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Fundstücke

Tschüss AKW

Charly Kowalczyk
Journalist

Ich bin in Singen am Hohentwiel geboren und lebe in Potsdam. Schreibe Radiofeature für den Deutschlandfunk und für die Sender der ARD. Bin Mitgründer des Bremer Hörkinos. Seit nun fast 19 Jahren stellen wir in Bremen ein Radiofeature der Öffentlichkeit vor.
www.bremer-hoerkino.de

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Charly KowalczykDonnerstag, 05.01.2023

Es ist ein interessantes Deutschlandfunk Kultur-Feature. Die (Atomenergie) Geschichte spielt in einem Ort einer häufig vergessenen Region: Lingen im Emsland. Bekannt ist diese Kleinstadt mit rund 55.000 Einwohner/innen am ehesten dadurch, dass dort ein AKW von RWE steht, das immer noch im Betrieb ist. Die Autorin Julia Tieke kommt von dort. Sie hat immer noch viele persönliche Kontakte in ihre Heimatstadt: Familie, Schulfreund/innen, ein Lehrer von ihr ist dort schon seit 2010 Oberbürgermeister – und diese sehr persönliche Erzählung macht dieses Feature so ganz besonders.

Ein Jahr lang fährt die Autorin also immer wieder nach Hause. Es könnte ein kleiner Triumph sein. Die Abschaltung des AKWs am 31. Dezember 2022 mitzuerleben. Doch daraus wurde bekanntlich nichts. Es soll nun noch einmal dreieinhalb Monate länger am Netz bleiben. Und wenn es nach FDP und CDU/CSU ginge, noch viel länger. Im Feature erfahren wir, dass es in Lingen auch eine Brennelemente-Fabrik gibt:

"Es ist der einzige Ort in Deutschland, wo nukleare Brennelemente hergestellt werden, mitten im Kiefernwald, im Industriegebiet Süd. Die Anlage gehört ANF, Tochterunternehmen von "Fraatome", sie ist also Teil der französischen Atomindustrie... Gut vier Monate vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine warnen Atomkraftgegner in Lingen: Ein Tochterunternehmen des russischen Staatsunternehmens "Rosatom" soll in die Brennelementefabrik einsteigen. Die Verträge sind gemacht, das Bundeskartellamt hat zugestimmt, nur das Wirtschaftsministerium muss noch grünes Licht geben."

... es gab aber kein grünes Licht. Die Autorin geht also der fast 60-jährigen Geschichte der Atomindustrie in Lingen nach. Sie erzählt, wie die Stadt 1964 zum Bau des ersten Atomkraftwerks kam. Jahre später wurde dann das AKW Emsland in Betrieb genommen, das nun am 15. April endgültig runtergefahren werden soll. Die Stadt wurde durch die Atomindustrie wohlhabend, sie profitierte und lebt davon. Lingen war keine Hochburg der Anti-AKW-Bewegung, aber Atomkraftgegner/innen gab es auch im Emsland. Bis heute. Sie weisen unter anderem darauf hin, wie gefährlich die Atommeiler bleiben, wie wir es grad durch den Beschuss des Atomkraftwerkes Saporischschja erleben müssen. Die Atomenergie-Initiative im Emsland demonstriert und mahnt. Auf einer  Mahnwache in Lingen spricht der russische Umweltaktivist Wladimir Sliwjak. Er war der Erste, der auf die Gefahren des Transportes von abgereichertem Uran von Deutschland nach Russland aufmerksam machte:

Ist das nicht das Land der Energiewende? Ist das nicht das Land des Atomausstiegs? Der russische Präsident Wladimir Putin will den europäischen Energiemarkt kontrollieren und deshalb versucht er mit ganz viel Geld diesen Deal zu verwirklichen. 

Letztlich hat nur der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verhindert, dass das Tochter-Unternehmen des russischen Staatsunternehmens "Rosatom" nicht Miteigentümer der Brennelemente-Fabrik wurde. Aber was wir in dem Feature auch hören, wie Lingen die Zukunft nach der Atomindustrie plant. Sie will Vorreiter auf dem Gebiet des grünen Wasserstoffes werden. 

Die Autorin Julia Tieke dröselt mit viel Empathie die Geschichte ihrer Heimatstadt Lingen und der globalen Atomindustrie auf – und ist dabei sehr unterhaltsam.


Tschüss AKW

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Kommentare 1
  1. Susanne Franzmeyer
    Susanne Franzmeyer · vor fast 2 Jahre

    Das hätte ich auch hier empfehlen können - schönes Feature!

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