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Kurator'in für: Zeit und Geschichte Fundstücke
Dennis Basaldella, Jahrgang 1982, studierte Filmregie in Rom und Europäische Medienwissenschaft als Bachelor und Master an der Universität Potsdam. Von 2014 bis 2020 war er als Mitarbeiter und Leiter im Filmarchiv des Filmmuseums Potsdam tätig und arbeitete im Forschungsprojekt „Regionale Bilder auf Filmen (1950–1990)“ zum DDR-Amateurfilm des Filmmuseums mit. Seine Dissertation „Ein Leben für den Film. Der freie Filmhersteller Horst Klein und das Film- und Fernsehschaffen in der DDR“ an der Universität Hamburg erschien 2020 beim Büchner-Verlag und war 2021 in der Shortlist der Kategorie „Bücher“ für den Willy-Haas-Preis nominiert. Er arbeitet und forscht vor allem zu den Themen DDR, Filmgeschichte und Biografien.
Wer Ende letzten Jahres neben den Weihnachtseinkäufen und den anderen Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest die Nachrichten verfolgt hat, dem ist sicherlich nicht die Rückgabe der sogenannten Benin-Bronzen entgangen. Am 20. Dezember gaben Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth dem nigerianischen Staat 20 kostbare Bronzen zurück, die 1897 durch das British Empire geraubt wurden und seitdem nicht nur im British Museum in London ausgestellt waren, sondern durch zahlreiche Verkäufe auch in den USA und Europa landeten.
Die Rückgabe ist nicht nur, wie Roth selbst in dem oben verlinkten Tagesschau-Artikel betont, ein historischer Moment, sondern auch ein Wendepunkt in der deutschen Kulturpolitik. Sie ist aber auch ein wichtiger Meilenstein in der leider in der Öffentlichkeit nur marginal diskutierten und vor allem wenig bekannten postkolonialen Debatte über die Rolle Deutschlands während der Kolonialzeit. Denn das deutsche Kolonialreich war im Verhältnis zu den anderen europäischen Mächten zwar klein, aber die Herrschaft in den Kolonien nicht weniger brutal. Im Gegenteil. Es hat 113 Jahre gedauert, bis der Deutsche Bundestag das Massaker der deutschen Truppen an den Herero und Nama im heutigen Namibia überhaupt als Völkermord anerkannt hat – und die im Mai 2022 beschlossene finanzielle Entschädigung für die Nachfahren der Opfer ist darüber hinaus noch in der Kritik. Ja, Deutschland tut sich schwer mit der Diskussion über die eigene koloniale Vergangenheit – und, dass das Thema an deutschen Schulen auch noch nur unzureichend diskutiert wird, zeigt unter anderem die Podcast-Folge "Kolonialgeschichte im Schulunterricht – Zu weiße Perspektive?" von SWR2 Wissen.
Im Zuge dieser andauernden Debatte und der bereits erwähnten Rückgabe der Benin-Bronzen meldet sich der umstrittene Historiker Egon Flaig mit zwei Artikeln vom 11.10. und vom 14.11. (beide FAZ) zu Wort. Dass die beiden provokativen Artikel Flaigs hinter einer Paywall sind, macht das Problem des Diskurses noch einmal deutlich.
Dass sich Aleida Assmann, die mit ihrem Mann Jan Assmann zu den wichtigsten und bedeutensten Kulturwissenschaftler:innen des Landes gehört, in ihrem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau deutlich gegen Flaig stellt, ist für die Kolonialismus-Debatte und den Umgang mit deutscher Erinnerungskultur von großer Bedeutung. Denn Flaig – der vor einigen Jahren von der AfD zu einer Debatte über Erinnerungskultur ins Paul-Löbel-Haus des Deutschen Bundestages eingeladen wurde – steht für eine Tendenz und Denkweise, die sich in Deutschland in den letzten Jahren verstärkt zeigt. Eine Denkweise, die dafür plädiert, Schuldfragen aus der Erinnerungskultur zu verbannen.
Eine höchst problematische Sichtweise, denn wie schon der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede zum 8. Mai vor dem Deutschen Bundestag im Jahr 1985 sagte: "Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren."
Quelle: unbekannt Bild: © Imago www.fr.de
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Egon Flaig hat in der FR vom 24. Januar Aleida Assmann entgegnet: www.fr.de/kultur/gesel... . Er wirft der Wissenschaftlerin vor, seine Aussagen auf einer Ausschusssitzung im Bundestag in ihrem Artikel nicht korrekt wiedergegeben zu haben. Es ging um diese nichtöffentliche Sitzung Anfang 2019: https://www.bundestag.... ; Thema: „Pädagogische Konzepte und neue Vermittlungsformen bei der NS-Aufarbeitung“.
A. Assmann hat tatsächlich E. Flaig nicht wörtlich zitiert, sondern indirekt wiedergegeben. Was er laut Protokoll sagte, steht in seiner Entgegnung. Allerdings sind weder die Sitzungsvorlagen, noch das gesamte Protokoll öffentlich. Es wird also nicht klar, welche konkreten Vorschläge behandelt wurden, um das Gedenken an die Shoah ins Zentrum zu rücken.
Den Diskurs der letzten Jahre habe ich so wahrgenommen, dass das Thema insbesondere für die heranwachsende Generation wichtig ist – wegen erstarkendem Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit einerseits und zum anderen wegen der immer weniger werdenden Zeitzeugen der vergangenen Verbrechen.
In diesem Kontext (und der Bezugnahme auf Karl Jaspers‘ Appell gegen das Vergessen im Namen der nachwachsenden Jugend) wäre Frau Assmanns stark verkürzte einleitende Darstellung der Position Flaigs durchaus schlüssig – wobei ein Grund der Reduzierung ist, dass der Artikel den Schwerpunkt in der Kolonialgeschichte setzt.
Das ist mein rein menschlicher Eindruck des Ganzen – ich bin nicht berufen, auf theoretischem Niveau mitzureden, habe Geschichte nicht studiert oder dazu geforscht. Wir erinnern uns nicht nur an das Böse und müssen gar nicht unbedingt tausend Jahre zurückgehen: Goethe und Schiller, und Heine, Beethoven und Mendelssohn Bartholdy, Einstein, Sophie Scholl und Herbert Baum ... – so viel Positives macht unsere Kultur und Wissenschaft aus und hält unsere Erinnerungen wach. Ein Teil der Errungenschaften war mit einem Mal „entartet“ und sollte für alle Zeit ausgelöscht werden. Auch dessen müssen wir gedenken: Wehret den Anfängen!
Im Zusammenhang mit der Kolonialismusdebatte ist auch relevant, dass sich die AfD Ende 2019 in einem 12seitigen Antrag an den Bundestag gegen die Restitution von Kulturgütern, die auf falschen Denkmustern basiere, und gegen die Anerkennung des Völkermordes an den Herero und Nama wandte. Darin beruft sie sich mehrfach auf E. Flaig: https://dserver.bundes... . Hat sie ihn falsch interpretiert?
Die Diskussion zu diesem Piq schien – angesichts der vorangegangenen Kontroversen zu Egon Flaig – irgendwie versandet zu sein. Zur Antwort von Dennis Basaldella, der ich nur zustimmen kann, sei noch Folgendes ergänzt.
1) Zur Multidimensionalität des Gedenkens an vergangene Verbrechen des Kolonialismus und der Shoah sollte unbedingt Achim Engelbergs www.piqd.de/zeitgeschi... empfohlen werden. Den Piq entdeckte ich erst vor kurzem. Er gehört zum Kern der Zusammenhänge, die in den bisherigen Debatten reflektiert wurden.
2) Auf https://taz.de/Restitu... erschien kürzlich ein Artikel von Fabian Lehmann. Er fasst die konträren Standpunkte zur Restitution der Benin-Bronzen zusammen. Zu Wort kommt die Ethnologin Barbara Plankensteiner, Wissenschaftliche Leiterin des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt in Hamburg. Insbesondere wichtig, da in den hitzigen Debatten um historische Wahrheiten die kunst- und kulturhistorischen Aspekte des Kunstraubs und der Verletzung der nationalen Identität ihrer Schöpfer völlig ausgeklammert wurden.
3) Navid Kermani schreibt in der ZEIT: „Wann bekommt Afrika die von den Europäern geraubten Skelette seiner Ahnen zurück? Die Körper der Verstorbenen sind für die Kultur des Kontinents unverzichtbar.“ www.zeit.de/2023/04/ko... (Paywall; der unten erwähnte Mangi Meli ist auf einem frei zugänglichen Foto zu sehen).
Kermani: „Was bleibt, wenn der Mensch stirbt? Die meisten Kulturen lehren, dass der Geist fortlebt, und selbst wer nicht von Seele spricht, würde dennoch zugeben, dass jeder Verstorbene seinen Angehörigen etwas Immaterielles hinterlässt, Erinnerungen, Prägungen. Zumal in der modernen Welt nehmen Menschen enorme Anstrengungen auf sich, damit etwas Handfestes von ihnen bleibt, ein Gebäude oder eine Stiftung, ein Staat, eine Entdeckung, ein Kunstwerk oder einfach nur viel Geld. Die Angst, keine Spuren zu hinterlassen, oder in anderen Worten: die Angst vor dem Nichts, hat in der Geschichte der menschlichen Zivilisationen für enorme Entwicklungsschübe gesorgt. Einig scheinen sich die meisten Kulturen darin zu sein, dass der Leib eine leere Hülle ist, sobald kein Herz mehr darin schlägt, eine Hülle, die verbrannt wird oder von selbst zerfällt, bis nur noch Knochen übrig sind, und die Knochen verwandeln sich zu Staub…
Am 2. März 1900 wurde hier [im Norden Tansanias] Mangi Meli, Führer des Volkes der Chagga, zusammen mit 18 weiteren Widerstandskämpfern von den deutschen Kolonialherren gehängt. Ihre Köpfe wurden vom Körper getrennt und ins Kaiserreich verschifft, damit Forscher sie forensisch untersuchen konnten, wobei das Ergebnis, die Überlegenheit der westlichen Rasse, von vornherein feststand...
Jetzt steht Chief Melis Enkel Isaria Anael unter der Akazie [am Ort der Hinrichtung] …, und er hat an den deutschen Staat eine einzige Forderung: Nein, kein Geld, keine Entschuldigung, Isaria Anael Meli will, dass der Schädel seines Großvaters zurückkehrt. Solange der Leib nicht vollständig ist, finden weder er Frieden noch wir, sagt der Enkel, der für sein Anliegen kämpft, seit ihm 1954 der kopflose Chief Meli im Traum erschien.“
Der Rückgabe der geraubten Köpfe standen bisher immense bürokratische Hürden entgegen; auch darüber erzählt der Artikel.
4) ... Fortsetzung siehe Antwort
Was man alles über Afrika wissen sollte, für die Erinnerungskultur …..
https://www.piqd.de/us...
Achim Engelberg bezieht sich in www.piqd.de/zeitgeschi... u. a. auf einen früheren Artikel Aleida Assmanns zum Holocaust-Gedenken.
Anfang 2022 erschien ein weiterer Beitrag dieser Wissenschaftlerin: https://www.fr.de/kult...
und anlässlich des Tags der Befreiung veröffentlichte sie https://www.fr.de/kult...
Hieran ist zu sehen, wie eng diese Themen verwoben sind. Danke für die Bezugnahme auf Richard von Weizsäckers wichtige Rede.
Flaig plädiert nicht dafür Schuldfragen aus der Erinnerungskultur zu verbannen. Sondern er sagt, das die Schuldfrage nicht in den Geschichtswissenschaften zu klären ist. Und Flaig zu verdächtigen, er würde die Augen vor der Vergangenheit verschließen oder vor der Unmenschlichkeit, das ist einfach falsch. Man sollte in einem Diskurs beide Seiten zur Kenntnis nehmen und fair betrachten.
Und außer den drei unten genannten piqs erscheint Egon Flaig noch hier:
https://www.piqd.de/wi...
https://www.piqd.de/ze...
sowie in der Diskussion hierzu: https://www.piqd.de/se...
Indem Flaig sich bzw. seine Ansichten als Opfer der Cancel Culture stigmatisiert, scheint er die größtmögliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen ...