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Feminismen

Warum Lisa Montgomery nicht hingerichtet werden sollte

Michaela Haas
Reporterin. Autorin. Kolumnistin.
Zum Kurator'innen-Profil
Michaela HaasSamstag, 19.12.2020

Die Gespräche, die mir am meisten nahegehen und die ich mein Leben lang nicht vergessen werde, sind meine Gespräche mit Frauen, die schon als Kind missbraucht wurden und lebenslang Gewalt erfuhren.

Meistens leiden sie still, versuchen ein Leben lang zu heilen; meistens interessiert sich die Öffentlichkeit erst für sie, wenn sie selbst gewalttätig werden.

Donald Trump richtet vor seinem Abgang noch soviel Schaden an, dass mitten in der Pandemie ein Thema zu wenig Aufmerksamkeit findet: Kurz vor Schluss lässt er auf die Schnelle noch ein halbes Dutzend Menschen hinrichten. Am 12. Januar 2021 soll Lisa Montgomery hingerichtet werden, als erste Frau auf Bundesebene seit 70 Jahren.

Es ist auch die Geschichte einer Frau, die nie Hilfe, nie Gerechtigkeit erfuhr. Von klein auf wurde sie von ihrer Mutter sadistisch gequält, von ihrem alkoholsüchtigen Vater und seinen Freunden vergewaltigt, später von ihrem Ehemann. Sie ist bipolar, leidet unter einer traumatischen Hirnverletzung, Depression und komplexem posttraumatischem Stress.

Was an ihrer Geschichte am meisten verstört, ist, wie viele Menschen von der Folter wussten und nichts unternahmen. Lehrer, Sozialarbeiter, sogar Polizisten. Über Jahrzehnte.

Diese New York Times Reportage erzählt zum ersten Mal ausführlich ihre Geschichte, und warum die Todesstrafe gerade in diesem Fall das Gegenteil von Gerechtigkeit ist:

Ms. Montgomery’s execution, far from righting a wrong, would in itself be an injustice atop an injustice.

Das Verbrechen, das Montgomery beging, war grausam: Sie tötete eine schwangere Frau, um ihr das Baby aus dem Bauch zu schneiden. 

But what Mr. Whitworth and so many others refuse to understand is how abuse is cumulative. Traumatic brain injuries are cumulative. Punch after punch, kick after kick, rape after rape. Injured brains do not heal like injured bodies.

Die Jury erfuhr nicht einmal entscheidende Details aus ihrem Leben, bevor sie sich nach wenigen Stunden Beratung für die Todesstrafe aussprachen.

“Were it not for her being a woman,” Sandra Babcock, the founder and faculty director of the Cornell death penalty center, told me, “she would not be on death row, because she wouldn’t be subjected to the kind of torture that she was.” Her case, she said, “is all about gender.”

Warum Lisa Montgomery nicht hingerichtet werden sollte

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Kommentare 2
  1. Matthis Pechtold
    Matthis Pechtold · vor 4 Jahren

    Danke für den piq, Frau Haas. Dass diese Katastrophe von Präsident kurz vor ihrem herbeigesehnten Ende noch so plakativ empathielos Menschen exekutiert, es ist einfach erschütternd. Auch nach vier Jahren Trump.
    Zum piq selbst: Titel finde ich leicht irreführend. Klingt ein bisschen so, als wäre es eine Frage von Argumenten, ob eine Hinrichtung. Ist es natürlich nie, meine ich; und gehe davon aus, dass Sie es so auch nicht gemeint haben.

    1. Michaela Haas
      Michaela Haas · vor 4 Jahren

      Das stimmt. Ich persönlich bin grundsätzlich gegen die Todesstrafe. Dann gibt es aber auch zahlreiche Fälle, in denen ich die Todesstrafe ganz besonders tragisch finde, weil die Justiz versagt, z.B. wenn die Schuld nicht eindeutig feststeht, die Menschen keinen gerechten Prozess bekommen haben, Menschen nicht voll schuldfähig waren, weil sie bei der Tat minderjährig oder geistig beeinträchtig waren, oder, wie in diesem Fall, die traumatischen Verletzungen der Frau nicht in die Urteilsfindung einfließen. Ich berichte immer wieder über solche Fälle, weil das letztlich auch ein Weg ist, die Befürworter der Todesstrafe nachdenklich zu machen. Lisa Montgomerys Geschichte entschuldigt natürlich die Tat nicht, und es argumentiert ja auch niemand, man solle sie in die Freiheit entlassen, aber ihre Existenz nach einem Leben mit derart viel Gewalt dann auch noch mit einen gewaltsamen Tod durch Exekution zu beenden, finde ich wirklich unterträglich.

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