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Die ultimative Ausrede: Papa von Mamas Gnaden

Jennifer Sutholt
psychologische Beraterin

Als psychologische Beraterin unterstütze ich alleinstehende Personen mit Kinderwunsch, baue ein Informationsportal für Co-Elternschaft auf und engagiere mich ehrenamtlich bei Solomütter Deutschland e.V.

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Jennifer SutholtMontag, 16.08.2021

Der Spiegel hat sich in seinem Artikel „Worunter moderne Väter leiden“ mal ganz kurz mit Familien und Gleichberechtigung beschäftigt und hat Gott sei Dank direkt die Schuldigen an der Situation gefunden, dass der Mental Load in Familien so ungerecht verteilt ist: die Mütter. Hurra! Und die sind zum Glück so einfach als Verursacherin der Misere zu identifizieren. Die Männer möchten nämlich, aber die Mama lässt sie nicht. Böse, böse. Das Ganze schön mit einem Bild hinterlegt, auf dem ein Vater sein Kind falsch rum in die Trage gesteckt hat. Dazu sagt Anne Dittmann:

Ich bin nicht sicher, ob der „Spiegel“ jetzt zum Satire-Magazin mutiert oder einfach nur etwas nach rechts rückt? Satirisch wirkt vor allem die Kombination aus Artikel-Überschrift und Bild: „Papa kann das schon alleine“ steht da unter einem Vater, der sein Kind falsch herum in die Babytrage gesetzt hat – ich musste fast lachen.

Zitieren möchte ich aus dem eigentlichen Artikel ehrlich gesagt gar nicht, sondern lieber aus dem Kommentar „Reißt euch zusammen, Daddy!“ von Anne Dittmann. Denn die ziemlich sexistisch klingenden „Lösungsvorschläge“ des Spiegels möchte ich nicht weiterverbreiten.

Der Artikel verkauft eine zweifelhafte These: Gleichberechtigung gäbe es schon längst, wenn Mütter sich dem nicht in den Weg stellen würden. Also müsste man es ihnen begreiflich machen, indem Väter „wehrhaft“ werden und Frauen zuhören und verstehen. In einer Studie zum „Maternal Gatekeeping“ wird Müttern sogar vorgeschlagen, Väter mehr zu loben, damit sie sich um ihr Kind kümmern und dran bleiben. All das führt dazu, dass Väter ignorant sein dürfen und Frauen ein Kind mehr haben, um das sie sich kümmern sollen. Willkommen im Patriarchat. Das ist keine Gleichberechtigung.

Dass eine Familie nur als Team richtig gut funktionieren kann und nicht, wenn sich der eine gegen den anderen stellt, dass sollte eigentlich klar sein, oder? Anscheinend nicht. 

Nein, es ist nicht okay, wenn Väter plötzlich in die Care-Arbeit stolpern und – genauso wie im Büro – der Kollegin ins Wort fallen wollen. Reißt Euch zusammen, Daddys! Hört zu, schaut hin! Lasst es Euch ganz genau zeigen! Mit Eurer „Reicht doch auch aus“-Haltung entsteht im Vergleich zum mütterlichen Engagement ein Fürsorge-Abstieg, den Eure Kinder früher oder später bemerken werden. Und dann ratet mal, bei wem sie sich sicherer fühlen. Wie wäre es also, wenn wir auch über „Paternal Underperforming“ (den Begriff habe ich mir gerade ausgedacht, aber wen juckt das schon) sprechen, wenn wir schon „Maternal Gatekeeping“ untersuchen?

Folgende Analogie macht es verständlich:

Es ist tatsächlich wie in der Firma: Bevor der neue Kollege alles ruiniert, macht man es lieber erst mal selbst. Gleichzeitig gilt: Gute Arbeit schafft Vertrauen. Mütter ziehen sich von alleine zurück, wenn sie sicher sind, dass Väter alles Wichtige auf dem Schirm haben. Ihr seid keine guten Väter, wenn ihr Euch gegen Eure Partner*innen „wehrt“, sondern wenn sie sich ehrlich entspannen können. Entspannung ist gleich Ritterschlag. Und das schafft Mann nur, wenn es ihm ernst ist mit der Care-Arbeit. Wenn es ihm um das Wohl seiner Kinder geht statt um sein Ego.

Dass der Begriff Maternal Gatekeeping viel mehr eine Ausrede als alles andere ist, schrieb schon Patricia Cammarata in 2019:

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Haltung, dass Frauen es sich doch selbst immer so schwer machen und sich querstellen für die Lösungen der Väter einfach aus der mangelnden Erfahrung der Männer kommt. Wer selbst nicht den Haushalt schmeisst und nonstop für die Kinder verantwortlich ist (was bei Frauen nicht selten neben der eigenen Berufstätigkeit noch oben drauf kommt – immerhin 46% der Familien leben in einem sogenannten Zuverdienermodell, was in dem Fall heisst, der Mann arbeitet Vollzeit und die Frau weniger als Vollzeit), der hat eben keine Ahnung von dem Ausmaß der Belastung, der man ausgesetzt ist.

Die ultimative Ausrede: Papa von Mamas Gnaden
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Kommentare 9
  1. alfred Wicher
    alfred Wicher · vor fast 2 Jahre

    Tatsächlich ist es für mich als Vater zweier Kinder schwer zu verstehen, woher die Verallgemeinerung kommt wenn, diese im Umkehrschluss ebenso unerwünscht ist.
    Als Vater kann ich mir nichts schöneres vorstellen als meine Kinder zu verstehen und deren Entwicklung positiv zu begleiten. Ich gehe arbeiten, erledige Hausarbeiten, kümmere mich um die Schulangelegenheiten und habe eine traumhaftes Verhältnis zu meinen Kindern. Trotzdem werde ich von meiner Frau nicht ernstgenommen. Allerdings zeigen unsere Kinder ihr das ich auch richtige Entscheidungen treffe.
    Achtet auf eure Kinder, beobachtet sie und ihr werdet erkennen was richtig und was falsch ist. Wo wahre Liebe ist, kann nichts schlechtes entstehen.
    So können wir Väter sein. Dieser Kommentar wie der Spiegelbericht, führen zu dem Ergebnis die Kluft zwischen Mama und Papa zu vergrößern.
    Eure Kinder brauchen Mama und Papa.

  2. Tilman Solaro
    Tilman Solaro · vor mehr als 3 Jahre

    Schwer erträglich, diese ständigen Schuldzuweisungen. Beiderseits!
    Aber wer ist so naiv zu glauben, dass dieses trendige Väter-Bashing irgendetwas verbessert?

    1. Annette Janssen
      Annette Janssen · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

      Da erscheint ein Artikel im Spiegel, in dem die These aufgestellt wird, dass Väter trotz (größter) Anstrengung in der Care- und Hausarbeit statt anerkannt und gesehen zu werden, nur von den Müttern bevormundet werden. Dazu werden im obigen Kommentar einige Aussagen zurecht gerückt und erklärt. Das ist dann eine „trendige“ Herabsetzung von Vätern?

    2. Tilman Solaro
      Tilman Solaro · vor mehr als 3 Jahre

      @Annette Janssen Wie Du sicher weißt, ist das nicht der einzige Artikel/Beitrag zu diesem Thema.
      Die Story ist gerade en vogue und ich verstehe nicht, was damit bezweckt werden soll.
      Die wirklich schlechten Väter werden damit nicht erreicht und die gutwilligen Väter dürften sich zu einem guten Teil angepisst fühlen.
      Reaktanz nennt man das. Nur mal so als dezenter Hinweis.

  3. Annette Janssen
    Annette Janssen · vor mehr als 3 Jahre

    Ich habe heute morgen diesen Kommentar in der taz zu dem Spiegel-Artikel gelesen.
    https://taz.de/Spiegel...
    Zudem ist mir beim Lesen des obigen Kommentars eingefallen, dass mir vor ca. 25 Jahren von einem männlichen Vorgesetzten im Krankenhaus gesagt wurde, dass eine optimale Pflege nicht nötig sei, sondern eine ausreichende Pflege genüge. Passt zu der Einstellung alles mit minimalem Aufwand zu erledigen, um dann zu behaupten man habe eben ein anderes System.

  4. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor mehr als 3 Jahre · bearbeitet vor mehr als 3 Jahre

    Mich regt das auch auf, aber ich es gibt ernstzunehmende Forschung dazu, dass moderne Mütter zwar oft die Unterstützung ihrer Männer wollen, aber es ihnen schwerfällt, den Vätern genug Platz einzuräumen. Das bedeutet nicht, dass die armen Väter ja gerne wollen, aber nicht dürfen, etc. Aber es schadet nicht, das mitzudenken, als einen Teilaspekt. Das Problem entsteht, wenn man daraus eine Schuldzuweisung für Mütter abliest.

    1. Annette Janssen
      Annette Janssen · vor mehr als 3 Jahre

      Gibt’s zu der „ernstzunehmenden Forschung“ eine/mehrere Studie/n?
      Ich weiß zudem nicht, warum („moderne“?!) Mütter den Vätern Platz einräumen müssen, den sie sich als Mann in vielen anderen Situationen einfach nehmen.

    2. Theresa Bäuerlein
      Theresa Bäuerlein · vor mehr als 3 Jahre

      @Annette Janssen Ja, zum Beispiel „Neue Mütter – neue Väter“ von Karin Flaake

  5. Susanne Franzmeyer
    Susanne Franzmeyer · vor mehr als 3 Jahre

    "Paternal Underperforming" - danke, genial!

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