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Nur mit einem BGE erhalten wir unsere Demokratie

Anja C. Wagner
Bildungsquerulantin
Zum Kurator'innen-Profil
Anja C. WagnerMontag, 30.08.2021

Wir ahnten es ja schon länger: Das alte Sozialsystem ist nicht mehr reformierbar, so auch Thomas Straubhaar in einem Interview im aktuellen Spiegel Nr. 35. Bevor ich aber darauf zu sprechen komme, zunächst ein Abgleich der jeweiligen Überschriften:

  • Printartikel: "Der Sozialstaat diskriminiert Jüngere und Frauen systematisch"
  • Online (aktuell): 1.000 Euro im Monat für alle – kann das gut gehen? 

Während im hiesigen Wahlkampf, quer zu den Parteien, ohne jedweden Zweifel vom stetigen Mantra der sicheren Arbeitsplätze nicht abgewichen wird, fordert der Ökonom ein bedingungsloses, transparentes Grundeinkommen für alle. Sein Konzept:
Alle Staatsangehörigen erhalten lebenslang steuerfrei 1.000 Euro im Monat. Wer Einkommen bezieht –  aus Löhnen, Kapitalerträgen oder Mieteinnahmen – muss sie einheitlich zu 50 Prozent versteuern. Sämtliche Sozialleistungen fallen weg, vom Arbeitslosengeld bis zum Rentenanspruch, für die Gesundheit sorgt jeder individuell vor.

Der Systemwechsel wäre kostenneutral. Statt der eine Billion Euro im Jahr, die der Staat heute für Soziales ausgibt, entspräche dies in etwa auch der Gesamtsumme bei 83 Millionen Deutschen. 

Ich bin sicher, viele Leser*innen sammeln jetzt bereits innerlich ihre Gegenargumente, die Straubhaar aber der Reihe nach widerlegt:

  • Ist das gerecht, wenn alle 1.000 € erhalten?
    TS: Ja, denn über die Steuereinnahmen fließt das Geld ja wieder zurück ab einem jährlichen Nettoeinkommen von 24.000 €.
  • Spezielle gesundheitliche Bedürfnisse lassen sich damit nicht abdecken.
    TS: Richtig, in gut begründeten Ausnahmen kann man vom Prinzip der Bedingungslosigkeit abrücken und staatlicherseits noch etwas drauf packen.
  • Arbeiten die Menschen dann vielleicht gar nicht mehr?
    TS: Die meisten würden etwas hinzuverdienen wollen oder ihrer Berufung (weiter) nachgehen, aber spaßlose Arbeit, die von Robotern erledigt werden kann, ist dort gut aufgehoben.
  • Wird es eine neue Schicht staatlich subventionierter Müßiggänger*innen geben?
    TS: Wir machen uns zu viele Gedanken darum, Arbeit als Zwangssystem zu betrachten, statt diejenigen zu unterstützen, die etwas Neues wagen möchten. Von letzteren brauchen wir aber viele mehr, da wir in einer digitalisierten Datenwirtschaft eh nicht mehr so viele Angestellten benötigen.
  • Was wird aus den bisherigen Ansprüchen an die Sozialversicherungen?
    TS: Es wird eine Übergangszeit mit zwei Modellen geben. Jede*r kann sich individuell entscheiden, für welches Modell man sich entscheidet.

Und so weiter. (Es gibt noch einige andere Argumente.)

Letztlich bleibt uns nach Ansicht von Thomas Straubhaar gar nichts anderes übrig, als unsere liberale Wirtschaftsordnung über solch ein Modell für die Marktwirtschaft zu verteidigen. Denn gegen dirigistische Staatswirtschaften in Zeiten der Digitalisierung und Roboter sind wir ansonsten unterlegen. Wir brauchen die Ideen und Initiativen der Crowd, die wenigstens rudimentär abgesichert werden müssen. Genau unser Reden.

Take Action!

Es wäre wirklich schön, wenn in diesem Wahlkampf endlich einmal über ernsthafte Inhalte gesprochen und diskutiert würde. Die Klimakrise ist wichtig, aber nur zu bewältigen, wenn wir gleichzeitig die sozialen Verwerfungen der digitalen Disruptionen im Blick haben und transformativ auch sozialstaatlich lösen. Mit immer mehr Wachstum zum Zwecke immer mehr dusseliger Angestellten-Jobs ist es wahrlich nicht getan.

Nur mit einem BGE erhalten wir unsere Demokratie
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Kommentare 14
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    BGE an sich ist wichtig. Aber 1000,- ist natürlich zu wenig wenn zb für Gesundheit selbst gesorgt werden muss. Und das auch noch freiwillig wäre. Viele versichern sich dann einfach nicht - und wenn es dann krank und teuer wird, muss doch der Staat ran oder wir haben dritteWelt im Krankenhaus.
    Also 1500,- und eine Pflichtvetsicherung für alle. Und natürlich ist der Steuersatz mit x % für alle ohne Staffelung für alles Vermögen über 24.ooo ungerecht.
    Da müsste man also auch noch mal ran.

    Um dafür zu sorgen dass doch noch ein kleiner Anreiz besteht auch kleine schlechter bezahlte Jobs zu machen - oder für Zivilgesellschaftliche und Demokratie viel wichtiger - für Ehrenamt-Spesen und Co., müsste es einen Freibetrag zum dazuverdienen geben von ev. 20.ooo Euro p.a.

    Aber vielleicht sollten wir erst mal mit einer Grundrente wie zb in den Niederlanden und einem anständigen Mindestlohn anfangen...

  2. Der Barde Ralph
    Der Barde Ralph · vor 3 Jahren

    Solange der Neoliberalismus noch fröhliche Urständ feiert, solange Lobbyisten in den Gesetz gebenden Ausschüssen und auf der Regierungsbank sitzen, solange wird es kein BGE geben.
    Die Bewegung zum Durchsetzen des BGE muss von der Straße kommen.

    1. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 3 Jahren

      Sollte man denken, nich wahr. Andererseits gab es in letzter zeit gerade aus der Wirtschaftsecke häufiger solche Ideen - wahrscheinlich weil ganz rational die "Reichen" und die Wirtschaftsbosse es mit der Angst bekommen. oder auch einfach nur an die Konsumenten ihrer Produkte denken.

  3. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 3 Jahren

    Ich bin immer wieder erschrocken, wie auf Basis simpler linearer Annahmen an einer komplexen Gesellschaft herumgeschraubt werden soll.

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor 3 Jahren

      Nennt man das ansonsten nicht schlicht Populismus?

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Dirk Liesemer Ja, und gerade Straubhaar als Ökonom sollte es besser wissen.

  4. Dirk Liesemer
    Dirk Liesemer · vor 3 Jahren

    1000 Euro im Monat und für die eigene Gesundheit sorgt jeder selbst vor. Na, ob das für Geringverdiener wirklich so ein guter Deal ist? Ein sozialer Ausgleich lässt sich dann bei den Beiträgen ja nicht länger rechtfertigen. Vermutlich ist vielen gar nicht bewusst, wie teuer eine gute Krankenversicherung ist.

    1. Der Barde Ralph
      Der Barde Ralph · vor 3 Jahren

      Es liegt bei einem jeden selbst ob er mit dem BGE auskommen will oder auch kann. Ansonsten steht ihm der Arbeitsmarkt offen, nur mit dem Vorteil, dass er nicht zu allen Bedingungen arbeiten muss. Die Chance, die eigene Würde zu bewahren, sind um ein erhebliches gestiegen.

  5. Silvio Andrae
    Silvio Andrae · vor 3 Jahren

    Die Debatte über BGE polarisiert und beruht häufig auf selektiven Daten. Es sollte eine offene Diskussion darüber geführt werden, was wir tatsächlich wissen und was uns fehlt.
    Was wir wissen: Die bisherigen Ergebnisse aus den Pilotprojekten können die Debatten befeuern, um BGE als längerfristige Politik zu etablieren. Sie zeigen auch, wie das Instrument als Notfallmaßnahme in humanitären und verschiedenen Krisenkontexten eingesetzt werden kann. Es gibt eine Vielzahl von BGE-Evaluierungen. Es fällt auf, dass die kontextuellen Unterschiede der Pilotprojekte in den Diskussionen über die Wirksamkeit oft nicht ausreichend beachtet wird. Es wird zu schnell verallgemeinert.
    Was wir nicht wissen: Die Zusammenhänge zwischen dem BGE und Mindestlöhnen, Renten und Abfindungen sind häufig noch nicht ausreichend analysiert. Zudem sollte das Zusammenspiel von BGE mit gesellschaftlichen Agenden (z.B. geschlechtsspezifische Ergebnisse oder politische Partizipation) und internationalen Rahmenwerken (z.B. Auswirkungen für nachhaltige Entwicklung) genauer bewertet werden.
    Es bleibt noch einiges zu tun.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      Ich denke, dass man ein BGE nicht durch Pilotprojekte "testen" kann. Die eigentliche Frage, wie ein wirklich "auskömmliches" BGE längerfristig das Verhalten der Bevölkerungsschichten und damit die Gesellschaft verändern würde, beantwortet sich nur, wenn man es komplett und unbegrenzt einführt. Zeitlich und monetär begrenzt und in kleinen Gruppen sind die Ergebnisse immer nur sehr begrenzt aussagefähig. Es ist schon so, das eigentliche Experiment wäre die ganze Gesellschaft oder gar nichts.

    2. Silvio Andrae
      Silvio Andrae · vor 3 Jahren

      @Thomas Wahl Die "komplette und unbegrenzte Einführung" ist auch ein schönes Experiment. Aber Achtung: es gibt kein zurück mehr.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Silvio Andrae Ich denke, es ist eher ein gefährliches Experiment. Zumal wir ja u.a. noch nach einer nachhaltigen energetischen Infrastruktur suchen müssen. Und das mit unserem jetzt schon überforderten politischen und bürokratischen Strukturen und Personal.

    4. Cornelia Gliem
      Cornelia Gliem · vor 3 Jahren

      @Silvio Andrae wieso? Klar könnte man es wieder rückgängig machen. Sicher mit großen Schwierigkeiten und Ärger, aber an sich schon. Es gibt im Grunde nichts was man nicht rückgängig machen kann.

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 3 Jahren

      @Cornelia Gliem So wie man sein Altern nicht rückgängig machen kann, so kann man auch nicht einfach eine entwickelte soziale Struktur und ihre Wirkungen "rückgängig" machen. Man kann natürlich aufhören ein BGE zu zahlen. Muß dann aber andere Ersatzstrukturen schaffen. Die sich wieder neu bewähren müssen. Ggf. eine neue Industrie, neue Wirtschaftsstrukturen aufbauen. Eingeschliffene Verhaltensweisen, Kultur verändern usw. Man kommt nicht zurück zu der ursprünglichen Gesellschaft. Man hat dann mit ziemlichen Kosten eine neue, unbekannte Gesellschaftsstruktur. Ob die dann besser ist, who knows? Man steigt nicht zwei mal in den gleichen Fluß ….

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