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Kurator'in für: Zeit und Geschichte Flucht und Einwanderung Fundstücke
Studium der Internationalen Entwicklung und Politikwissenschaften in Wien und Münster. Beschäftigt sich mit Sicherheitspolitik und Islamismus, unter anderem bei/mit Internationale Politik und Gesellschaft (IPG), Blätter für deutsche und internationale Politik, Internationale Politik (IP), Middle East Institute Washington, Atlantic Council, Clingendael Institute.
Als Ende Juni der Wagner-Konvoi in Richtung Moskau rollte, brodelte die Gerüchteküche auch hinsichtlich Syrien. In sozialen Netzwerken machten Berichte von Schießereien und Verhaftungen die Runde. Würde Wagner auch in Syrien gegen das russische Militär mobil machen? Und welche Konsequenzen hätte das für das Assad-Regime?
Die Suche nach einem Text, der gut zusammenfasst, was seither passiert ist, war nicht ganz erfolgreich. Deshalb folgt hier eine Zusammenfassung auf Basis verschiedener Texte und Gespräche, die ich mit Experten geführt habe. Der verlinkte Text ist zumindest ein guter Backgrounder.
Wagner ist seit 2015 in Syrien aktiv und unterstützte den hauptsächlich von der russischen Luftwaffe getragenen Vormarsch gegen Oppositionsgruppen und den IS. Rasch kam es zu Konflikten. Die russische Luftwaffe bombardierte hauptsächlich Oppositionsgebiete, während Wagner im Kampf gegen den IS nicht die versprochene (oder erhoffte) Rückendeckung bekam. Unweigerlich erinnerte diese Dynamik an die Kämpfe um das ukrainische Bachmut 2023, wo Wagner ein Image als verbissene Kampftruppe kultivierte, die nicht ausreichend wertgeschätzt werde und sich mit der Inkompetenz der russischen Streitkräfte rumschlagen müsse.
Den Tiefpunkt erreichten die Beziehungen Anfang 2018, als Hunderte Wagner-Söldner beim Versuch, ein syrisches Ölfeld einzunehmen, vom US-Militär niedergemäht wurden. Angeblich hatte die russische Armee Flugabwehr und Luftunterstützung versprochen, leugnete im kritischen Moment aber jegliche Verbindung zu Wagner und ließ die Söldner in ihr Verderben laufen. Wagner hat übrigens vor einer Weile ein Denkmal mit dem Schriftzug "Ungeschlagen" in der Wüste Zentralsyriens eingeweiht.
Dennoch ging Wagners "Erfolgsgeschichte" in Syrien weiter. Wagner sicherte sich Anteile an den Erlösen von Rohstoffverkäufen und rekrutierte Tausende Syrer für Einsätze in Libyen. Syrien entwickelte sich mit der Zeit zur logistischen Drehscheibe von Wagners Aktivitäten in verschiedenen Teilen Afrikas.
Als Prigoschin seinen Konvoi in Richtung Moskau lotste, klingelten beim Assad-Regime alle Alarmglocken. Wenn Wagner in letzter Instanz nicht mehr der russischen Regierung gehorchte, schien alles möglich. Das Assad-Regime, das sich selbst an die Macht geputscht hat, hatte vor nicht allzu langer Zeit mit einer potenziell ähnlichen Bedrohung von innen zu tun. Die Desert Hawks, eine private syrische Miliz der einst mit Öl-Schmuggel reich gewordenen Jaber-Brüder, war auf 5.000–10.000 Mann angewachsen. Berüchtigt für Gräueltaten führten sie Offensiven in ganz Syrien an und standen an der Spitze eines beachtlichen kriminellen Netzwerks. Trunken von Macht überschritten die Brüder zunehmend rote Linien. Ende 2017 hielten Desert Hawks mit gezückten Waffen schließlich einen Konvoi von Präsident Assad an. Der handelte umgehend. Die Jabers verschwanden diskret von der Bildfläche und ihre Miliz wurde aufgelöst. Würde Wagner sich im Fall des Falles ähnlich diskret abhandeln lassen?
Was Ende Juni 2023 passierte, ist nicht abschließend geklärt. Tatsächlich widersprechen sich unterschiedliche Quellen teils diametral. Laut einigen Quellen gab es Zusammenstöße zwischen Wagner und russischer Militärpolizei in Ostsyrien, bei denen drei Militärpolizisten getötet wurden. Der Militärgeheimdienst des Assad-Regimes soll währenddessen Telefon- und Internetverbindungen gekappt haben, um Wagners Kommunikation einzuschränken. Russische Militärpolizei und syrisch-iranische Milizen hätten daraufhin die Söldner festgesetzt. Anderen Berichten zufolge blieb die Lage ruhig. Sicher ist, dass etwa ein Dutzend Wagner-Kommandeure zusammen getrommelt wurde, bis die Lage in Russland geklärt war. Auch hier unterscheiden sich die Erzählungen hinsichtlich der Frage, ob die Kommandeure verhaftet oder schlicht vorgeladen wurden. Vermutlich weder noch.
Als Prigoschin und die russische Regierung zu einer Einigung kamen (welche auch immer das sein mag) und der Konvoi umkehrte, wurden Wagner-Söldner in Syrien — ähnlich wie ihre Kameraden in Russland — angeblich gedrängt, direkte Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium zu unterschreiben. Inwieweit das passiert ist, bleibt unklar. Wagner bewegt sich weiterhin in Grauzonen. Möglich, dass die russische Führung der Gruppe die Flügel zugunsten anderer russischer Söldnerfirmen stutzt. Davon operieren drei weitere in Syrien. Eine davon, Redut PMC, steht dem russischen Verteidigungsministerium sehr nahe und könnte auf Kosten Wagners wachsen. Womöglich bleibt auch alles beim Alten. Aktuell gibt es zumindest Berichte, dass Wagner weitere Syrer für Operationen innerhalb des Landes rekrutiert. Das klingt ganz danach, als sei die Gruppe gekommen, um zu bleiben.
Quelle: Emad Bouzo EN www.washingtoninstitute.org
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Danke, sehr spannende Puzzleteile für die Sicht auf das Große und Ganze ….