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Stress als Statussymbol?

Ole Wintermann
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Ole WintermannSonntag, 09.10.2016

Für die BBC schreibt Oliver Burkeman über ein Phänomen, das wohl jedem von uns wohlvertraut ist: Wir alle haben ganz furchtbar viel zu tun, sind vollkommen im Stress gefangen, kommen dabei selbst viel zu kurz und haben kaum mehr Zeit für Freunde und Familie. Doch haben wir wirklich so viel mehr zu tun als früher?

Wissenschaftlich betrachtet, ist die bezahlte und unbezahlte Arbeitszeit auf beiden Seiten des Atlantiks in den letzten 50 Jahren gleich geblieben und Eltern verbringen tatsächlich mehr Zeit mit ihren Kindern als frühere Generationen. Bei Männern und Frauen haben sich das Verhältnis zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit verschoben.

Zuwächse in der Produktivität und in den Einkommen haben dafür gesorgt, dass jede Stunde Arbeitszeit mehr wert oder teurer ist, sodass wir uns gehalten fühlen, auch mehr dafür zu arbeiten. Ein anderer Teil der Antwort liegt in der Abnahme manueller Tätigkeit: Als “Wissensarbeiter” unterliegt unsere Arbeit nicht dem Rhythmus der Jahreszeiten oder der Verfügbarkeit von Rohmaterial. Unsere Arbeit kennt keine physischen Grenzen, denn es gibt immer Mails, die beantwortet werden wollen, mehr Meetings, mehr Papiere, die gelesen werden müssen, mehr Ideen, die verfolgt werden sollen.

Also wächst der individuell wahrgenommene Zeitdruck. Selbst wenn wir ein oder zwei Stunden frei haben, fühlen wir uns gehalten, “produktiv” zu sein.

Wie finden wir aus dem Teufelskreis wieder heraus? Zunächst, so Burkeman, müssen wir uns des Irrsinns bewusst werden, in den wir geraten sind: wenn es im 19. Jahrhundert noch derjenige “geschafft” hatte, der nicht mehr arbeiten musste, so gilt heute derjenige besonders viel, der viel zu tun hat. Stress wird zum Statussymbol. Allzu oft gehen wir mit uns selbst ebenso um: wir fühlen uns nicht erfolgreich, wenn wir etwas erreicht haben, sondern wir fühlen uns gebraucht, wenn wir beschäftigt sind.

Vielleicht machen wir nach Lektüre des Textes einfach mal eine kurze Pause und denken darüber nach.

Stress als Statussymbol?

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Kommentare 3
  1. Leopold Ploner
    Leopold Ploner · vor 8 Jahren

    Ein sehr schöner Text. Und ich habe auch noch Zeit und Muse ihn zu lesen (und stelle gerade fest, dass die Apple Rechtschreibprüfung das Wort "Muse" nicht kennt)

    1. Ole Wintermann
      Ole Wintermann · vor 8 Jahren

      Hallo Leopold, danke dir für das Feedback. "Muse" hat es anscheinend nicht ins digitale Zeitalter geschafft? VG, Ole

    2. Corinna Hillebrand-Brem
      Corinna Hillebrand-Brem · vor 8 Jahren

      @Ole Wintermann In diesem Zusammenhang ist es ja wohl eher die "Muße". Dennoch schade, dass auch die Musen auf der Strecke bleiben. LG

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