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Kurator'in für: Fundstücke Volk und Wirtschaft Technologie und Gesellschaft
Seit März 2017 bei piqd in der Redaktion. Seit Herbst 2021 als Chefredakteur. Wöchentlicher Newsletter über alle Video- und Podcastempfehlungen auf piqd über den untenstehenden Link.
Seit einem Jahr setzen wir uns bei piqd stärker mit europäischem Journalismus und der europäischen Öffentlichkeit auseinander. Ein Ergebnis davon sind unsere "euro-piqs", Volltext-Übersetzungen von spannenden Texten aus ganz Europa. Wir stellen außerdem fest, dass es in diesem Bereich bereits einige spannende und richtungsweisende Projekte gibt. Eines möchte ich hier vorstellen und habe dafür Christian-Zsolt Varga interviewt. Er ist Journalist und einer der Hauptinitiatoren des länderübergreifenden europäischen Journalismusprojekts "European Focus" und war dort bis Mitte Februar auch Redaktionsleiter.
Bei European Focus arbeiten neun europäische Redaktionen wöchentlich an einem gemeinsamen Newsletter und veröffentlichen diesen als gemeinsame Publikation und teilweise auch übersetzt im Netz oder direkt in der Zeitung. So landen unterschiedliche europäische Perspektiven und Artikel aus einem Land auch bei den Partnern im europäischen Nachbarland. Teil der Zusammenarbeit sind Domani (Italien), Balkan Insights, Delfi (Estland), Tagesspiegel, hvg (Ungarn), El Confidencial (Spanien), Gazeta Wyborcza (Polen), Libération (Frankreich) und N-Ost. Das Projekt wird durch das EU-Förderprogramm "Journalism Partnerships" co-finanziert und läuft seit dem Frühjahr 2022.
Wie sieht der Newsletter von European Focus aus und welchen Zweck hat er?
Der englischsprachige Original-Newsletter geht jeden Mittwoch an unsere Leser'innen raus und ist ein Zusammenspiel aus fünf kurzen Originalbeiträgen von fünf unterschiedlichen Redaktionen zu einem gemeinsam ausgewählten Thema, das uns alle in Europa verbindet oder betrifft.
Im besten Fall öffnen wir unseren Leser'innen damit jede Woche ein Fenster in ihrem Posteingang mit überraschenden und informativen Perspektiven auf europäische Themen, die sie sonst in dieser Kombination nicht bekommen würden, und verstehen Europa gemeinsam etwas besser.
Aber auch das, was "hinter den Kulissen" geschieht, ist ein wesentlicher Teil des Projekts:
Mit European Focus etablieren wir die Methode des kollaborativen, grenzüberschreitenden Journalismus auch abseits des investigativen Journalismus in den Redaktionen und machen die europäische Vielfalt zur Grundlage der Berichterstattung über Europa.
Du beschäftigst dich seit vielen Jahren mit der europäischen Öffentlichkeit und Möglichkeiten, diese länderübergreifend umzusetzen. Wie entstand die Idee für European Focus?
Die grundsätzliche Idee entstand vor dem Hintergrund, dass die Probleme, die Europa betreffen, sich auf uns alle auswirken, und wir längst in einem hochintegrierten gemeinsamen politischen Gemeinwesen zusammenleben – es aber immer noch zu wenig öffentliche und mediale Räume gibt, in denen wir als Europäer’innen gemeinsam auf die uns all betreffenden Themen blicken und diese diskutieren.
Dieses Problem ist natürlich nicht neu, verschärft sich aber zunehmend. Leider haben europäische Medien in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig unternommen, um Antworten darauf zu finden oder Experimente in diese Richtung zu wagen. Es wurde viel Zeit vergeudet. Die öffentliche Debatte in Europa ist immer noch zu sehr in nationale Medienblasen zersplittert.
Wie will European Focus das lösen?
Wir wollen zumindest eine Alternative aufzeigen, wie wir mit grenzüberschreitender europäischer Zusammenarbeit zwischen Medien als Europäer’innen gemeinsam diskutieren und unseren Leser’'innen einen "europäischeren" Journalismus anbieten können.
Und dass es sich lohnt, einfach mal anzufangen. In vielen Medien gibt es immer noch zu wenig Innovationsbereitschaft, um Experimente in Richtung eines integrierten europäischen Journalismus zu wagen. Oft beschränkt man sich auf die Übersetzung von Artikel aus anderen Sprachen und Ländern – wenn überhaupt. Das ist natürlich grundsätzlich nicht falsch, aber eben noch lange nicht das Ende der Fahnenstange.
Mit European Focus gehen wir deshalb einen Schritt weiter und spannen ein europäisches Netz zwischen den verschiedenen europäischen Redaktionen auf und etablieren ein "New European Normal" in der täglichen Zusammenarbeit. So werden die Inhalte von Anfang an gemeinsam produziert – und dadurch eben auch "europäischer".
Warum habt ihr euch für ein Newsletter-Format entschieden?
So eine regelmäßige Kooperation zwischen neun verschiedenen europäischen Medien zu etablieren, funktioniert natürlich nicht einfach so aus dem Stand heraus. Deshalb haben wir mit einem kleineren Format begonnen, einem wöchentlichen Newsletter, mit relativ kurzen Texten. Als wöchentliche Produktion ist das auch schon so herausfordernd genug.
Das Ganze hat den Charakter eines Pilotprojekts. Das Kernteam besteht v.a. aus Auslandsredakteur'innen, aber auch Kolleg'innen aus anderen Ressorts und Freelancer können je nach Fachwissen und dem Thema der Woche einbezogen werden.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit bei European Focus genau?
Die wöchentliche Produktion beginnt "stinknormal": mit einer einstündigen Online-Redaktionskonferenz, in der über das nächste Thema diskutiert und abgestimmt wird. Aber genau um diese Normalität geht es. Für die beteiligten Journalist’innen ist es inzwischen zur Routine geworden, sich einmal wöchentlich mit Kolleg’innen aus acht anderen europäischen Medien über europäische Themen auszutauschen. Für mich persönlich ist es absurd, dass so etwas im Europa des Jahres 2023 nicht schon längst die Norm ist, sondern eine ziemlich radikale Innovation darstellt.
Bei dieser Sitzung treffen jede Woche aufs Neue unterschiedliche Meinungen und Perspektiven aufeinander, aber auch unterschiedliche Expertisen. Hinzu kommt, dass alle mit einem Thema reinkommen, aber im besten Fall mit acht neuen Themen rausgehen. Damit stärken wir die Auslandsredaktionen im Allgemeinen, die, mit wenigen Ausnahmen wie Deutschland oder Frankreich, oft mit sehr knappen Ressourcen zu kämpfen haben. Und durch die regelmäßige Produktion entstehen auch spontane Kooperationen über den gemeinsamen Newsletter hinaus, die Zusammenarbeit wird also fortlaufend verstetigt.
Wie geht es nach der Redaktionskonferenz weiter?
Am nächsten Tag treffen sich die fünf Autor'innen der aktuellen Ausgabe erneut für eine Stunde, um das Thema zu vertiefen und sich auf die verschiedenen Geschichten, Perspektiven und Formate zu einigen. Außerdem übernimmt jede Woche ein anderes Medium die Chefredaktion, um sicherzustellen, dass alle gleichberechtigt beteiligt sind und wir unseren Bias diversifizieren.
Denn es macht natürlich einen Unterschied, ob z.B. eine Kollegin aus Rumänien den Newsletter über europäische Arbeitsmigrant'innen leitet oder eine deutsche. Gleichzeitig bleibt es aufgrund des Rotationsprinzips oft dem Zufall überlassen, wer welches Thema leitet, was aber auch zu interessanten Konstellationen und Diskussionen führen kann.
Außerdem lassen wir ganz bewusst viele ukrainische Journalist'innen zu Wort kommen, wenn wir über Russlands Angriffskrieg schreiben. Zuletzt haben wir den Newsletter sogar ganz in die Hände unserer ukrainischer Kolleg'innen gegeben.
Nachdem die Texte eingetroffen sind, werden sie in einem eigens konzipierten, digitalen Redaktionsprozess produziert. Dabei kommt jeder zum Zug und die Kolleg'innen wechseln sich wöchentlich beim Redigieren ab, was zu einer belastbaren Zusammenarbeit führt.
Wie reibungslos ist dieser Prozess schon und welche Herausforderungen gibt es dabei?
Es war von Anfang an wichtig, dass European Focus mehr als nur eine weitere europäische "l'art pour l'art"-Initiative wird und stattdessen eine belastbare Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen fördert. Konflikte über Inhalte oder produktives Gezänk über Formulierungen, wie sie in jeder normalen Redaktion vorkommen, sind deshalb nicht nur unvermeidlich, sondern explizit erwünscht. Hinzu kommt, dass die Produktion bei European Focus sehr schnell abläuft, was den Stressfaktor zusätzlich erhöht. An Herausforderungen mangelt es also nicht, aber diese werden dann eben auch gemeinsam bewältigt.
Damit sowas langfristig klappen kann – und das digital zwischen Redaktionen aus acht Ländern – muss zu Beginn eine solide Vertrauensbasis für die gemeinsame Zusammenarbeit gelegt werden. Dafür haben wir uns in der Vorbereitung und nach den ersten zehn Ausgaben im Rahmen von zwei Workshops in Berlin und Budapest persönlich getroffen. Grundsätzlich werden Entscheidungen über die Produktion und Publikation nur gemeinsam getroffen. Und weitere Treffen sind in Planung.
Was ist sonst noch anders oder besonders in so einer grenzübergreifenden Produktion?
Diese Art von kollaborativer cross-border Zusammenarbeit ist ein anspruchsvoller Prozess, der nur durch “learning by doing” gemeistert werden kann. Unabhängig davon, wie erfahren eine Kolleg'in ist, stellen sich einfach ganz neue Herausforderungen. Es braucht also auch eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit und Lernbereitschaft auf Seite der Journalist'innen und die Bereitschaft, die eigene Komfortzone zu verlassen.
Und so eine Produktion erfordert auch neue journalistische Rollen, wie beispielsweise den "Editorial Coordinator", quasi ein europäischer Chef vom Dienst. Der sorgt nicht nur für eine reibungslose Produktion, sondern muss auch die verschiedenen kulturellen, nationalen und professionellen Unterschiede der beteiligten Journalist’innen berücksichtigen und in eine produktive Zusammenarbeit integrieren. Brigitte Alfter, eine Pionierin des europäischen cross-border Journalismus, hat diese Rolle schon vor Jahren beschrieben, aber in der Praxis der meisten Medien ist dieses Berufsbild noch immer kaum anzutreffen.
Welche Unterschiede gibt es zwischen den Partnerredaktionen und wie äußern sie sich?
Zum einen gibt es ein strukturelles Problem, das sich aus den unterschiedlichen diskursiven Machtverhältnissen speist, wenn es um Europa geht. In Westeuropa werden solche Zusammenarbeiten oft als "nice to have" angesehen, während sie z.B. in osteuropäischen Medien als dringend notwendig betrachtet werden, um endlich mehr Gehör in europäischen Diskussionen zu erhalten.
Auch gewinnt man einen besseren Eindruck von den teils sehr unterschiedlichen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, in denen Medien in Europa operieren. Manchmal wünschte ich, es gäbe in den privilegierten Mediensystemen grundsätzlich ein höheres Bewusstsein dafür, dass hier mehr handfeste Kooperationen, die über reine Solidaritätsbekundungen hinausgehen, tatsächlich einen Unterschied machen können.
Genauso wie es langfristig nicht ohne Folgen für die ganze EU bleibt, wenn in einem EU-Land die Demokratie und Pressefreiheit abgebaut werden. Dann wird dieses Abstrakte auch in der täglichen Arbeit ganz konkret spürbar, wenn z.B. eine Kollegin nicht an der gemeinsamen Produktion teilnehmen kann, weil sie aufgrund ihrer kritischen Berichterstattung massiven persönlichen Drohungen ausgesetzt ist.
Die oft künstliche Trennung zwischen "uns" und den "anderen" in Europa wird in solchen Momenten aufgebrochen, weil es sich jetzt um tatsächliche Kolleg’innen handelt und nicht zuletzt auch die gemeinsame Publikation davon betroffen ist.
Veröffentlichen die Partnermedien zusätzlich zum Newsletter auch übersetzte Inhalte in ihren Print- und Onlinepublikationen?
Ja, und das ist ein essentieller Teil des Projekts! Abseits der gemeinsamen englischsprachigen Publikationen wird European Focus auch auf Italienisch, Estnisch und Spanisch als originaler Newsletter von den jeweiligen Medien veröffentlicht. Damit erreichen wir allein mit dem Newsletter nach den ersten 20 Ausgaben bereits jetzt europaweit über 10.000 Subscriber wöchentlich.
Außerdem werden einzelne Texte oder auch der ganze Newsletter übersetzt und, je nach Medium, in den nationalen Print- und Online-Publikationen veröffentlicht. Zum Beispiel veröffentlicht die italienische Zeitung Domani seit Launch jeden Mittwoch eine ganze Print-Seite European Focus, bei Libération gibt es ein Online-Dossier für European Focus und der Tagesspiegel veröffentlicht den Newsletter jede Woche komplett in deutscher Übersetzung online.
Mit dieser geballten Reichweite unseres Konsortiums dürften wir über die Projektlaufzeit eine Gesamtleserschaft im zweistelligen Millionenbereich erreichen. Indem wir unsere Leserschaften durch unsere gemeinsame europäische Publikation zusammenbringen und sie mit gemeinsam produzierten europäischen Inhalte und Diskussionen versorgen, schaffen wir gleichzeitig auch eine europäische Öffentlichkeit.
European Focus wird von der EU finanziert, über das Programm “Journalism Partnerships”. Die Förderung läuft bis 2024. Wie könnte es danach weitergehen?
Es ist Teil des Projektplans, auch darüber nachzudenken, wie das Projekt nach Ablauf der Förderung erweitert und fortgeführt werden kann und welche verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten dafür in Frage kommen. Leider enden solche Projekte oft nach der Anfangsfinanzierung. Hier wird sich also auch zeigen, wie ernst es den Partnern mit der Fortsetzung der Zusammenarbeit in der Zukunft ist und ob der vielfältige Mehrwert und das Potential solcher Kooperationen nicht nur in den Redaktionen selbst, sondern z.B. auch auf der Leitungsebene erkannt wird.
Quelle: piqd Bild: European Focus EN europeanfocus.eu
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klingt so gut. Aber wieso wird das nicht bei uns in mehreren Zeitungen veröffentlicht?