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Klima und Wandel

Wetter, Klima, Katastrophen, Wissenschaft und Medien

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
Zum Kurator'innen-Profil
Thomas WahlDienstag, 09.11.2021

Medien sollte der Wissenschaft folgen, aber der ganzen und mit allen komplexen Diskussionen und Hypothesen. Und nicht nur der Hypothese, die in die eigene Agenda passt. So erklärte Claus Kleber noch am Abend der Katastrophe an der Ahr, der Klimawandel ist schuld:

Ob bei ARD, ZDF oder RTL – allenthalben zeigte man auf den Wetterkarten in den Tagen danach ein eingeklemmtes Tief zwischen zwei stämmigen Hochdruckgebieten und erklärte dazu, dass ein durch den Klimawandel schwächelnder Jetstream die Flutkatas­trophe verursacht habe. Was den Fernsehmeteorologen der großen Sender aber nicht gelang, war, eindringlich und rechtzeitig vor dem meteorologischen Ausnahmezustand zu warnen. Im Wetterbericht nach dem heute journal sagte man am Unwetterabend nur sehr allgemein voraus – es werde im Westen heftig schütten. Das war zu einem Zeitpunkt, als der Deutsche Wetterdienst längst in der höchsten Warnstufe warnte und die ersten Katastrophenmeldungen aus den Flutgebieten eingelaufen waren. 

 Die verbreitete Wirkungskette lautet in etwa so: Die Arktis erwärmt sich stärker und schneller als der Rest der Nordhalbkugel. Es sinkt das Temperaturgefälle zwischen Pol und Tropen, daher verliert der Höhenwind an Stärke. Hochs und Tiefs werden stationärer und das Wetter extremer. Aus Regen wird Starkregen und Hochwasser, ständiger Sonnenschein führt verbreitet zu Dürre. Aber stimmt diese Hypothese? Dieser Frage geht die FAZ in einem langen und gründlichen Artikel nach.

Sicher nachgewiesen ist nur der starke Temperaturanstieg in der Arktis. Aber, dass die wärmere Arktis bereits heute durch die gebremste Höhenströmung unser Wetter verändert, lässt sich in der Atmosphäre noch nicht nachweisen. 
Das Problem an der Theorie ist, dass es einen mächtigen Gegenspieler der Arktis gibt, der sich ebenfalls stark erwärmt hat, über den aber kaum jemand spricht. Gemeint sind die höheren Luftschichten über den Tropen. „In der oberen Troposphäre über den Tropen ist es ebenfalls sehr warm geworden“, sagt Wirth, über der Polarregion aber nicht. Dadurch erhöhe sich der Temperaturunterschied zwischen Pol und Arktis wieder. Der Jetstream würde damit nicht schwächer, sondern sogar stärker. Und welcher Effekt dominiert – die Lage am Boden oder in der Höhe? „Wir wissen es nicht“, sagt Volkmar Wirth.

Eine aktuelle Studie, in der Forscher des MIT die Lage des Jetstreams mit Eisbohrkernen aus Grönland für die letzten 1250 Jahre rekonstruiert haben, nährt diese Zweifel:

Dabei stießen sie auch in vorindustriellen Eislagen auf Jahre, in denen der Jetstream Extremlagen auslöste. Vor allem belege die Rekonstruktion, dass der Höhenwind in den vergangenen Jahrzehnten sein Verhalten gegenüber der Zeit davor nicht geändert hat.

Also wird in der Forschung das Verhalten des Jetstream kontrovers diskutiert. Und Medien sollten, wenn sie für sich in Anspruch nehmen, der Wissenschaft zu folgen auch den Kontroversen folgen. Auch oder gerade wenn es in diesem Fall nicht um das grundsätzliche Verständnis des Klimawandels geht:

Die Forscher haben vollständig verstanden, warum höhere Treibhausgaskonzentrationen den Planeten aufheizen. Weniger gut verstanden ist, wie sich höhere Temperaturen auf die Luft- und Meeresströmungen auswirken, die unser Wetter in den mittleren Breiten prägen. Diese Unsicherheiten werden in der öffentlichen Diskussion aber häufig unterschlagen, damit bloß nicht der Eindruck entsteht, die Klimaforscher hätten irgendwelche Zweifel.

Wir wissen, dass es auch in vorindustrieller Zeit immer wieder Ereignisse gab, in denen sich das Wetter über Wochen nicht änderte. 

England litt 1666 unter einer solchen Dürre mit anschließender Hungersnot, und in Zentraleuropa hatte sich 1540 ein Hoch festgesetzt, das wochenlang nicht von der Stelle wich. Europa gehört zu den Weltgegenden, in denen sich Blockaden besonders gern bilden. 

Auf unserer Halbkugel treten z.B. jedes Jahr etwa 30 solcher Blockings auf, in der Atmosphäre entsteht ein stabiles Hoch, das wie ein Bollwerk wirkt. 

Sie dauern durchschnittlich neun Tage und bilden sich meistens am Ende des Winters oder im Frühling. Seltener – und dann kürzer – sind Blockings im Sommer und Frühherbst. Auf der Südhalbkugel sind Blockings generell seltener und kurzlebiger, gibt es hier doch weniger Landmasse und daher weniger Störungen, an denen sich Jetstream-Wellen aufschaukeln und verhaken können. 

Das ist also nichts unnatürliches. Auch wenn es bei weiterer Erwärmung häufiger wird. Konzentrieren wir uns daher aufs Handeln und nicht auf die Angst ..

Wetter, Klima, Katastrophen, Wissenschaft und Medien

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Kommentare 4
  1. Volker Hoff
    Volker Hoff · vor 3 Jahren

    Zur Einordnung des hier zitierten Artikels empfehle ich u.a. diesen Kommentar von Prof. Stefan Rahmstorf auf Twitter, der sich mit dem Autor der im Artikel behandelten Studie ausgetauscht hat: https://twitter.com/ra...

    Zitat: "All diese Evidenz (es gibt viel mehr) kann und soll man kontrovers diskutieren. Dabei sollte aber bei drei vollen FAZ-Seiten möglich sein, das Für und Wider abzubilden. Der Artikel weckt den falschen Eindruck, Daten und Modelle würden keine Jetstream-Abschwächung zeigen."

    Der Thread von Herrn Rahmstorf legt nahe, dass dem Artikel des Herrn Frey etwas mehr Zeit für die Recherche hätte eingeräumt werden dürfen.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      Rahmstorf kann ja ausgiebig antworten. So funktioniert Wissenschaft. Aber eher nicht über Twitter. Gegenseitige Vorwürfe dieser Art bringen nichts. Und es geht nicht um gut oder böse.

  2. Gabriele Feile
    Gabriele Feile · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Dem letzten Satz stimme ich voll und ganz zu. Angst lähmt uns, Angst ist kein guter Ratgeber und Angst "fressen Seele auf".

    Während ich den Begründungen der Wissenschaft absolut folgen kann, halte ich es für ebenso relevant, dass wir, die Verantwortlichen und Verantwortenden, die Betroffenen, die Verursachenden - wir alle - ins Handeln kommen.

    Doch leider, so ist meine Erfahrung, macht das Handeln, vor allem wenn wir es selbst tun sollten, ebenfalls Angst. Wir kennen die Konsequenzen nicht, wir schätzen sie als negativ ein und wir befürchten, dass wir ziemlich viel zu verlieren haben, und alles noch viel schlimmer kommt. Deshalb entscheiden sich die meisten von uns stets für die persönliche Sicherheit.

    Passender Weise habe ich heute einen früheren Artikel von mir dazu entdeckt, der zwar nicht dieses große Thema betrifft, aber das Phänomen, dass es viel mehr Schwätzende und Kritisierende gibt als Handelnde: https://www.klub-der-k...

    Ich möchte dieses Phänomen als zutiefst menschlich bezeichnen und komme auch hier wieder zu dem deutlichen Schluss: Wir können nur bei uns selbst beginnen. Jeder und jede von uns.

    Damit setzen wir etwas in Bewegung. Und das führt zum Handeln, auch wenn der erste Schritt noch so klein ist. Oder der Dominostein (siehe diesen piq: https://www.piqd.de/us...)

    Wer traut sich?

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      Es fragt sich nur, welchen der Begründungen der Wissenschaft soll man folgen? Auch Wissenschaft streitet, das ist ihr Wesen. Irgendwie handeln kann sehr viel Schaden anrichten. Und irgendwie handeln ja auch alle, nur recht unterschiedlich - ihrem Verständnis von Wissenschaft und Realität folgend. Also gilt es doch wohl für seine richtig gehaltene Strategie zu kämpfen. Besonders wenn man die Konsequenzen falschen Handelns abschätzen kann. Aber es ist natürlich einfacher Kritik als Schwätzen abzutun.

      Selbst handeln ist natürlich gut. Wir haben schon mal unseren Wohnraum halbiert …..

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