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Kurator'in für: Klima und Wandel
Ich bin freie Journalistin und Teil des journalistischen Kollektivs Collectext. Nach einem Bachelor in Philosophie und Biologie habe ich die multimediale Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule genossen. Am liebsten erzähle ich Geschichten, die Mut machen. Die finde ich meistens in der sozial-ökologischen Transformation, manchmal auch in der digitalen.
Im 2. Leben bin ich Umweltaktivistin. Wie ich das mit professionellem Journalismus vereinbaren kann?
-> collectext.de/journalismus-und-aktivismus/
Anfang der Woche habe ich auf Twitter die Nachricht erhalten, dass Silke Helfrich bei einer Wanderung in den Bergen Liechtensteins tödlich verunglückt ist.
...
Nach einer Weile der wortlosen Betroffenheit war mir klar, dass ich diese traurige Nachricht zum Anlass nehmen möchte, mich selbst an das Ideengut Helfrichs zu erinnern. Und anderen eine Tür zu diesem zu öffnen.
Silke Helfrich war DIE Commons-Forscherin und -Fürsprecherin in Deutschland. Sie hat viele Vorträge, Texte und Bücher veröffentlicht, die man mühelos im Internet finden kann, natürlich als Commons, also open access. Ich persönlich kannte Silke über die Zeitschrift Oya, sodass es mich auch jetzt dorthin gezogen hat. Ein Text aus dem frühen Jahr 2010 hat besondere Resonanz in mir erzeugt, denn er beginnt mit einem Rückblick auf den Weltklimagipfel, der damals in Kopenhagen stattfand und eine ziemliche Enttäuschung war.
Den Planeten schützen wir nicht mit "Regeln von oben", schreibt Helfrich und zitiert dabei Elinor Ostrom, ihrerseits Commons-Theoretikerin (und Wirtschaftsnobelpreisträgerin). Sie sehen das große planetschützende Potential in einer Rückbesinnung auf Commons, Gemeingüter. Hier ein Absatz aus dem Text, in dem Helfrich erklärt, was Gemeingüter ihrem Verständnis nach sind:
Gemeingüter gehören nicht einem Einzelnen, aber auch nicht niemandem. Es sind all jene Dinge, die einer bestimmten Gruppe »gemein« sind. Gemein bedeutete ursprünglich »mehreren abwechselnd zukommend«, später dann: »mehreren in gleicher Art gehörig«, woraus sich »gemeinsam« und »gemeinschaftlich« entwickelt hat. Gemeingüter sind vielfältig in ihrer Erscheinung und Funktion. Sie sichern unsere Grundversorgung mit Nahrung, Energie und Medizin. Sie sind Essenz der Umweltleistungen, die wir zur Wasseraufbereitung, Sauerstoffreproduktion und CO2-Absorption nutzen. Wir brauchen sie als Datenbank für Wissen und Informationen sowie als Quellen der Innovation und Kreativität: Kunst, Kultur, das Internet, Wikipedia oder freie Software basieren darauf, dass Menschen miteinander teilen und weiterentwickeln, was sie vorfinden oder von vorangegangenen Generationen übernehmen. [...]
Im Kern des Begriffs aber steht, dass Gemeingüter der sozialen Bindung dienen.
Es steckt in diesem letzten Satz das Vermächtnis von Silke Helfrich: der Fokus auf die Menschen, die über ein Gemeingut miteinander verbunden sind. Es geht nicht um die Wiese, sondern um die Menschen, die diese gemeinschaftlich nutzen. Um die Bedeutung dessen fassen zu können, muss man sich wortwörtlich ein bisschen reinlesen, denn auch das hat sie uns hinterlassen: eine eigene Commons-Mustersprache. Eine Schöpfung aus Notwendigkeit, denn Helfrich schrieb, sie könne in den konventionellen Politik- und Wirtschaftswissenschaften nicht angemessen ausdrücken, was sie beobachte. "Gemeinstimmig entscheiden" ist so ein Begriff, der mir geholfen hat, einen Commons-Prozess greifbarer zu machen.
Und gemeinstimmig entscheiden, das geht am besten, wenn man zusammen (in einem Kreis) sitzt. Nicht ohne Grund sorgte Silke Helfrich wo immer möglich dafür, dass bei ihren Vorträgen die Menschen in einem Kreis saßen, schreiben Annette Jensen und Ute Scheub in einem Nachruf in der taz.
Ich habe in meinem Browser noch so einige Tabs offen, in denen sich Ideen von Silke Helfrich auftun. Beeindruckt hat mich schon jetzt, wie der Text von 2010 fast eins zu eins in der heutigen Situation hätte entstanden sein können. So schreibt Helfrich zum Beispiel:
In einer Situation, in der sich sowohl das Vertrauen auf staatliche Planung als auch auf die »unsichtbare Hand« des Markts als Illusion erwiesen haben, ist es naheliegend, die Dynamik der Gemeingüter zum zentralen Paradigma unseres Handelns zu machen.
Die Gemeingüter, sie sind schon Teil unseres Alltags: die Luft, manch Saatgut-Zucht, all die Plena, in denen Menschen sich gemeinsam überlegen, wie sie den Planeten schützen können und selbst der Browser, in dem ich dies schreibe, Firefox. Ein Anfang ist, sie neu zu entdecken.
Quelle: Silke Helfrich Bild: Screenshot: Milpa... lesen.oya-online.de
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War mir unbekannt. Eine für mich neue Denklinie. Ich dachte, das sei seit dem 16. Jahrhundert ausgestorben. Gute Sache.
Ich habe vor Jahren mal eine von ihr betreute Fahrradreise von Berlin nach Leipzig mitgemacht. Thema: enkeltaugliche Gesellschaft. Das war sehr intensiv und hat bei mir lange nachgehallt. Auf wie viele Menschen sie Einfluss hatte, ist mir erst durch die zahlreichen Beileidsbekundungen klar geworden.
Was? 😔
Dieser Piq ist gleichermaßen unfair wie willkommen.
https://taz.de/Theoret...
Silke wird fehlen. Ich bin noch immer wortlos. Und ich kann noch immer nicht sagen, warum das so ist.
Jeder Versuch, Stärke zu zeigen, schlägt lächerlich fehl. Und wir sind uns nicht einmal persönlich begegnet. Das gilt leider für viel zu viele andere.