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Klima und Wandel

Mythos Entkopplung

Ole Wintermann
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Ole WintermannFreitag, 15.03.2024

Das neoliberale Paradigma der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Treibhausgas-Emissionen wird von bekannten internationalen Organisationen wie der OECD oder der IEA vertreten, weil es die theoretische Möglichkeit anbietet, ohne „Verzicht“ auf rein quantitatives materielles „Wachstum“ weiter so zu wirtschaften wie in den letzten 200 Jahren und sich damit keine Gedanken über eine Veränderung unseres Umgangs mit der Umwelt machen zu müssen.

Die sogenannten heterodoxen Ökonomen, die von der neoliberalen Glaubensrichtung abweichen und dafür regelmäßig mit Nicht-Beachtung in der ökonomischen Debatte abgestraft werden, halten dem neoliberalen Traum aber ganz einfach die nüchternen Zahlen vor, so der Debattenbeitrag bei GRIST.

Wachstum wird nach wie vor vom Großteil der Ökonomen gleichgesetzt mit Mehrung des materiellen Wohlstandes, dem Anstieg der Zahl der Arbeitsplätze und der Reduzierung der sozialen Ungleichheit.

Hierbei ist zu betonen, dass es die sogenannte „absolute“ Entkopplung durchaus geben kann. So haben 70 Länder weltweit zwischen 1990 und 2020 mindestens 5 aufeinander folgende Jahre der absoluten Entkopplung (BIP rauf, Gesamtemissionen runter) erlebt.

Spannend wird aber eben, wenn diese erste Anzeichen einer Entkopplung extrapoliert werden, um zu analysieren, ob sich dieses Instrument wirklich eignet, um einen essenziellen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Für diese Forschung ist vor allem Jason Hickel bekannt. Dabei zeigte sich nun bei einer aktuellen Analyse des Entkopplungspfades, dass die 11 Länder, die bereits am stärksten „entkoppelt“ haben, weitere 220 Jahre benötigen würden, um zu einer Dekarbonisierung der Wirtschaft zu kommen.

Gern wird von neoliberalen Ökonomen dann immer gern darauf verwiesen, dass uns eine Wundertechnik zukünftig ermöglichen würde, eine schnellere Entkopplung zu erreichen, die dann aus dem Nichts zu einer Steigerung der Entkopplungsrate um den notwendigen Faktor 10 führen würde.

Aus dem Feld der alternativen Ökonomen werden stattdessen Strategien für ein Post-Wachstum oder ein De-Wachstum vorgeschlagen. Diese Strategien verweigern die Fixierung auf eine abstrakte Zahl wie das BIP-Wachstum, das nur wenig über Lebensqualität, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz auszusagen vermag. Dabei sollen vor allem die reichen Länder mit De-Wachstum konfrontiert werden, da diese ja auch für den allergrößten Teil der historischen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.

Und bei dieser gesamten Debatte ist noch nicht einmal das Problem der postkolonialen Stoffströme vom globalen Süden in den globale Norden berücksichtigt. Kurz: Es kommt das etwas auf uns zu und wir sollten uns mit dem Gedanken anfreunden, dass es ein „Weiter So“ nicht geben kann.

Mythos Entkopplung

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Kommentare 1
  1. Jörg Haas
    Jörg Haas · vor 8 Monaten · bearbeitet vor 8 Monaten

    In der Debatte muss immer genau gesagt werden, was wachsen, schrumpfen oder stagnieren soll. Dabei geht es im wesentlichen um folgende Größen:
    1) BIP 2) Emissionen (oder breiter ökologischer Impakt) 3) Menschlicher Nutzen//Konsum, z.B. gemessen als Mobilität (km pro Person pro Jahr) oder Wohnfläche pro Person. Dass 2) rasch schrumpfen muss ist unstrittig. Wie stark 3) reduziert werden kann durch Lebensstiländerungen, mag jede/r selbst einschätzen. Was 1) angeht, so kenne ich zwar viele Studien, die die Abkehr von BIP als Metrik für Wohlstand empfehlen, auch einige die einen Stillstand vorschlagen, aber keine, die eine massive Schrumpfung des BIP (sagen wir um 30-40%) vorsehen. Die einzigen Beispiele, die wir dafür kennen, sind extreme Krisen, wie der Kollaps der Sowjetunion, oder Kriege. Es ist schwer vorstellbar, dass ein solcher Kurs des Schrumpfens des BIP z.B. in Deutschland als Vorbild dienen würde für Andere. Daher bleibt, so schwierig es bleibt, die Entkopplung zwingend als Herausforderung für jede Klima- und Umweltpolitik, die ein Schrumpfen von 2) zustandebringen will. Die Begrenzung des Wachstums von 3) ist wichtig und gehört zum Instrumentarium, aber sie enthebt uns nicht der Herausforderung der Entkopplung.

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