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Länger leben und arbeiten – viele wollen das

Anja C. Wagner
Bildungsquerulantin
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Anja C. WagnerMontag, 24.01.2022

Es ist seit Langem bekannt: Viele Menschen leben durchschnittlich immer länger. So wird ein Kind, das 2007 in Japan geboren wurde, eine mehr als 50%ige Wahrscheinlichkeit haben, älter zu werden als 107. Auch in anderen Staaten wird diese Realität voraussichtlich eintreffen. 

Diese Entwicklung wird verschiedene Auswirkungen haben – nicht zuletzt auf unser bisheriges Verständnis der Bedeutung "der Arbeit" zur Erwirtschaftung unserer volkswirtschaftlichen Güter und späteren individuellen Spielräume. Die Veränderungen geschehen überall, außer in Deutschland, das können wir dem Koalitionsvertrag der Ampelkoalition entnehmen. Hier wird das alte dreistufige Lebensmodell für alle Menschen dauerhaft versprochen:

Ausbildung => Erwerbsarbeit => Rente/Pension 

Zwar wird eine zweite Ausbildung während der Erwerbsarbeitszeit mit einem "Lebenschancen-Bafög" jetzt in Aussicht gestellt, aber am grundsätzlichen Prinzip der 1889 (!) unter Bismarck eingeführten Alterssicherung ändert sich nichts – auch wenn zwischenzeitlich die Lebenserwartung von 70 auf 100 angestiegen ist. 

Viele Menschen zweifeln diese Fortführung jedoch zunehmend an – oder um auf den verlinkten Artikel zurückzukommen:

Überall auf der Welt werden sich die Menschen ihrer immer länger werdenden Lebensarbeitszeit immer bewusster – sind aber von ihrem Arbeitsumfeld frustriert. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Menschen zwar wissen, dass sie ihr Leben und ihre Karriere umstrukturieren müssen, die Unternehmen aber nicht darauf vorbereitet sind.

Und die Politik auch nicht, mag ich hinzufügen ...

Zwar bereiten sich geschäftstüchtige Unternehmen durchaus auf solvente Post-60-jährige Konsument:innen vor, sehen sie aber weiterhin nicht als attraktive "Workforce". Doch dieses alte Mindset fordern jetzt immer mehr Generationen heraus:

  • Zum einen die aktuell 60-Jährigen, die länger arbeiten müssen oder wollen – und sich nicht für den Rest ihres Lebens auf das "passive" Renten-Dasein einlassen können. Manche machen sich noch im "hohen" Alter selbstständig, um sich weiterhin produktiv einzubringen in den Lauf der Dinge. Oder suchen nach sonstigen Möglichkeiten, sich mit ihren Erfahrungen in die Arbeitswelt einzubringen. 
  • Zum zweiten die Menschen in ihren 40-ern, die realisieren, dass sie sich kontinuierlich "upskillen" müssen, um die nächsten 30 Jahre einen attraktiven Arbeitsplatz ausfüllen zu können. Und dieser Bedarf wird wachsen – auch wenn entsprechende Weiterbildungsangebote rar gesät sind.
  • Schließlich die Jüngeren, die erst in den Arbeitsmarkt eintreten und genau wissen, dass ihre Erwerbstätigkeit sich grundlegend anders ausgestalten wird als die ihrer Eltern. Sie suchen vielerorts neue Möglichkeiten der Vereinigung von Arbeit, Freizeit und Kreativität, probieren neue Dinge aus in der aufkommenden "Creator Economy" und bauen sich eine neuartige professionelle Identität auf.
Bei allen Generationen stellt sich die Frage, auf welches Vermögen sie ihr Leben hin gestalten mögen. Neben den finanziellen Ersparnissen kommt es dabei zunehmend auf immaterielle Güter an, die man über die Lebensspanne aufbauen sollte, um ein gutes, langes Leben erstrebenswert zu machen:
  • Produktives Vermögen sind Fähigkeiten, Wissen, der Ruf und die beruflichen Netzwerke der Person
  • Vitalitätswerte, zu denen eine starke geistige und körperliche Gesundheit gehört, aber auch eine gute Work-Life-Balance und starke, regenerative Beziehungen
  • Transformationsfähigkeiten, die Selbsterkenntnis und die verschiedenen Arten von Netzwerken umfassen, die wiederum persönliche Veränderungen und Übergänge unterstützen 

Das bedeutet in der Konsequenz, dass es zukünftig einen klugen Mix aus materiellen und immateriellen Gütern braucht, die man im Wechselspiel auf- und ausbauen sollte. Unsere Bildungs- und Arbeitswelt ist auf diesen individuellen Anspruch der nahen wie fernen Zukunft aber nicht ausgelegt. Hier existieren Lücken zwischen individuellem Anspruch und gesellschaftlicher Wirklichkeit. 

Die Autor*innen erwarten drei Spannungspunkte: 

(1) der Wunsch der Menschen nach Personalisierung, 
(2) ihr Interesse an Flexibilität und
(3) ihr Wunsch, nicht aufgrund des Alters in eine Schublade gesteckt zu werden.

Aus diesen Spannungen heraus ergibt sich also schon heute statt eines 3-stufigen Lebensplanes ein mehrstufiger Ansatz, der vielfältige Folgen für die Unternehmen mit sich bringt:

  • 1. Das Recruiting wird darauf Rücksicht nehmen müssen.
  • 2. Altersbezogene Stereotypen müssen überdacht werden.
  • 3. Es gilt, den Ruhestand neu zu gestalten – auch gesamtgesellschaftlich.

All dies führen die AutorInnen im Artikel gut aus – und ersetzen damit nahezu die Lektüre deren Bestsellers über das 100-jährige Leben.

Länger leben und arbeiten – viele wollen das
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