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Liebe, Sex und Wir

Das überschätzte Ich: Barbara Kuchler antwortet auf die Kritik an #ohnemich

Antje Schrupp
Politikwissenschaftlerin, Journalistin
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Antje SchruppDienstag, 05.12.2017

Mit ihrem Text #ohnemich, in dem sie Frauen auffordert, sich weniger zu schminken und weniger sexualisiert zu kleiden, hat die Soziologin Barbara Kuchler heftige Debatten ausgelöst und viel Kritik auf sich gezogen. Vor allem Feministinnen warfen ihr vor, Frauen eine Mitschuld an sexualisierter Gewalt zu geben und weibliches Auftreten normieren zu wollen.

Jetzt hat Kuchler mit einem zweiten Text auf diese Kritik reagiert. Er wird sicher die Kontroverse nicht befrieden, aber besonders einen Aspekt finde ich sehr bedenkenswert: den Hinweis darauf, wie zweifelhaft das heute so oft gebrauchte Argument der "Freiwilligkeit" ist. Kuchler weist darauf hin, dass alles, was wir in vermeintlicher Autonomie tun, gleichwohl in gesellschaftliche Kontexte eingebettet und von diesen geprägt ist. Das gilt eben auch für die Art, wie Frauen - und Männer - sich kleiden und nach außen präsentieren. Wir sind soziale Wesen, und deshalb handelt es sich etwa bei der Entscheidung für High Heels niemals nur um eine individuelle Vorliebe, sondern notwendigerweise um ein gesellschaftliches Zeichen, das auch als solches gelesen wird.

Die Frage, die meiner Ansicht nach nun - sowohl mit, als auch gegen Kuchler - weiter diskutiert gehört, ist die: Auf welche Weise nehmen Frauen, wenn sie sich offensiv als Menschen mit weiblichen (beziehungsweise nicht auf bürgerliche Anzug-Art männlichen) Körpern präsentieren, an diesem gesellschaftlichen Diskurs teil? Was vermitteln sie? Die Zurschaustellung von nackten Beinen und tiefen Dekolletés ist nämlich nicht notwendig die Unterwerfung unter traditionelle Stereotype. Bei gleichzeitigem offensichtlichem Desinteresse an männlicher Beachtung kann es auch eine subversive Weise sein, genau dieses traditionelle Schema zu unterlaufen. 

Das überschätzte Ich: Barbara Kuchler antwortet auf die Kritik an #ohnemich

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Kommentare 3
  1. Judka Strittmatter
    Judka Strittmatter · vor fast 7 Jahre

    Ich glaube auch nicht an diese "Freiwilligkeit". Und mir hat Kuchlers erster Text auch schon gut gefallen. Leider denken die meisten nicht psychologisch, auch auf den politischen Ebenen nicht. Denn vor allem autonom arbeitet unser Unterbewusstsein!!!

  2. Nils Pickert
    Nils Pickert · vor fast 7 Jahre

    Liebe Antje,
    sehr guter Piq, vielen Dank dafür. Es gibt wirklich wenig Argumente in den Ausführungen von Kuchler, die ich nicht zumindest bedenkenswert finde. Einzig deine Überschrift und ihre Intention scheinen mir dabei in Schieflage geraten zu sein: Barbara Kuchler antwortet nicht wirklich auf die Kritik, die ihr engegengebracht wurde. Sie reißt sie einleitend kurz an, um dann den Rest des Artikels weidlich dafür zu Nutzen, ihre Standpunkte zu vertiefen und Missverständnisse aus dem ersten Text aus dem Weg zu räumen. Ich halte das für vollkommen legitim und finde es gut, dass die Zeit ihr diesen Platz eingeräumt hat. Diesen "Ich stelle mich der Kritik" Gestus hätte ich dafür allerdings nicht gebraucht. Sie antwortet nicht, sie stellt Dinge klar.
    LG
    Nils

  3. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor fast 7 Jahre

    Da stecken viele überzeugende Argumente drin und mir gefällt das im Wortsinne radikale Denken sehr. Etwas ins Stocken gerät ihre Argumentation beim Vergleich mit dem männlichen Aufhübsch-Aufwand. Wenn es ihr nicht darum gegangen wäre, Frauen von einer kosmetischen Abrüstung zu überzeugen, hätte die Forderung auch lauten können: "Männer, bretzelt euch gefälligst stärker auf." Hat sie aber nicht und das aus gutem Grund. Das Problem wäre so nicht gelöst. Konsequenter finde ich da ihren Appell für eine Trennung zwischen Berufsleben und privatem Vergnügen. In den USA ist das ja durchaus schon gelebte Praxis. Mir fallen sofort diese Vorhänge ein, die sich Frauen in den Ausschnitt ihres Business-Kleides stecken können (einfach "Cleavage Cover" googeln) um ihr Dekolleté zu verdecken. Für die After-Work-Party reicht dann ein Zupfen am Tuch, und das Dekolleté liegt wieder frei. Ich fand das vor #MeToo völlig lächerlich, inzwischen hat sich mein Blick darauf (sorry!) etwas gewandelt.

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