eigentlich an diesem Abend zum gemeinsamen Fußballschauen in der vom Attentäter heimgesuchten Bar verabredet hatte und der nur durch Zufall doch nicht mitgegangen war. Außerdem Überlebende des Attentats – darunter Etris, ein angehender Versicherungskaufmann mitten in der Ausbildung, der den Kugelhagel überlebte, aber die Menschen um sich herum sterben sah. Etris, ein ambitionierter junger Mann, der sich am Vormittag noch überlegt hatte, welche Versicherung er für sich selbst abschließen wollte, der an diesem Abend seinen kleinen Bruder verlor, und den ebenfalls eine Kugel traf:

„Ich weiß noch, wie die Sanitäter und die Polizisten geschaut haben und gesagt haben: Eintrittswunde am Hals und wie dann auf einmal so nervös überall am Hals und am Gesicht abgetastet haben und mit Licht drauf geschienen haben und irgendwann mal jemand gesagt hat: Keine Austrittswunde. Es heißt, die Kugel ist noch im Hals. Ich hab‘ da schon abgeschlossen gehabt mit meinem Leben.“

Die Sinnlosigkeit des Attentats, das so viele Menschenleben auslöschte, so viel Kummer erzeugte und so viele hart erkämpfte Träume zerplatzen ließ, wird hier in aller Härte demonstriert. Wenn dann noch mitangehört werden muss, wie der am Hals blutende Etris, der kaum noch sprechen kann, statt gleich behandelt zu werden, erst einmal seinen Personalausweis zeigen muss, oder dass die besorgten Angehörigen, die nach und nach vor Ort aufkreuzen – ohne irgendwelche Informationen zu bekommen – in Busse verladen werden und stundenlang ohne psychologische Unterstützung in einer Sporthalle ausharren müssen – dann macht das wütend. Erst am frühen Morgen werden die Namen der Toten verlesen – und damit haben die Angehörigen endlich Gewissheit. Die Hoffnung von Ferhats Schwester Nesrîn Unvar und ihrer besorgten Mutter wird mit einem Wort zerschlagen, als Ferhats Name aufgerufen wird.

Im Feature hört man viele Namen, nur ganz bewusst nicht den des Mörders, in dessen Wohnung neben Reden Adolf Hitlers auch das Buch von Thilo Sarrazin, „Deutschland schafft sich ab“ im Regal stand. Die Botschaft ist klar und man nimmt sie mit Genugtuung zur Kenntnis: Man soll nur der Menschen gedenken, die es verdient haben, dass ihrer gedacht wird.

Das bunte Leben in der als „Problemviertel“ abgestempelten Kesselstadt, in der aber ein durchaus positives Lebensgefühl den Alltag prägt, und in der man sich kennt, freundlich grüßt und gegenseitig unterstützt, wird der Hörerschaft in diesem Feature ebenfalls näher gebracht:

"Jeder kannte sich untereinander. Da ist keiner fremd und jeder ist auch gut miteinander. Das ist eine sehr, sehr schöne Gegend gewesen und es hat uns sehr gefallen gehabt als Familie. Wir hatten noch nie irgendeinen Grund gehabt (...) dort wegzugehen.“

Es bleibt zu hoffen, dass es hilft, nach wie vor bestehende Barrieren in den Köpfen einzureißen, mit Vorurteilen aufzuräumen, und dass endlich sozial benachteiligten Jugendlichen mit mehr Offenheit und Förderwillen begegnet wird. Hier schlummert so viel Potenzial, Lebensfreude und Zusammenhalt, von dem eine Gesellschaft als Ganzes nur profitieren kann.

Ursendung: 16.02.2021, 22:03 Uhr, Deutschlandfunk Kultur,
21.02.2021, 13.04 Uhr, WDR 5,
21.02.2021, 11.04 Uhr, NDR Info,
Regie: Hannah Georgi
Produktion: Deutschlandfunk Kultur/WDR/NDR 2021
Länge: 55'11

 „Hanau muss die Endstation sein!“ (Çetin Gültekin)

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Kommentare 3
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als 2 Jahre

    Da die Sendung gerade den CIVIS AUDIO AWARD in der Kategorie Lange Programme erhielt, sei auf das Stück hiermit hingewiesen.
    https://www.civismedia...
    Eigentlich ist das ein hervorragender Repiq.

  2. Maximilian Rosch
    Maximilian Rosch · vor mehr als 3 Jahre

    Wir haben alle piqs zu Hanau in einem Dossier gesammelt: https://www.piqd.de/sp...

  3. Yvonne Franke
    Yvonne Franke · vor mehr als 3 Jahre

    Mohamed Amjahid hat einen weiteren Hör-Tipp zum Thema: https://www.piqd.de/su...

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