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Flucht und Einwanderung

#MeToo und die Kölner Silvesternacht: Die Externalisierung sexualisierter Gewalt

J. Olaf Kleist
Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Flüchtlingsforschung

am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), Berlin.

Gründer des Netzwerks Fluchtforschung.

Forscht zu, schreibt über und kommentiert Migrations- und Flüchtlingspolitik, insbesondere aber nicht nur in Deutschland und Europa.

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J. Olaf KleistSamstag, 16.12.2017

"NRW rüstet sich mit 'Silvester-Erlass' für den Jahreswechsel", titelt Spiegel Online über die Mobilisierung von 5700 PolizistInnen, die zum Jahreswechsel in Köln patrouillieren sollen. Die Übergriffe 2015/16 haben sich mit den Stichworten "Köln" und 'Silvester" in die Imagination der Nation als eine staatlich zu bannende Gefahr aus den Maghreb-Staaten eingebrannt. Es ist die Bedrohung, die nicht nur Frauen, sondern die angeblich geregelte Geschlechterordnung in Deutschland gefährde. Denn hier im Westen sind Fälle wie Weinstein, Roy Moore, Louis C.K. usw. entweder nicht wahr oder Ausnahmen, derer man sich durch entschiedene Distanzierung entledigen kann. Zwar sagen Frauen fast durchweg #MeToo, aber kaum ein Mann scheint Täter zu sein. Sorry, kaum ein westlicher Mann. Die Gefahr komme aus Nordafrika, aus dem Nahen Osten, gegen die die Polizei mobilisiert werden muss. Was tatsächlich ein Männlichkeits- und Machtproblem ist, wird geschickt getrennt: Bei nicht-westlichen Migranten ist es ein Männlichkeitsproblem, während Fragen von Macht und Rassismus ausgeblendet werden, und im Westen/Globalen Norden scheint es ein Machtproblem zu sein, das generelle Männlichkeitsbilder nicht in Frage stellt und Übergriffe jenseits der Elite kaum thematisiert. Das mag nicht für alle gelten, aber so lässt sich an Migranten wunderbar ein gesellschaftliches Problem entsorgen und mit der Projektion von Migrantinnen als Opfer sexueller Gewalt migrantischer Männer zudem die Rolle des Westens als Retter aufwerten. 

Diese Wahrnehmung von migrantischer Weiblichkeit und Männlichkeit als "anders" oder gar "feindlich anders" hat in vielen westlichen Gesellschaften eine Kernfunktion für die Definition des Selbst erhalten. Mit den Worten von Umberto Eco: "Einen Feind zu haben, ist nicht nur wichtig um die eigene Identität zu definieren, sondern auch, um sich ein Hindernis aufzubauen, an dem man das eigene Wertesystem demonstrieren und durch dessen Bekämpfung man das eigene Wertesystem beweisen kann."
#MeToo und die Kölner Silvesternacht: Die Externalisierung sexualisierter Gewalt

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Kommentare 3
  1. Fabian Goldmann
    Fabian Goldmann · vor fast 7 Jahre

    Hm. Ich habe das nicht so wahrgenommen. Sowohl bei Köln als auch bei #metoo gab es doch beides: Stimmen, die generalisiert haben („das Problem ist Männlichkeit, Alltagssexismus usw.“ vs. „das Problem ist Islam, sind Araber“ usw.) als auch Stimmen, für die es überwiegend um Einzelfälle ging und/oder die vor Generalisierung gewarnt haben. Was in welchem Fall wie berechtigt ist, ist eine andere Frage. Anders als Helma Lutz habe ich #metoo mit Köln im Hinterkopf deshalb auch als eher positiv wahrgenommen. Endlich blieb die Externalisierung mal aus. Es ging glücklicherweise nicht darum, dass Sexismus jüdisch (Weinstein), schwul (Spacey) oder schwarz (Cosby) sei, sondern es ging immer um Männer. Von daher sehe ich in #metoo eher das positive Gegenstück zur Kölndebatte.

    1. J. Olaf Kleist
      J. Olaf Kleist · vor fast 7 Jahre

      Hm. Mir scheint es nicht das Problem zu sein, ob sexualisierte Gewalt als generelles Problem diskutiert wird oder nicht, sondern wie es als strukturelles Problem wahrgenommen wird. Bei Köln gehen beide Behauptungen - ausländisches Problem oder Einzelfälle - am Punkt vorbei. Auch bei #metoo findet meines Erachtens eine gewisse Externalisierung statt (es mag Ausnahmen geben), in Deutschland sogar eine doppelte. Ist es nicht erstaunlich, dass die (auch von Dir) genannten Täter alle US-Amerikaner sind? Wieso sind in Deutschland noch keine Täter geoutet worden (die es zweifelsohne reihenweise gibt)? Und wie ist mit jenen Tätern verfahren worden, deren Taten öffentlich gemacht wurden: Ihnen wurde ihre Machtposition entzogen, als sei das das Problem gewesen. Die NYT hat nun erst vor Kurzem einen der wenigen (und doch wenig beachteten) Berichte über #meetoo unter Blue Collar Frauen veröffentlicht (https://www.nytimes.co...). Was der #metoo Kampagne m.E. gefehlt hat, ist eine Debatte über Männlichkeit, in der "wir" uns auch kritisch fragen müssen, was wir als Männer mit Weinstein ggf. gemein haben - ...

    2. J. Olaf Kleist
      J. Olaf Kleist · vor fast 7 Jahre

      @J. Olaf Kleist ... die (berechtigte) Forderung an Männer, Sexismus entgegenzutreten, ist doch selbst eine gewisse Externalisierung, wenn die eigene Involviertheit in gesellschaftlichen Sexismus nicht zugleich thematisiert wird. Der Fokus auf männliche Machtfiguren scheint mir jedenfalls nicht auszureichen. Die Externalisierung hat insofern drei Aspekte: eine rassistisch/nationalistische, eine Macht- und Klassenfrage sowie die Herausforderung von Sexismus und Männlichkeit. Und voilá: Worum es geht (und ich weiss nicht, ob das wirklich der Punkt von Helma Lutz war, aber ihr Text war da für mich hilfreich) ist eine kritische Debatte über Intersektionalismus, da die Diskussion um Teilaspekte - sei es in der Kölndebatte oder bei #metoo - wichtige Elemente des Problems auszusparen scheinen, wodurch "wir" uns dann doch immer auf der sicheren/richtigen Seite wähnen können.

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