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Fundstücke

"Wie Familiengerichte den Schutz von Müttern aushebeln"

Charly Kowalczyk
Journalist

Ich bin in Singen am Hohentwiel geboren und lebe in Potsdam. Schreibe Radiofeature für den Deutschlandfunk und für die Sender der ARD. Bin Mitgründer des Bremer Hörkinos. Seit nun fast 19 Jahren stellen wir in Bremen ein Radiofeature der Öffentlichkeit vor.
www.bremer-hoerkino.de

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Charly KowalczykMittwoch, 16.03.2022
"Ich schreibe Ihnen aus Verzweiflung. Ich werde seit drei Jahren vom Vater meiner Kinder gestalkt. War auch schon im Frauenhaus deswegen. Er terrorisiert mich auch weiterhin. Das Umgangsrecht bleibt bestehen, da er nur mir und nicht den Kindern Gewalt angetan hat. Ich habe alle rechtlichen Schritte ausgeschöpft. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun kann. Ich habe das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauert, bis er mich tötet. Ich will nicht, dass dann in der Presse von einem „Familiendrama“ die Rede ist. Deshalb meine Bitte: Könnten Sie meine Geschichte dokumentieren?"

So beginnt das neue Feature von Marie von Kuck. Es ist empathisch, nimmt Haltung ein, und genau das macht dieses Stück so stark. So eindrucksvoll. Manchmal bekommt man dabei kaum Luft. Die Protagonistinnen erzählen offen. Mutig. Erschütternd. Schwer mitanzuhören ist, wie die Täter immer mehr Macht über die Frauen bekommen und wie diese in die völlige Abhängigkeit ihrer Männer geraten, die alles kontrollieren, wirklich alles. Erst waren sie empathische Liebhaber, die für ihre Liebsten nur das Beste wollen. Später werden sie zu Tätern.

"Er untergräbt dich. Er trägt dich ab. Stück für Stück. Er macht dich klein. Und kleiner. Du verschwindest. Kaum, dass Du es bemerkst."

Die Frauen werden von den Männern vergewaltigt. Geschlagen. Erniedrigt. Fühlen sich in der Sackgasse. Wissen nicht, wer ihnen helfen kann. Milena, die anders heißt, drückt es in dem Feature so aus:

"Die Polizei war schon mehrmals gerufen worden, unter anderem von den eigenen Eltern einmal. Na ja, und dann gab es noch mehrere Zwischenfälle, wo Nachbarn die Polizei gerufen haben. Aber die Art, wie er mich angeschaut hat, als die Polizei mit mir gesprochen hat: Sein Blick, der war so... eisig. Ich hätte niemals in dem Moment etwas zur Polizei gesagt. Das hätte ich mich einfach nicht getraut! Ich bewundere jede Frau, die die Polizei irgendwie ruft und dann mit der Polizei auch offen spricht! Wird nicht so häufig vorkommen, nehme ich an."

Als sie dann auch noch Mütter werden, wird alles noch viel schlimmer für die Frauen. Sich und auch die Kinder zu schützen, wird immer unmöglicher. Die Frauen erzählen im Feature sehr detailliert, wie die Konflikte um die Kinder mit den Vätern ablaufen. Wie die Väter die Kinder instrumentalisieren. Sie erniedrigen und schlagen die Mütter auch vor ihren gemeinsamen Kindern. Geschützt können die Kinder dabei niemals sein. So geht das "Kindeswohl" vor die Hunde.

Die Mütter im Feature wagen den Absprung von ihren Männern. Wollen sich endlich befreien. Aber so einfach geht es nicht. Zum Beispiel bei Martha: Der Täter wird von der Polizei aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen. Dann ruft der Vater beim Jugendamt an, fordert Umgang mit seinen Kindern. Das Jugendamt besteht auf den Umgang, sonst sei das Kindeswohlgefährdung. Sie sei also gezwungen gewesen, ihren Mann – trotz Gewaltschutzanordnung und Abstandsgebot – ungeschützt auf dem Spielplatz zu treffen. Eine Beraterin des Jugendamtes Erfurt äußert sich zum Umgangsrecht im Feature so:

"Nur weil es ein Kontaktverbot zwischen Eltern gibt, heißt das nicht, dass der Elternteil nicht mehr das Recht auf Umgang mit den Kindern hat. In der Rolle als Mutter ist es die Aufgabe, trotzdem dem Kind den Umgang mit dem Vater zu gewähren oder eben auch andersherum. Ich will hier nicht immer nur die Mutter in den Fokus nehmen. Der Vater kann genauso Opfer von Gewalt sein."

Doch zumindest was körperliche Gewalt betrifft, geht es doch hauptsächlich um Väter. Gewalt an Müttern von Vätern soll beim Umgangsrecht mit den gemeinsamen Kindern keine wesentliche Rolle spielen, so formuliert es Dr. Marc Serafin, Leiter des Jugendamtes in St. Augustin und Dozent an einer katholischen Hochschule gegenüber der Autorin:

"Ja, das ist rücksichtslos gegenüber dem Kind und das ist auch traumatisierend für Kinder, aber es ist keine unmittelbare Gewalt gegen das Kind selbst. – Ja, ein Elternteil, der gewalttätig geworden ist gegenüber seinem Partner oder seiner Partnerin, der kann trotzdem ein guter Elternteil für sein Kind sein. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. So möchte ich mal sagen. Ja, das ist so!"

Das heißt doch: Nur weil er die Mutter schlägt, ist er noch lange kein schlechter Vater. Das finde ich, mit Verlaub, haarsträubend. Die beiden Mütter in diesem Feature werden geschlagen. Blutergüsse, Hämatome, die Wunden werden dokumentiert. Täter werden freigesprochen. Bekommen Umgangsrecht. Solche Urteile von Familiengerichten sind schlicht unerträglich. Die Stärke dieses Features ist einerseits, dass die beiden Frauen sich trauen, zu sprechen und andererseits, dass auch über die Urteile von Familiengerichten und die Rolle von Gutachter/innen gesprochen wird. Milenas Anwalt zeigt der Autorin Verletzungen von Milena, die sie nach der Tat dokumentierten. Klares Beweismaterial. Nützt aber gar nichts:

"Ich kenne kein Ermittlungsverfahren im Augenblick, das die Verletzung einer Frau durch den Ehemann zum Gegenstand hat, das zu einer Anklage geführt hätte. Es wird alles eingestellt mangels hinreichenden Tatverdachts. Und auch dieses Verfahren ist eingestellt worden, mangels hinreichenden Tatverdachts. Trotz der Dokumentation! (...) "Me too", diese Debatte dazu, das ist ja in der Theorie alles ganz nett, in der Praxis sieht es auch ganz anders aus. Da müssen Sie sich mit der Mandantin fragen: "Macht das eigentlich Sinn, dass wir das anzeigen?“ Was passiert denn, wenn es nicht bewiesen wird? – Dann dürfen sie das auch argumentativ nicht mehr aufrechterhalten! – Dann gibt es dieses Argument schlicht nicht! Und wenn dann einer sagt: die ist immer noch so darin verfangen, dass es das gegeben hätte und kann nicht loslassen, kann nicht nach vorne gucken. – Ja, also ich komme zu der Auffassung, die Mutter ist bindungsintolerant. Das Kind ist besser beim Vater aufgehoben! Der kriegt das besser hin! Zack! Da lebt das Kind ab morgen beim Vater!"

Ich kann nur empfehlen, sich fast eine Stunde Zeit zu nehmen und zuzuhören. Es lohnt sich!

"Wie Familiengerichte den Schutz von Müttern aushebeln"

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Kommentare 1
  1. Meike Leopold
    Meike Leopold · vor mehr als 2 Jahre

    Hi, wollte ich gerade piqen uns sehe es jetzt bei dir. Ein ganz starkes Feature, das einem wirklich nah geht und fassungslos macht!

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