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Klima und Wandel

Der nächste Kipp-Punkt: Explosionen im Permafrost

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
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Nick ReimerFreitag, 08.10.2021

Die größte Gefahr für die menschliche Zukunft sind Kipp-Punkte im Klimasystem, auch Kipp-Element oder "tipping points" genannt: Werden diese Punkte erreicht, gibt es kein Zurück. Anders formuliert: Einmal in Gang gesetzt, können die angeschobenen Prozesse nicht mehr aufgehalten werden. Wie von selbst – und vom Menschen dann nicht mehr beeinflussbar – heizen sie die Erderwärmung weiter an.

Die Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben 16 potenzielle Kipp-Elemente benannt, darunter den Permafrost: Fast ein Viertel der Landfläche auf der Nordhalbkugel ist dau­ergefroren, Alaska, Nordkanada, weite Teile Sibiriens – insgesamt 23 Millionen Quadratkilometer Boden tauen nie auf. In diesem sind  gigantische Mengen organischer Substanzen eingefroren, abgestorbene Pflanzenreste, die beim Auftauen durch Bakterien zersetzt und in die Treibhausgase Kohlendio­xid und Methan umgewandelt werden. Der Frost wirkt also wie eine riesige Tiefkühltruhe, allerdings taut der Boden immer weiter auf.

In Sibirien explodiert jetzt immer häufiger die Erde. Auf den Halbinseln Jamal und Gydan, im Nordwesten Russlands, werden riesige Krater entdeckt, mindestens 20 Löcher im Boden wurden registriert, mehr als 30 Meter tief und bis zu hundert Meter im Durchmesser. Der tauende Permafrost sorgt dafür, dass die "Kappen", die über großen Methanblasen liegen, aufweichen und dem Druck nicht mehr standhalten können. Dazu lässt die Spannung in den Kappen nach, diese sacken ab, erhöhen den Druck auf das Methan und lösen so schließlich die Explosion aus. Es sei "pures Glück", dass dabei bislang noch kein Mensch gestorben sei, erklärt Evgeny Chuvilin, der am "Skoltech Zentrum für Kohlenwasserstoffförderung" in Moskau zu diesem Thema forscht. Bei den Explosionen werden riesige Mengen Methan freigesetzt, ein Kilogramm davon trägt innerhalb der ersten 100 Jahre nach der Freisetzung 28-mal so stark zum Treibhauseffekt beiträgt wie ein Kilogramm Kohlendioxid.

In welchem Maße die globale Erwärmung schon jetzt dem Permafrost zugesetzt hat, das ermittelte ein internationales Forscherteam zehn Jahre lang. Von 2007 bis 2016 haben die Wissenschaftler Bodentemperaturen in Bohrlöchern gemessen. Die Auswertung ergab: Innerhalb von nur zehn Jahren hat sich der Permafrostboden an mehr als der Hälfte der Probestellen messbar erwärmt. Bei fünf Bohrlöchern war der Permafrost sogar in zehn Meter Tiefe bereits aufgetaut.

Irritierend finde ich, dass das Problem der Kipp-Punkte in der Gesellschaft so wenig beachtet wird. Immerhin ist hier auf piqd das Thema präsent, wenn es etwa um das Grönlandeis geht, um den Permafrost HIER, HIER, HIER oder HIER, wenn es um die Arktis oder um die Kohlenstoffspeicher im Amazonas und die Borealen Wälder.

Der nächste Kipp-Punkt: Explosionen im Permafrost

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Kommentare 2
  1. Silvio Andrae
    Silvio Andrae · vor 3 Jahren

    Ich möchte auf das Interview von der Klimamodelliererin Friederike Otto aufmerksam machen, das sie der FAZ (Ausgabe 29.9.2021) gegeben hat. Darin geht sie unter anderem auch auf die missverständliche Anwendung des Begriffs der "Kipppunkte" ein.

    1. Nick Reimer
      Nick Reimer · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      Danke! Aber Vorsicht. Friederike Otto warnt zwar vor der missverständlichen Anwendung des Begriffs der "Kipppunkte", wendet ihn dann aber nach meiner Lesart exakt so an (Abzüglich der Tatsache, dass es natürlich nicht bei 2,01 Grad kippt, während es bei 1,99 Grad noch nicht kippt). Hier der Link: https://www.faz.net/ak...

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