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Kurator'in für: Medien und Gesellschaft Kopf und Körper Flucht und Einwanderung Fundstücke Feminismen
piqd für euch die Perlen unter den Radio Features. (Bis Ende 2017 für Deutschlandfunk Kultur, inzwischen unabhängig und senderübergreifend).
Lebt und arbeitet als freie Autorin, Regisseurin und Produzentin mit Schwerpunkt künstlerisches Feature in Berlin. Hat alles mögliche an Geisteswissenschaften studiert und ist Absolventin der EBU Master School on Radio Features. Sie veröffentlichte außerdem ein erfolgloses Hip Hop Album, arbeitete sich durch bislang sieben musikalische Stilübungen von Reggae bis Death Metal, und hat trotz aller Widrigkeiten zwei wunderbare Kinder in die Welt gesetzt.
Ungewöhnlich: In der Anmoderation zum Feature „Russisches Gift – Nawalny, Nowitschok und die Propaganda“ von Christine Hamel scheint es der Redakteur für erforderlich zu halten, bevor der Bayerische Rundfunk „wieder wütende E-Mails“ bekommen werde, auf die Liebe der Autorin zu Russland hinzuweisen. Sie sei sogar mit einem Russen verheiratet. Das lässt aufhorchen. Was dann folgt, noch mehr.
Das Feature rollt den Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawolny auf packende Art von Anfang an detailgetreu neu auf. Wie Nawalny im Flugzeug zusammenbrach. Wie im Krankenhaus in Omsk plötzlich mehr Polizisten anwesend waren als Personal. Wie der Chefarzt der Klinik sich zunächst sträubte, Nawalny nach Deutschland ausfliegen zu lassen – ein Angebot der deutschen Organisation „Cinema for Peace“. Wie die ersten Beweise seiner Vergiftung ans Licht kamen, und wie weitere dazukamen – damit hatten die Täter nicht gerechnet.
Spannende Einblicke gewährt der Entwickler des Giftstoffs Nowitschok, der den Stoff zur Zeit des Kalten Krieges mit erfunden hatte. Im Interview mutmaßt er, wie Nawalny habe vergiftet werden können, und meint, hier müsse ein Kenner am Werk gewesen sein, denn schon drei Tropfen des Nervengifts könnten 9 Menschen töten – eine hochgefährliche Sache also, die schnell zu einer ungewollten Verbreitung hätte führen können.
Christine Hamel schildert im Feature aber vor allem auch, wie die russischen Medien mit dem Fall Nawalny umgingen. Da wurde heruntergespielt, desinformiert, Nawalny wurde in der Presse als unbedeutender „Podcaster“ dargestellt, und es kursierten bisweilen acht verschiedene Gründe, warum er zusammengebrochen sei: Von „Stress“ über „kein Frühstück“, „Alkoholvergiftung mit Selbstgebranntem“ bis hin zu „Entzündung der Bauchspeicheldrüse“ war alles erdenklich Unglaubwürdige dabei. Hamel führt auch Gründe für dieses Vorgehen der Staatsmedien auf. Psychologische Gründe. Denn die perfide Bombardierung der Öffentlichkeit mit Unwahrscheinlichkeiten aller Art hat den Effekt, dass ein Höchstmaß an Verwirrung beim Rezipienten entsteht, der am Ende nicht mehr in der Lage zu sein glaubt, die Wahrheit herausfiltern zu können. Die Menschen glaubten am Ende gar nix mehr. Aus hiesiger Sicht mag es absurd anmuten, wenn russische Medien behaupten, Nawalny sei auf dem Flug nach Deutschland oder gar erst in der Charité vergiftet worden. Auch ein Motiv hat man sich dort zurechtgeschustert: Das erstarkende Russland sei dem Westen ein Dorn im Auge, allen voran den USA, man wolle Russland gezielt durch Sanktionen schwächen. Aber in Russland wirken solche Propagandastrategien. Viele glauben den Behauptungen, oder sie glauben eben überhaupt nichts mehr.
Das Feature wirkt auch noch auf einer sinnlichen Ebene. Nawalnys Empfindungen, als er, mit der Gewissheit, vergiftet worden zu sein, am Boden des Flugzeugs lag, hat er dem Magazin „Der Spiegel“ folgendermaßen beschrieben: „Du fühlst keinen Schmerz, aber du weißt, du stirbst“. Hamel bat ihre Freundin Tanja in Russland, dieses „ungeheuerliche Gefühl“ mit ihrer Schauspieltruppe in mehrstimmigen russischen Gesang zu übersetzen: „Ich fühlte keinen Schmerz, aber ich wusste, ich sterbe“ - und spätestens hier wird sie hörbar, die Liebe zu Russland. Der Chorgesang in russischer Sprache ist ergreifend und packt einen direkt an der Seele – russisch oder nicht russisch. Wie ein roter Faden zieht er sich durch das Stück und erinnert damit immer wieder an das Essenzielle: Dass am Anfang all dessen die versuchte Tötung eines Menschen stand. Und wenn die Frau Nawalnys sich am Ende in deutscher Sprache mit Heines Liedtext „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin…“ an die deutsche Regierung wendet, mit der Bitte, den Fall Nawalnys nicht „zu einem weiteren Märchen“ werden zu lassen, kann man nur hoffen, dass auch die „deutsche Seele“ der hiesigen politischen Verantwortungsträger für eine derartige Botschaft empfänglich ist.
Ein starkes Feature mit wichtiger Botschaft, und toll umgesetzt.
Quelle: Christine Hamel Bild: picture alliance/... www.br.de
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klingt interessant und im guten Sinne gut gemacht. Aber sollte man doch nicht ganz außen vorlassen, dass Nawalny kein ungetrübter demokratie-Held für uns im Westen sein kann: mit seiner unaufgearbeiteten populistischen antisemitischen Vergangenheit... und die ist keine kreml-propaganda.