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Klima und Wandel

Seit gestern: Licht aus!

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
Zum Kurator'innen-Profil
Nick ReimerFreitag, 02.08.2024

In der Welt der Ökonomie wäre gestern die Katastrophe ausgebrochen! Denn der 1. August 2024 ist "Erdüberlastungstag" – jener Tag, an dem alle Rohstoffe aufgebraucht sind, die ein sich selbst erneuernder Planet in einem Jahr zur Verfügung stellen kann: Bauholz, Erdöl, Eisenerz und Phosphor für die chemische Industrie, Silizium für den Bau von Solarzellen. Weltweit müssten die Fabriken wegen Rohstoffmangels schließen, um Strom gäbe es harte Verteilungskämpfe, denn zur Verfügung steht nur noch der, der aus sich erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Aber obwohl die Technologien seit 30 Jahren zur Verfügung stehen, wird weltweit noch nicht einmal ein Drittel aus sich selbst erneuernden Quellen wie Wind, Sonne, Wasserkraft und Co. gewonnen.

Wir sind aber nicht in der Welt der Ökonomie, weshalb der 1. August 2024 nur einige wenige erschrocken macht: Getreide, Trinkwasser, Frischluft oder Platz auf den Müllkippen - auch zum Abladen unserer Treibhausgase - ist für dieses Jahr ja nur theoretisch aufgebraucht. Praktisch läuft unser ungehemmter Ressourcen-Verbrauch einfach ungebremst weiter.

Berechnet wird der "Erdüberlastungstag" vom Global Footprint Network, einem Wissenschaftsnetzwerk mit Sitz in Oakland, Kalifornien. Basis der Berechnung ist die Biokapazität der Erde, also jene Menge der ökologischen Ressourcen, die unser Planet in einem Jahr erzeugen kann. Dieser Menge werden jene Ressourcen gegengerechnet, die von den Menschen jedes Jahr verbraucht werden. Und weil die immer mehr Menschen auf der Erde werden, alle so leben wollen, wie die Reichen und alle im Glauben leben, es gebe Rohstoffe wie Trinkwasser unbegrenzt, entsteht ein Fehlbetrag, der immer größer wird. Die Menschheit zapft immer mehr Kapital der "Bank Erde" an, ohne nennenswert etwas zurückzuzahlen. Der Erdüberlastungstag rückt im Jahr jedes Jahr immer weiter vor.

Freilich läuft die Rechnung für die kommenden Generationen längst auf. So hat der ehemalige Weltbank-Chefökonom Nicholaus Stern 2006 im Auftrag der britischen Regierung berechnet, wie groß die Schäden des Klimawandels werden, wenn die weltweite Durchschnittstemperatur um 2 bis 3 Grad steigt: so viel wie Weltkrieg Eins und Weltkrieg Zwei zusammen – und zwar jedes Jahr. Aktuell ist die Menschheit exakt auf diesem Kurs, die Treibhausgas-Müllkippe spielt eine große Rolle in der Berechnung des "Erdüberlastungstages".

Artensterben, Ausbreitung der Wüsten, Zunahme der Epidemien, Verlust der weltweiten Korallen sind in der Soll-Rechnung für die kommenden Generationen noch gar nicht enthalten.

Seit gestern: Licht aus!

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Kommentare 2
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 5 Monaten

    Vielleicht sollte man sich mal mit den Kritiken an diesen immer wiederkehrenden Kathastrophenrechnungen beschäftigen:

    "Für die Berechnung des Erdüber­lastungstags werden zwei Größen ge­genübergestellt: die weltweit vorhandene Nutzfläche und die laut Hochrechnungen und Schätzungen benötigte Nutzfläche für den tatsächlichen Verbrauch. Dabei wird auch eine Fläche einberechnet, die gebraucht würde, um von Menschen verursachte CO2-Emissionen durch neue Wälder einzulagern. Diese Gegenüberstellung und das etwas undurchsichtige Berechnungs- und Schätzsystem werden jedoch immer wieder kritisiert. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln merkte 2021 an, dass nachwachsende Ressourcen, nicht-nachwachsende Ressourcen und Emissionen für die Berechnung zusammengefasst würden, obwohl sie schwer vergleichbar seien. Bei der globalen Er­wärmung gehe es nicht um zu viel Flä­chenverbrauch. Hauptsächlich pro­du­ziere die Welt zu viel CO2. Vor allem deswegen ist die verbrauchte Fläche in der Berechnung so groß. Dies sollte dann auch klar benannt werden, so das Institut. Auch die Umweltschutzorganisation WWF kritisierte den Fokus auf den Flächenverbrauch schon."

    https://www.faz.net/ak...

    Noch drastischer die Welt:
    "Der Behauptung eines „Erdüberlastungstags“ zugrunde liegt die Berechnung des „ökologischen Fußabdrucks“ von sechs Faktoren: Ackerland, Weideland, Wald, Fischgründe, bebautes Land und der Waldfläche, die zum Ausgleich der vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen erforderlich wäre – der „CO₂-Fußabdruck“. Selbst Verteidiger der Methode haben bereits vor mehr als 20 Jahren eingeräumt, dass sie als „schwer zu verteidigen angesehen wird“.

    Unter dem Titel „Warum der ökologische Fußabdruck schlechte Ökonomie und schlechte Umweltwissenschaft ist“ nahm eine Studie in „Ecological Economics“ den „ökologischen Fußabdruck“ 2008 auseinander. Doch selbst nachdem Wissenschaftler vor elf Jahren im Fachmagazin „PLOS Biology“ die Mängel des Konzepts detailliert vorrechneten, änderte sich die Berichterstattung nicht.
    https://www.welt.de/wi...

  2. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 5 Monaten

    Offensichtlich kann die Vielfachkrise nicht mehr innerhalb der bestehenden Formation, im jetzigen Weltwirtschaftssystem, gelöst oder verschoben werden. Bei der ersten großen Klimakonferenz nach der Zeitenwende 1989-91, im Jahre 1992, war der Erdüberlastungstag noch am 12. Oktober. In 2024 schon am 1. August.

    Allmählich wächst das Bewusstsein, ohne einen radikalen Umbau, Umbruch geht es nicht.
    Dazu 2 Picks:
    https://forum.eu/users...
    https://forum.eu/subsc...

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