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Klima und Wandel

Deutschland auf dem Weg zu 6 Grad mehr

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
Zum Kurator'innen-Profil
Nick ReimerSamstag, 18.03.2023

Es gehört zu den Eigenheiten der Erderhitzung, dass sie in jenen Regionen viel stärker zunimmt, die weiter weg vom Äquator liegen. So stieg die globale Durchschnittstemperatur im Jahr 2022 auf 1,15 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau (die Jahre 1850 bis 1900) an. Am Nordpol aber stieg die mittlere Lufttemperatur nördlich des Polarkreises in den letzten 50 Jahren um 3,1 Grad Celsius – also mindestens doppelt so stark.

Das hat einerseits gravierende Auswirkungen auf die Polargebiete. So gelten der Grönländische Eisschild im Norden und die arktische Meereisbedeckung als gefährdeter Kipppunkt. Im Süden sind es die Eisschilde in der West- und Ostantarktis.

Aber nicht nur hoch im Norden ist die Klimaerhitzung stärker als am Äquator, sondern auch bei uns. In einem sehr empfehlenswerten Interview erklärt der Klimatologe Stefan Rahmstorf, Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor an der Universität Potsdam:

"Wenn wir global tatsächlich bei drei Grad landen werden, drohen Deutschland etwa sechs Grad Erwärmung."

Seine Begründung:

Deutschland ist ein Landgebiet. Und Landgebiete erwärmen sich etwa doppelt so rasch wie der globale Mittelwert, der zu 70 Prozent aus Meerestemperaturen gebildet wird. Hier zu Lande ist in der Vergangenheit die Temperatur daher etwa doppelt so stark gestiegen wie im globalen Mittelwert von 1,1 Grad. Wir sind in Deutschland inzwischen bei rund 2,3 Grad Erwärmung angelangt.


Deutschland auf dem Weg zu 6 Grad mehr

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Kommentare 6
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor fast 2 Jahre

    Ergänzend sei der heute veröffentlichten Bericht des Weltklimarates erwähnt.

    Hier die Zusammenfassung von Tagesschau: https://blendle.com/i/...

    Sie endet so:

    Der Weltklimarat mit Sitz in Genf ist das führende internationale Gremium zu wissenschaftlichen Fragen und Antworten rund um die Erderwärmung. Das neue Dokument beruht auf sechs Berichten, die Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit gut acht Jahren erarbeitet haben.

    Es fasst ihre Erkenntnisse zusammen und soll als Handlungsgrundlage für die Politik dienen. Das Dokument gilt als wichtige diplomatische Grundlage für kommende Klimaverhandlungen. Dem Weltklimarat gehören 195 Staaten an.

  2. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre

    Hier nur mal ein Beispiel für Kritik am PIK und seinen alarmistischen Geschichten von Bjorn Stevens, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg:

    "ZEIT: Und wie verändert sich diese Bilanz mit der globalen Erwärmung? Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben vor Kurzem ein Worst-Case-Szenario veröffentlicht. Darin wird auch erwähnt, dass unser Planet bis zum Ende des Jahrhunderts so warm werden könnte, dass alle Wolken quasi verdampfen und wir dem Untergang geweiht sind.

    Stevens: Das ist Unsinn. Einfach ausgedrückt: Die Atmosphäre will bewölkt sein, weil Luft nach oben steigt. Es ist schwer, Wolken loszuwerden.

    ZEIT: Warum behaupten die Potsdamer Klimaforscher etwas anderes?
    Stevens: Das müssen Sie sie fragen. Ich kann nur bewundern, wie die Kollegen dort die Fachliteratur nach den alarmierendsten Geschichten durchforsten. Ich finde es schade, dass diese dann unkritisch präsentiert werden.

    ZEIT: Das Szenario ist also falsch?
    Stevens: Ja. Es basiert auf einer aus dem Zusammenhang gerissenen Arbeit unseres Instituts und auf einem zweiten Paper, das zahlreiche Mängel hat.

    ZEIT: Welche Mängel?
    Stevens: Das dramatische Verhalten des Klimas in dieser Simulation beruhte auf einer groben Vereinfachung der Wolken, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Wenn man genau hinschaut, halten die alarmierendsten Geschichten einer wissenschaftlichen Überprüfung oft nicht stand.

    ZEIT: Meinen Sie auch Kipppunkt-Prognosen wie die zum Abschmelzen des Antarktis-Eises, zum Kollaps des Golfstroms und zur Versteppung des Amazonas-Regenwalds?
    Stevens: Ja, und die meisten anderen. Natürlich wird sich die Welt durch die globale Erwärmung verändern, in einigen Regionen auch dramatischer. Aber wie, wo und wann, ist noch alles andere als sicher.

    ZEIT: Im deutschen Klimadiskurs warnt das PIK meist vor Tipping-Points, während Ihr Institut die Gefahr von Kipppunkten eher herunterspielt. Woran liegt das?
    Stevens: Kipppunkte sind faszinierend, und es ist gut möglich, dass es sie gibt. Aber sie sind auch eine Frage der Definition. Woran denken Sie beim Wort Tipping-Point?

    ZEIT: An eine sich selbst verstärkende Rückkopplung, die unumkehrbar ist.
    Stevens: Eine sich beschleunigende Veränderung, die man nicht rückgängig machen kann, richtig. Wie ein Bleistift, der herunterfällt. Er kann nicht wieder von selbst nach oben fallen. Aber die Tipping-Points, die mein Kollege Hans Joachim Schellnhuber und andere am PIK hervorheben, basieren auf ihrer privaten, viel schwächeren Definition. Da werden Tipping-Points umgedeutet, sodass auch weniger abrupte oder sogar umkehrbare Klimaveränderungen darunterfallen. Mit dieser Neudefinition finden sie Kipppunkte überall. Dann ist Daueralarm. Mein Institut verharmlost Kipppunkte nicht, wir legen nur mehr Wert auf Klarheit.

    ZEIT: Beneiden Sie das Potsdam-Institut um seine Medienpräsenz?
    Stevens: Wer würde nicht gerne interessant sein? Leider bevorzugen die Menschen Geschichten über den Weltuntergang. Davon verstehe ich nicht viel.

    ZEIT: Wollen Sie damit sagen, dass die globale Erwärmung kein Problem ist?
    Stevens: Sie ist ein Riesenproblem, auch weil wir so wenig über ihre tatsächlichen Auswirkungen wissen. Ob und wo biblische Dürren und Überschwemmungen auftreten werden, ist laut IPCC für fast alle Regionen ungewiss."

    https://www.zeit.de/20...

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 2 Jahre

      Ui, dass die Einschätzungen zu den Kipppunkten so weit auseinanderliegen, war mir nicht klar.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre

      @Dirk Liesemer Siehe auch hier:
      "ZEIT ONLINE: Vor Kurzem kam eine viel beachtete Studie zu dem Ergebnis, dass mehrere Schwellenwerte bereits erreicht sein könnten, wenn die Welt sich um mehr als 1,5 Grad Celsius erwärmt.

      Stocker: Ich bin der Auffassung, dass sich das so eindeutig noch nicht sagen lässt. Der Stand der Forschung gibt das nicht her. Die Klimawissenschaft weiß noch zu wenig über Kipppunkte, sowohl was die Theorie betrifft als auch die Modelle und die Beobachtungen. Deshalb setze ich mich seit zwei Jahren dafür ein, dass der IPCC als Nächstes einen Sonderbericht zu den Kipppunkten und ihren möglichen Auswirkungen verfasst. Das würde garantieren, dass die Wissenschaft zu einem robusten Konsens kommt, auf den man sich dann auch gut berufen kann.

      ZEIT ONLINE: Über welche Kipppunkte weiß man denn am besten Bescheid?
      Stocker: Von den Modellen und den Messungen an Meeressedimenten her ist das sicher das Abschwächen der Umwälzzirkulation im Nordatlantik. Das ist eines der wichtigen Kippelemente. Außerdem der Rückgang der Eisschilde in Grönland und in der Antarktis. Satellitenmessungen belegen, dass das Abschmelzen seit 20 Jahren stattfindet und sich Jahr für Jahr beschleunigt. Obwohl es sehr wahrscheinlich ist, hat man meiner Einschätzung nach noch keinen schlüssigen wissenschaftlichen Beweis, dass dort tatsächlich ein Kipppunkt angesteuert wird, oder bereits überschritten ist. …..

      ZEIT ONLINE: Was heißt das für die Klimaforschung?
      Stocker: Dass es immer noch grundlegende Unsicherheiten über die Kipppunkte gibt. Wir müssen unsere Modelle verbessern, um robuste, zuverlässige und belastbare Aussagen machen zu können. Um etwa sagen zu können, bei welchem Stand der Erderhitzung ein Kippelement tatsächlich seine Dynamik verändern könnte, ob die Veränderung tatsächlich irreversibel ist oder welche Auswirkungen es hat, wenn beispielsweise die Nordatlantikzirkulation zum Erliegen kommt. Wie verändert das die Wettersysteme in Europa und anderswo? Welchen Einfluss hat es auf die Häufigkeit von Extremereignissen?

      ZEIT ONLINE: Könnten unsere gegenwärtigen Computer die Daten in höherer Auflösung überhaupt verarbeiten?
      Stocker: Das geht, aber aufgrund der noch begrenzten Rechen- und Speicherkapazität würden wir momentan nur zuverlässige Ergebnisse für kurze Zeiten bekommen, ungefähr von einigen Monaten.
      …….
      ZEIT ONLINE: Würden Sie sagen, dass wir den Kipppunkten zu viel Aufmerksamkeit schenken?
      Stocker: Es gibt einen Bias in der Berichterstattung. Das mag damit zu tun haben, dass Kipppunkte sehr anschaulich und dramatisch wirken und deshalb viel Aufmerksamkeit erregen, besonders in den Medien. Aber für die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft ist das meiner Ansicht nach riskant, denn wir diskutieren immer noch auf der Basis von relativ wenig Evidenz. Das kann gefährlich werden.

      ZEIT ONLINE: Inwiefern gefährlich?
      Stocker: Ich habe einmal erlebt, wie in einer Debatte über Kippelemente sogar der gewaltsame Widerstand propagiert wurde. Die Rechtfertigung war, dass nur damit die dringende Transformation der Gesellschaft angestoßen würde, um das Überschreiten von Kipppunkten abzuwenden. Während der Debatte hat niemand widersprochen. Das fand ich sehr beängstigend. …
      https://www.zeit.de/wi...

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre · bearbeitet vor fast 2 Jahre

      @Thomas Wahl Oder hier:
      "Auch bei anderen Kippelementen gibt es Differenzen in der Einschätzung. Zum Beispiel eben bei den Eisschilden von Grönland und der Westantarktis: Die Forscher, die den Bericht des Klimarats verfasst haben, haben für den Kipppunkt keinen genauen Wert angegeben, aber sie setzen ihn deutlich höher an als bei 1,5 Grad. Selbst bei einer Erwärmung um 2 bis 3 Grad Celsius gebe es nur wenige Indizien dafür, dass die polaren Eisschilde unwiederbringlich ins Rutschen kommen würden, schrieben sie.
      Der Mitautor des Uno-Klimaberichts Fox-Kemper sieht zwei Gründe für die Unterschiede zwischen der Studie und dem Bericht. Zum einen handle es sich um eine Definitionsfrage: «Wir haben Dutzende von Stunden damit zugebracht, um uns über die wichtigsten Kipppunkte zu einigen», sagt er. Die Gruppe um McKay verwende den Begriff in einem viel breiteren Sinne. Das verwässere allerdings seine Nützlichkeit.
      Zum anderen habe das Autorenteam des Uno-Klimaberichts, anders als bei der Studie, nicht nur aus Spezialisten für Kipppunkte bestanden; die Zusammensetzung sei breiter gefächert gewesen. Auch dadurch kann eine andere Beurteilung zustande gekommen sein.

      Auch die Klimageschichte liefert Hinweise

      Die Beurteilung ist jedenfalls nicht frei von Subjektivität. Das räumen die Autoren in ihrem Artikel auch wortwörtlich ein: Sie schreiben von «subjective expert judgment». Wie McKay erläutert, hatten er und seine Mitstreiter mehr Zutrauen in die Belege dafür, dass die Eisschilde bereits bei einer Erwärmung von 1,5 Grad eine Schwelle überschreiten könnten. Zum Teil liege das an neueren Studien zur Klimageschichte, die in dem Uno-Bericht nicht mehr berücksichtigt werden konnten.
      Der Glaziologe Philippe Huybrechts von der Vrije Universiteit Brussel war massgeblich an entscheidenden Passagen des Uno-Klimarats zum Eisschild von Grönland beteiligt. Seiner Ansicht nach wollten die Autoren der «Science»-Studie ganz bewusst niedrigere Schwellenwerte betonen. Die Übersichtsarbeit sei ein bisschen politisch gefärbt. Die Berichte des Uno-Klimarats seien vorsichtiger gehalten. «Wir wollen unsere Aussagen ja nicht schon in fünf Jahren wieder revidieren», sagt Huybrechts. Was man über den Klimawandel wisse, sei klar und schlimm genug.
      Die «Science»-Studie zeigt allerdings sehr deutlich, dass man über viele «tipping points» nur wenig weiss. Am grössten ist die Unkenntnis über die Tiefenzirkulation des Atlantiks, die manchmal auch als Golfstrom-System bezeichnet wird: Das kritische Limit für das dauerhafte Versiegen dieser Zirkulation kann gemäss McKay und seinem Team irgendwo zwischen 1,4 und 8 Grad Celsius liegen. Genauer weiss man es nicht. Das hat viele Gründe. Einer davon: Den Rechenmodellen für Ozeanströmungen mangle es noch an räumlicher Auflösung, …"
      https://www.nzz.ch/wis...

    4. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor fast 2 Jahre

      @Thomas Wahl Interessant, ZEIT-Interviewerin Alexandra Endres ist ja auch Piqerin.

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