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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Murat Kurnaz wuchs als türkischstämmiges Kind in Bremen auf, mit 19 Jahren reiste er nach Pakistan, um – wie er sagt – den Koran zu studieren. Er geriet in die Fänge der US-Streitkräfte. Selbst wenn er nicht ganz so unschuldig war, erlebte er Folterungen, die durch nichts zu rechtfertigen sind:
Bei den Verhören knüpften sie mich an einem Balken auf, mit den Armen nach oben, die Füße ein Stück über dem Boden, so hing ich da, fünf Tage lang. Alle paar Stunden prüfte ein Arzt meinen Puls. Ich war mir sicher, ich würde sterben. In Guantánamo wurde ich fünf Jahre lang jede Nacht von Lautsprechern beschallt und von Scheinwerfern bestrahlt. Ich weiß jetzt, was ein Mensch aushalten kann. Drei Wochen ohne Essen zum Beispiel, drei Wochen ohne richtigen Schlaf.
Er war der letzte Europäer, der im US-Folterknast auf Kuba einsaß. Daran Schuld hat auch die deutsche Politik:
Wegen unserer rot-grünen Regierung saß ich ein paar Jahre länger in Haft als nötig. Ich war unschuldig, das wussten sie, doch viele in Deutschland hatten damals Angst vor mir.
Der Text, den eine ZEIT-Journalistin in Form brachte, hat einen ungemein ehrlichen und dadurch überzeugenden Sound. Er zeigt, welche Wunden eine erfolgreiche Integration, genauer: Re-Integration, heilen kann.
Heute arbeitet Murat Kurnaz als Sozialarbeiter und versucht, die gefühlte und die reale Ausgrenzung zu mildern. Er ermutigt Flüchtlinge, mit Geduld, aber ohne Duckmäusertum, auf ihre Chance hinzuarbeiten.
Dabei kommen ihm paradoxerweise seine fünf Jahre im Folterknast zur Hilfe. Er spricht mittlerweile sechs Sprachen – Türkisch, Deutsch, Arabisch, Englisch, Usbekisch und Farsi – und bekennt, dass er die meisten von Mitgefangenen in Guantánamo gelernt habe. Schließen möchte ich die Zusammenfassung dieses lesenswerten Artikels mit einem Zitat, dass sich an alle Muslime in Deutschland richtet:
Ich bin nicht der Typ, der die Leute mit seiner Meinung behelligt. Aber wenn ich in den letzten zwölf Monaten den Fernseher eingeschaltet habe, dann habe ich da zu viel Gewalt gesehen – und zu wenige, die sich dieser Gewalt entgegenstellen. Wo sind sie, die hier lebenden Türken oder Marokkaner oder Tunesier, die diesen Terror laut verurteilen? Wo ist der Aufstand der Muslime, die in Deutschland leben?
Quelle: Murat Kurnaz (aufgezeichnet von Anita Blasberg) Bild: Eckhard Stengel/i... zeit.de
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