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Quelle: privat
Spionin, Detektivin oder Archäologin wollte ich eigentlich werden. Dann reichte es nur zur Schriftstellerin. Zumindest kann ich seitdem meiner Passion im Recherchieren nachgehen. Bislang hielt ich mich dazu in verschiedenen Ländern, wie Portugal, Österreich, USA oder Japan auf. Mein letzter Roman "O.", eine Neuschreibung der Odyssee aus weiblicher Perspektive, ist im März 2020 erschienen. Außerdem gibt einen neuen Essayband mit dem Titel "Erfundene Heimaten". Zurzeit arbeite ich an einem Projekt, das sich mit der Darstellung von Historie in aktuellen literarischen Werken beschäftigt.
Jan Graf Potocki, polnischer Autor, schreibt in französischer Sprache über ein fiktives Spanien.
Bereits der Titel dieses weit verzweigten Romans gibt Rätsel auf. In einer Rahmenerzählung wird das Manuskript als „Die Handschrift von Saragossa“ bezeichnet. Warum, erläutert der Autor im Laufe von rund 1000 Seiten nicht. Dafür lernen wir den Ich-Erzähler Alfonso kennen, einen Edelmann, der in der spanischen Sierra Morena unterwegs ist und wiederholt an gespenstischen Orten, wie einer verlassenen Herberge oder einer Schlossruine landet, die sich – im Traum, in der Imagination, in Wirklichkeit? – mit seiner Ankunft wieder beleben. Mehrmals stößt Alfonso auch auf einen Galgen mit zwei Gehenkten, die mal hängen, mal unten liegen, mal verschwunden sind. Aufgewacht wird nach nächtlichen lustvollen oder auch alptraumhaften Abenteuern oft unter jenem Galgen inmitten der Leichen. Weiters treffen wir mit Alfonso auf verschiedene Menschen, die ihre Geschichten erzählen, in denen wiederum Menschen vorkommen, die Geschichten erzählen, in denen Menschen vorkommen, die ihre Geschichten erzählen und jede der Geschichten enthält mindestens einen Verweis auf den Haupterzähler. Das klingt eintönig, ist aber kunstvoll gemacht und ziemlich unterhaltsam, denn meist geht es um Liebe, Verwechslungen, Verwicklungen und Verrat unter Edelleuten, die Besitz, Ehre und Ruf zu verteidigen haben.
Dazu ist die Vita des Autors Potocki (1761-1815), mindestens so mysteriös und abenteuerlich wie die Geschichte seines Helden und dessen muslimischer Kusine. Polnischer Abstammung, hochgebildet, weitgereist, schreibt er in französischer Sprache, kompiliert vorhandene Texte, übersetzt, kombiniert, kommt vom Thema ab, philosophiert über Christentum, Islam, Judentum, führt das Unerklärliche in den Text ein und wieder aus. Vieles ist seinen Reiseerfahrungen und Begegnungen geschuldet, andere Orte wieder sind fantasiert. Allein, dass der polnische Adelige in französischer Sprache über ein fiktives Spanien schreibt, ist kurios. Es dient ihm als Nährboden eines beispielhaften Zusammenkommens mehrerer Kulturen. Und das Verkleiden, Täuschen, Geschlechtwechseln, Morden, Sündigen, Strafen, Lieben, Essen, Trinken und Träumen hört einfach nicht auf. Die Geschichte rast in Wiederholungen vorwärts, bewegt sich aber gleichzeitig nicht vom Fleck.
»Ich kann den Erzählungen (…) noch so aufmerksam lauschen, der Zusammenhang entgeht mir völlig. Ich weiß nicht mehr, wer eigentlich spricht oder wer zuhört.”
Heißt es einmal. Möglich, dass auch Potocki erst während des Schreibens nach Lösungen suchte und deshalb vom Hundertsten ins Tausende kam. Trotzdem folgt der Leser den ineinander verschachtelten Geschichten gern, nicht zuletzt, weil er endlich wissen will, ob die beiden Schönheiten, denen der Held möglicherweise zu Anfang beigewohnt hat, menschlich sind oder Dämoninnen.
Neben Ehre und Religion reflektiert der Autor – mitten im Zeitalter der Aufklärung – die Frage, ob es Gespenster gibt oder nicht, ob man Träumen trauen kann oder nicht, ob man aufgrund von Lebensgeschehnissen seine Grundsätze ändern soll oder nicht. Der Held hält schließlich an seinem christlichen Glauben unerschütterlich fest und erweist sich damit als würdiger Nachkomme seiner ehrenwerten Familie.
Es scheint ein Wunder, dass dieses Epos noch nicht in die Fänge von TV-Serien-Schreibern geraten ist. Sogar der Tod dieses Großmeisters der Abschweifung lange vor Bolaño bleibt ein Mysterium. Jedenfalls ist die Legende überliefert, dass Graf Potocki eine silberne Kugel aus der Verzierung einer Zuckerdose oder eines Samowars brach und so lange schliff, bis sie in den Lauf seiner Pistole passte, mit der er sich sodann erschoss.
Der Roman, der zu Lebzeiten seines Autors nie vollständig veröffentlicht wurde, tauchte erst wieder Mitte des 20. Jahrhunderts aus der Versenkung auf und ist seit 2018 neuerlich in der Übersetzung von Manfred Zander bei Kein&Aber erhältlich.
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Den Roman muss ich noch lesen. Danke für die Erinnerung.
Es gibt übrigens eine mittlerweile berühmte Verfilmung. Vielleicht sitzt schon jemand an einer Serie.
https://de.wikipedia.o...
https://www.youtube.co...
https://www.youtube.co...
Was sich kranke Hirne ausdenken,
muss man ja nicht unbedingt lesen ....