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Kurator'in für: Fundstücke Medien und Gesellschaft Flucht und Einwanderung Feminismen
Reporter, Kurator, Autor für deutsche und internationale Medien. Studium der Politikwissenschaft/Anthropologie. Themen: Weiße Mehrheitsgesellschaft, MENA, Autokratien, Kapitalismuskritik, Feminismus und kritische Theorie.
In der Bundeshauptstadt hat die Rot-Rot-Grüne Landesregierung vergangene Woche ein neues Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet. Ziel dieses Gesetzes ist, Angehörige von Minderheiten vor struktureller Diskriminierung bei Behörden und insbesondere vor Sicherheitsbeamten zu schützen. Das schon geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) konzentriert sich vor allem auf die Gleichbehandlung von Menschen auf dem Wohnungs-, Arbeits- und Bildungsmarkt. "Wenn beispielsweise drei weiße Männer eine Gaststättenerlaubnis beantragen und sie bekommen, ein schwarzer Mann aber nicht, muss man genauer hingucken, woran das liegt", erklärt der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt von den Grünen das neue, ergänzende Gesetz in Berlin.
Kernstück der neuen Regelung: Wenn eindeutige Hinweise für eine Diskriminierung zum Beispiel wegen der Hautfarbe oder Herkunft vorliegen, ist die entsprechende Behörde verpflichtet den Fall zu prüfen, aufzuarbeiten und das Gegenteil zu beweisen. Ein eindeutiger Hinweis kann zum Beispiel ein Schriftverkehr sein oder ein Video, das Polizeigewalt und den dazugehörigen Kontext dokumentiert.
Die Opposition aus CDU, FDP und AfD in Berlin schäumt vor Wut. Teilweise werden schon juristische Mittel gegen das neue Gesetz angekündigt. Doch auch in anderen Bundesländern ist die Empörung groß: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will nun prüfen lassen, ob er bayerische Polizisten noch nach Berlin schicken muss. Die Berliner Landesregierung habe "ein gestörtes Verhältnis [...] zu ihrer Polizei", sagt Herrmann. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen von der CDU will mit seinen Kollegen bei der Innenministerkonferenz "über die Folgen des neuen Berliner Gesetz sprechen". Die CDU in Thüringen stellt Einsätze ihrer Landespolizei in Berlin komplett in Frage.
Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei beschreibt die Reaktionen unter den Beamten*innen als "verstört und wütend", das Maß sei voll. Radek erklärt die Sicht seiner Gewerkschaft wie folgt: „Was die Angreifer offensichtlich immer noch nicht verstanden haben, ist, dass sich hinter der Uniform Mütter, Väter, Töchter, Söhne, Freunde, Nachbarn, also Menschen verbergen. Menschen, die die schwierige Aufgabe übernommen haben, unseren Rechtsstaat zu schützen.“
Aus meiner Sicht als Journalist of Color fallen leider auch diesmal die zahlreichen, reaktionären Kommentare in deutschen Medien auf. Sie stützen sich komplett auf die Perspektive der Polizeien und Innenminister von CDU/CSU. Denn leider musste ich in den vergangenen Tagen sehr lange suchen, bis ich einen erklärenden und auf Recherche basierenden Text zum Thema gefunden habe. Auf dem Weg dorthin begegneten mir rechts außen Kolumnisten, die das Gesetz ohne Wissensgrundlage "Antibullengesetz" nennen (weil Polizist*innen die wahren Diskriminierten seien), ein Text aus dem Hause Springer trägt die Überschrift „Mit diesem Gesetz werden Polizisten zum Freiwild“, ein anderer Springer-Artikel ist mit folgender Aussage überschrieben: "Justizsenator Behrendt drückt Gesetz durch, das Polizisten schadet." Der Focus schafft es sogar, sogenannte Clan-Kriminalität mit der aktuellen Diskussion um das neue Gesetz gar ohne Recherche zu verknüpfen.
Hier nun die Einschätzung einer Richterin aus dem oben verlinkten Text der Legal Tribune Online zum Thema Diskriminierungen "glaubhaft" machen:
Katrin Schönberg, Vorsitzende des Berliner Richterbunds und Richterin am Kammergericht Berlin, erklärt: "Das ist ein Prinzip, das allen Zivilrichtern vertraut ist. Es gibt ja jetzt schon Fälle, in denen es darauf ankommt, dass eine Partei bestimmte Tatsachen glaubhaft macht, etwa bei einer einstweiligen Verfügung. Damit können wir umgehen." In der Praxis bedeutet das häufig, dass eine eidesstattliche Versicherung abgegeben wird.
Schönberg glaubt auch nicht, dass die Gerichte mit zahlreichen neuen Verfahren überlastet werden: "Auch als das AGG eingeführt wurde oder der Anspruch auf Entschädigung für überlange Gerichtsverfahren, war die Rede von einer Klagewelle. In beiden Fällen kam es nicht dazu. Natürlich wird es Klagen geben, die sich auf das neue Antidiskriminierungsgesetz stützen, aber ich glaube, dass die Gerichte das bewältigen können."
Eine Freundin von mir, die nicht aus Deutschland stammt, kommentierte diese Diskussion by the way wie folgt: "Wie? Ihr habt in Deutschland bis jetzt noch kein Antidiskriminierungsgesetz?"
Quelle: LTO Bild: (c) stock.adobe.c... lto.de
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