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Anne Hahn, in Magdeburg geboren, lebt seit 1990 in Berlin. Studium der Kunstgeschichte/Geschichte in Berlin und Florenz. Seit 1999 Porträts, Reportagen und Rezensionen in verschiedenen Medien. Buchveröffentlichungen u.a.: "Satan, kannst du mir nochmal verzeihn - Otze Ehrlich, Schleimkeim und der ganze Rest" (mit Frank Willmann) Ventil Verlag 2008, "Pogo im Bratwurstland: Punk in Thüringen" LzfpB, 2009, „DreiTagebuch“ Roman, „Gegenüber von China“ Roman, beide Ventil Verlag, 2014, "Das Herz des Aals", Roman, Ventil Verlag 2017, "Mitten drin - Fußballfans in Deutschland" BfpB, 2018, "Vereint im Stolz - Fußball, Nation und Identität im postjugoslawischen Raum", BfpB 2021
Diesmal kann ich nicht zitieren, ich habe mein elektronisches Exemplar des neuen Romans Herr Oluf in Hunsum von Christopher Ecker nicht mehr auf meinem Reader gefunden – dort sind zwar dreizehn Bücher gespeichert, nur nicht dieses. Ich befinde mich zurzeit auf Kur, werde gebadet, gequält und gehegt. Das In-den-Hintern-Treten ist eine effektive Strategie, wir strahlen uns alle beim Abendbrot an. Die Schmerzen schwinden, die Laune steigt. Ich erinnere mich plötzlich an den Roman, der mich zum Dauerschmunzeln brachte. Christopher Ecker verblüfft mich seit Jahren (hier, da und dort schwärmte ich bereits).
Gute Laune fördert die Lust an Sarkasmus, und den bietet die seltsame Reise des Herrn Oluf nach Hunsum reichlich. Gleich zu Beginn lässt er seine hochfiebernde Frau mit dem ebenfalls kranken Baby zurück. Herr Oluf soll einen Vortrag halten und geht beim Autofahren in den Norden die Rede durch. Ab und an versucht er, zu Hause anzurufen.
Profanes, wie die (allermeisten) Mitmenschen widern Herrn Oluf an, der seine Ideale aus der Kunst- und Filmgeschichte schöpft. Diesem verschrobenen Misanthropen gelingt es nicht einmal, seinen Handy-Account zu aktivieren – weil er die anzuklickenden und Code-entsperrenden Bildchen nicht versteht. Spätestens hier erlag ich dem Charme des Romans. Unangenehm oft scheitere ich an ähnlich doofen Aufgaben. (Sind Ortseingangsschilder Verkehrszeichen oder nicht?) In der detaillierten Erzählung der Dilemmata blieb mir das Lachen im Halse stecken. Das ganze Buch ist ein Schenkelklopfer auf eigene Kosten.
Aus der Erinnerung (ich las das E-Book vor etlichen Wochen und muss es dussligerweise gelöscht haben) scheint mir das beklemmende Gefühl, Herr Oluf liebe niemanden (mehr) wirklich, herüber. Ein tragisches Erlebnis aus seiner Jugendzeit wirft Schatten ins Heute. Das Meer, eine Reise nach Frankreich, bei der jemand zu Schaden kam. Ein imaginärer Psychologe stellt dem Professor Fragen nach seiner Schuld und bedrängt ihn, der eigentlich den Vortrag halten und sofort wieder abreisen will. Oder ist es der Professor selbst, der seine Unsicherheit zu einer Existenzkrise ausweitet? Es werden viele Sinn-Fragen gestellt und die passenden Szenen exorbitant ausgemalt. Nasse Schuhe und ein offener Bademantel sind Zeugnisse eines ethischen Absturzes.
Die Eckerschen Phantasmorgien finden diesmal im Kopf eines Professors statt und haben dabei nicht weniger Wucht als die ausgemalten seiner früheren Romane und Erzählungen. Es ist ein Schritt nach vorn. Hinter unsere Stirn.
Wir sind der Professor. Wir reisen nach Norddeutschland und halten einen Vortrag, der peinlich daneben geht. Wir haben unsere Liebsten im Stich gelassen. Wie können wir da wieder rauskommen? Eine Version bietet Christopher Eckers zum Roadmovie mutierter Romanfortgang, der desolate Prof schlittert durch halb Deutschland mitten in ein Volksfest und eine kleinkriminelle Szene aus Dantes Inferno. Ich wünsche mir eine Serien-Umsetzung mit mindestens sechs Folgen, die alle ein anderes Ende und Ziel haben. Wir starten mit der Fahrt des Herrn Oluf nach Hunsum. Gute Reise!
Quelle: Nick Lüthi www.bookgazette.xyz
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