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#ViewFromSomewhere #MovementJournalism
Piqd ist ja auch so ein bisschen wie das schwarze Brett im Supermarkt, nur mit dem kleinen Unterschied, dass hier viel gefunden, aber kaum gezielt gesucht wird. Ich suche gerade gute Piqs zu einem Phänomen. Vielleicht kann mir ja jemand helfen.
In den letzten Wochen habe ich mich viel mit den Reflexionen von Chefredakteur:innen von Leitmedien beschäftigt. Die Zeit, Die Tagesschau, The New York Times usw.
Und dabei ist mir aufgefallen, dass dort die allgemeine Glaubwürdigkeit als ein sehr hohes Gut gehandelt wird.
Der WDR erhebt z.B. den Grad der Glaubwürdigkeit bestimmter Medien in der Gesamtbevölkerung zweimal jährlich in einer Studie [WDR Glaubwürdigkeitsstudie]. Der BR macht eine ähnliche Studie und der Nachrichtendienst Reuters auch. Außerdem hängen wichtige Medienmacher die allgemeine Glaubwürdigkeit immer wieder ganz hoch.
Volker Herres aus den ARD-Leitlinien für 2017/18:
“Glaubwürdigkeit ist unser höchstes Gut. Tatsächlich ist das Vertrauen in unsere journalistische Arbeit bei den Menschen nach wie vor sehr hoch. Laut Umfrage von tns-Infratest liegt Das Erste mit 68 Prozent im Jahr 2015 bei dem Kriterium „Glaubwürdigkeit“ nach wie vor an der Spitze.” [ARD Leitlinien 17/18]
Lutz Marmor – damals NDR-Intendant – in einem Interview mit medienpolitik.net:
Glaubwürdigkeit ist unser höchstes Gut. Einer von uns in Auftrag gegebenen Infratest-Umfrage zufolge halten 70 Prozent der Menschen das Erste für glaubwürdig. Das ist ein hoher Wert, nahezu unverändert seit rund 10 Jahren. Aber umgekehrt gibt es offenbar auch 30 Prozent, die uns diese Eigenschaft nicht abnehmen. Diese Gruppe müssen wir für uns gewinnen, und daran werden wir weiter hart arbeiten. [Interview 2015]
An dem Ziel der allgemeinen Glaubwürdigkeit ist erst einmal nichts auszusetzen. Es gibt viele Wege für ein Medium, um seine allgemeine Glaubwürdigkeit zu erhöhen, die ich ganz wichtig und gut finde: gründliche Recherche, Transparenz, Fehlerkultur, Selbstreflexion, diverse biografische Hintergründe, ...
Aber es gibt da eine Methode, mit der ich dann doch ein Problem habe. Und zwar können Nachrichten und Leitmedien auch viel einfacher allgemeine Glaubwürdigkeit erlangen. Nämlich indem sie sich einfach nicht allzu weit von dem gefühlten, gesellschaftlichen Konsens entfernen.
Den Zusammenhang sehe ich so: Wenn eine Redaktion sich über eine längere Zeit, in zu vielen Themen, zu weit von den Realitätskonstruktionen weiter Teile der Gesellschaft entfernt, dann verliert das Medium an allgemeiner Glaubwürdigkeit und somit auch an Einfluss auf die Narrative, die auf die Realitätskonstruktionen der Gesellschaft einwirken.
Der stellvertretende Chefredakteur der Zeit, Bernd Ulrich, beschreibt dieses Catch-22-Dilemma in seinem aktuellen Buch so:
Im Grunde besteht die Kunst im Journalismus darin, die Standardabweichung zu jener imaginären Mitte intuitiv zu ahnen, weit genug weg, um nicht langweilig zu sein, nah genug dran, um nicht marginalisiert zu werden. [Alles wird anders]
Der Chefredakteur der Deutschlandfunk-Nachrichten, Marco Bertolaso, sieht diesen Zusammenhang auch. Nur offenbar nicht als Problem, sondern als Aufgabenbeschreibung:
Neutralität und Objektivität sind immer schon Schimären gewesen. Doch das redliche Streben danach gehört nicht nur zur Würde des Nachrichtenberufs, es begründet auch die Glaubwürdigkeit. [deutschlandfunk.de 2018]
Es ist für mich sehr spannend, die ewige Debatte über Objektivität und Neutralität aus dieser Perspektive der allgemeinen Glaubwürdigkeit zu betrachten. So verstehe ich das Dilemma viel besser, in dem sich Nachrichten und Leitmedien befinden. Und ich kann besser nachvollziehen, warum die neutrale Objektivität sich in so vielen Redaktionen als journalistisches Ideal halten kann, obwohl die Idee intellektuell so vollkommen unattraktiv ist.
Es ist nachvollziehbar, aber trotzdem falsch. Wenn sich eine Redaktion zu viele Sorgen macht, wie die Berichterstattung auf die Glaubwürdigkeit des Mediums abfärbt, dann ist das auch eine Art von Schere im Kopf. Ein Bias in Richtung der aktuellen Normalität, der aktuell gefühlten Realität.
Möglicherweise sind Nachrichtenredaktionen genau deswegen so zögerlich, die Klimakrise als die Katastrophe darzustellen, die sie ist.
Ich kann leider keinen – passenden – Piq zu diesem Thema anbieten. Wer kann mir helfen? Gibt etwas zu dieser Problematik?
Quelle: Ceci n’est pas une piq Bild: unsplash.com | @s... lacquerlacquer.com
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Das geht m.M.nicht nur dem Zeitungen so: das Problem haben wir natürlich alle... bin ich wirklich objektiv? Oder ist das nur für mich zu meiner Meinung passend?
Dabei soll kann gerade das Medium Zeitung helfen... :)
Könnte man Glaubwürdigkeit messen, müsste man sich folgende Fragen stellen:
Wie konnte es Trump schaffen, den amerikanischen Leitmedien In wenigen Jahren so viel Glaubwürdigkeit zu nehmen?
Rein faktisch hat Trump eine hohe Glaubwürdigkeit erreicht, unter ständiger Missachtung der Grundprinzipien, die Du darstellst. Woran liegt das?
Und es muss noch einen anderen starken Mechanismus geben neben der Strategie des Trendfolgens der herrschenden Meinung. Ich würde ihn darin suchen: Glaubwürdigkeit korreliert wenig mit der Realität, sondern mehr mit der Wahrnehmung und Vorstellungswelten.
Ich empfehle mal:
Scott Adams, win bigly und Robert cialdini, pre-suation. Das erste Buch wir hart für Dich.
Marco Bertolaso, der Nachrichten-Chef des DLF, reflektiert sich und die Rolle der Nachrichten ziemlich regelmäßig auf der Website des Deutschlandfunks. Dieses Jahr hat er sich auf Twitter noch einmal über den Zusammenhang von Haltung und Glaubwürdigkeit geäußert:
“Wir haben aber (im Dienst) keine "Haltungen" zu einzelnen Fragen. Wir sind nicht für oder gegen AKW, Fleischkonsum etc. Kurz, wir sind keine Aktivist/innen im engeren Sinne. Wären wir es, verlören wir Glaubwürdigkeit bei und Zugang zu großen Teilen der Gesellschaft."
Ich finde, hier wird es sehr deutlich. Der Beißreflex gegen Haltung und Aktivismus ist vor allem in der allgemeinen Glaubwürdigkeit und dem Zugang zur ganzen Gesellschaft begründet.
Ich weiß nicht, wie es andere empfinden. Ich glaube, dass die TAZ oder The Intercept kein Leitmedium sein können. Nicht, weil sie schlechter arbeiten als die anderen. Einfach nur deswegen, weil sie ihre redaktionellen Schwerpunkte zu weit abseits des gesellschaftlichen Konsenses legen.
Kann mir jemand mit Literatur zu diesem Phänomen weiterhelfen? Oder bin einfach nur auf dem Holzweg und finde deswegen kaum etwas zum Glaubwürdigkeits-Bias?