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Fundstücke

Aufbegehren der Hybridhühner

Susanne Franzmeyer
Piqer für Radio Features
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Susanne FranzmeyerMittwoch, 20.01.2021

Ein Feature, so wie ich es liebe – das hier ist echte Radiokunst! Informativ und zugleich witzig, schräg, klug und ungewöhnlich in der Umsetzung.

Das Feature "Das Huhn. Im Parlament der Dinge" von Barbara Eisenmann gibt neben zahlreichen hörenswerten Experten auch den Hühnern eine Stimme – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die begehren hier auf, tun sich zu Sprechchören zusammen und zitieren aus Publikationen, um auf ihre missliche Situation aufmerksam zu machen.

Gleich zu Beginn zieht einen die Erzählerin und Moderatorin reporterartig in den Hühnerstall hinein:

"Da, da kommen sie. Die Hühner. Auch die Fragen und Probleme drängen herein. Der ganze Hybridhuhn-Komplex. Alles ist jetzt da. Verteilt sich im Halbrund. Vorne die Landwirte , hinten die Industrie, der Heterosiseffekt, die ammoniakgeschwängerte Luft. Alle Augen aller Tiere. Die systemischen Schmerzen. Ganze Chöre schieben sich herein. Die Antibiotika, der Hitzestress und alle Zahlen."

Es folgt ein stimmverzerrter Hybridhühner-Sprechchor:

"Wir, die Hybridhühner, wir, die Legehennen, wir, die Masthennen".

Und darauf die Stimme eines "echten" O-Ton-Gebers, dessen Aussage hier bei der Inszenierung dieses Features wohl wörtlich genommen wurde: Man müsse ihnen nur zuhören, den Hühnern.

"Die Hühner sprechen mit uns".

Neben den schrägen Hühner-Auftritten sind Agrar- und Wirtschaftswissenschaftler*innen zu hören, Bauern und PETA-Sprecher, und es wird die ganze Problematik der Geflügelzucht und -wirtschaft aufgerollt: Von den überzüchteten, nur noch kurz überlebensfähigen Masthennen über die Monopolisierung des Zuchtmarktes und die Verwertbarkeitsmaximierung bis hin zur Verhinderung nachhaltiger Geflügelzucht und dem Problem der Antibiotikaresistenz.

"Wir sind Industrieprodukte mit eingebautem Verfallsdatum",

schreit der Hühnerchor, und ein Zuchthahn gibt zum Besten:

"Ein Zuchthahn kann bis zu 28 Millionen Nachkommen produzieren".

Die Züchtung von kaum mehr überlebensfähigen Tieren ist unter Aspekten des Tierschutzes schon an sich ein Problem. Denn lässt man die nach 35 Tagen schlachtreifen Tiere, deren Leben auf maximal sechs Wochen ausgelegt ist, weiterleben, sterben sie einen qualvollen Tod. In einem Experiment ließ man die Tiere einmal drei Wochen länger leben. Ergebnis: In dieser Zeit starben sieben Mal mehr von ihnen als in den ersten drei Wochen ihrer traurigen Existenz.

Wenige Global Player haben sich in der Tierzucht auf attraktive Kreuzungsmerkmale spezialisiert. Kreuzt man dann zwei dieser wirtschaftlich interessanten Zuchttiere, entsteht in der folgenden Generation – und das nur ein einziges Mal – der so genannte Heterosiseffekt: Eine Generation von Zuchttieren, die beide wirtschaftlich ausschlachtbare Eigenschaften in sich vereint.
"Am Hybridhuhn kann man ja ungeheuer viel festmachen, was unser kapitalistisches System charakterisiert",

so heißt es in einem O-Ton.

Alles ist nur noch auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Seit die Resteverwertung in Form von Verfütterung als Tiermehl wegen der BSE-Seuche nicht mehr vollzogen werden darf, wird dieser "Tiermüll" nun anders ausgeschlachtet – und erfolgreich exportiert.

Dass eine solche „effektive“ Züchtung in vielerlei Hinsicht mehr als fragwürdig ist, konnte man sich denken. Dass die Politik dies aber eher fördert als die Versuche einer artgerechteren und nachhaltigeren Zucht, gibt zu denken – vor allem, da Gegenargumente zum Vorwurf der "Unwirtschaftlichkeit" unzureichend geprüft werden.


Im Feature erfährt die Hörerschaft auf sehr ungewöhnliche und informative Weise von den Zusammenhängen und Hintergründen zum Thema. Im "Parlament der Dinge" bekommen alle eine Stimme – eben auch die Hühner.

Mi, 20.01.2021, 22:03 Uhr, SWR2 oder online

Aufbegehren der Hybridhühner

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