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Klima und Wandel

UNO-Prognose: 1,5 Grad mehr schon in vier Jahren erreicht

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
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Nick ReimerFreitag, 10.07.2020

Bei der globalen Durchschnittstemperatur auf der Oberfläche der Erde verhält es sich in etwa wie bei der Körpertemperatur des Menschen: 2 Grad Unterschied markieren die Schwelle zwischen Normalzustand und Lebensgefahr. Deshalb ist das Zwei-Grad-Ziel in der Klimapolitik eine politische Festsetzung, die nach dem wissenschaftlichem Sachstand des Weltklimarates über die wahrscheinlichen Folgen des Klimawandels getroffen wurde: Bloß nicht mehr globale Erwärmung als 2 Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung! Bei mehr als 2 Grad Erwärmung drohen sogenannte Kipp-Elemente, nach deren Eintreten die Folgen des Klimawandels unabsehbar und teilweise unumkehrbar wären.

Die Wissenschaft hat 16 solche potenzielle Kipp-Punkte lokalisiert, aktuell stark im Fokus der Permafrost. Dieser dauergefrorene Boden ist sehr verbreitet – 24 Prozent der Landflächen auf der Nordhalbkugel sind dauergefroren. Teilweise bestehen dort mehr als 70 Prozent des Bodens aus Eis. Der Permafrost kann in Sibirien eine Tiefe von bis zu 1400 m erreichen, in dieser natürlichen Gefriertruhe sind etwa 800 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, so viel, wie derzeit in der Atmosphäre, eingefroren. Taut dieser Permafrost, wird dieser Kohlenstoff von Mikroorganismen abgebaut und als Treibhausgas freigesetzt. Dies treibt die Erderwärmung weiter an: Zuletzt wurden in Sibirien 37 Grad gemessen.

Einige dieser Kipp-Elemente können aber auch schon unterhalb von 2 Grad "umkippen". Die arktische Meereisbedeckung beispielsweise schrumpft schon heute, wo die Globaltemperatur 1 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt, so bedenklich, dass in wenigen Jahren der Nordpol eisfrei sein wird. Auf der Klimakonferenz 2015 in Paris setzte deshalb ein Bündnis aus etwa 100 Ländern durch, ein 1,5-Grad-Ziel im neuen Welt-Klimavertrag zu verankern. Die Erderwärmung soll danach auf "deutlich unter zwei Grad" begrenzt werden, zudem sollen Anstrengungen unternommen werden, unter 1,5 Grad zu bleiben.

Dem politischen Willen vor fünf Jahren folgte aber keine praktische Politik, dieses Ziel auch zu erreichen. Nie war die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre höher als in diesem Jahr, die Gier der Menschheit auf fossile Brennstoffe steigt und steigt und steigt. Deshalb warnt jetzt die WMO, die World Meteorological Organization, eine Vereinigung der Vereinten Nationen: Die globale Erwärmung könnte bis 2024 die Schwelle von 1,5 Grad erreichen – wenn auch noch nicht im Jahresmittel. Das im Pariser Klimaabkommen angestrebte Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, könnte schon in den nächsten fünf Jahren Makulatur werden.

Die Corona-Pandemie hat dem Klimawandel keine Pause verschafft. Zwar sind die Treibhausgas-Emissionen während der verbreiteten Shutdowns um 17 Megatonen pro Tag gesunken. Doch inzwischen steigt der Ausstoß wieder und trotz Corona-Krise registrierten Messstationen im März und April 2020 neue Rekordwerte für das atmosphärische Kohlendioxid.

Die UNO trifft in ihrer Prognose auch einige konkrete Aussagen über Niederschläge und Windverhältnisse der nächsten fünf Jahre. Demnach müssen Westeuropa, Teile von Südamerika, der Norden Australiens und generell die Subtropen mit mehr Trockenheit rechnen. Europa und auch den USA sowie der Karibik drohen zudem vermehrte Stürme: "Der subtropische Nordatlantik zeigt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für geringen Luftdruck", so der WMO-Bericht. "Kombiniert mit den höheren Temperaturen könnte dies vermehrt zur Bildung von tropischen Zyklonen führen." Parallel dazu sorgt ein verstärkter Nord-Süd-Gradient im nördlichen Nordatlantik dafür, dass dort mehr Sturmtiefs entstehen, die dann Kurs auf Europa nehmen.

UNO-Prognose: 1,5 Grad mehr schon in vier Jahren erreicht

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