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Europa

Wahlen in Ostdeutschland: „Katastrophe, Schockmoment, Bestrafung"

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteDienstag, 03.09.2024

Heute, am 3. September vor 80 Jahren, wurde Brüssel durch die britische Armee von der Terrorherrschaft der deutschen Nationalsozialisten befreit. Jährlich wird durch Feierlichkeiten und Veranstaltungen an diesen Tag erinnert (hier ein deutschsprachiger Artikel zum gleichen Thema im Flanderninfo vom 3. September: 80. Jahrestag der Befreiung Brüssels am Ende des Zweiten Weltkriegs. Von Andreas Kockartz.)

Das Luxemburger Tageblatt (Tageblatt Lëtzebuerg) hat in einem Beitrag am 1. September an den Beginn des dann blutig niedergeschlagenen Generalstreiks vom 31. August 1942 gegen die Nazi-Besatzer erinnert und ihn mit der Mahnung versehen, man müsse „dieser Aktion und ihren Opfern […] heute mehr denn je Respekt zollen“.

Vor diesem Hintergrund wurde der hier verlinkte Beitrag von Tobias Senzig „Welchen dunklen Pfad schreitet Deutschland hinab?“ als Kommentar zu den Ergebnissen der Wahlen vom 1. September 2024 in Sachsen und Thüringen verfasst. Und vor diesem Hintergrund sind die in dem Beitrag zum Ausdruck gebrachten Sorgen darüber, was es bedeutet, dass in Deutschland Nazis heute wieder eine so unverhohlene Unterstützung aus der Gesellschaft bekommen, verständlich. Die Sorgen beziehen sich zwar vor allem auf die AfD, aber auch das autoritäre, putinfreundliche, antidemokratische BSW von Sahra Wagenknecht wird als besorgniserregend wahrgenommen.

Am 2. September hat das Tageblatt dann noch einmal Reaktionen von Politikerinnen und Politikern aus Luxemburg auf den Rechtsruck in Deutschland zusammengefasst: „Katastrophe, Schockmoment, Bestrafung“Luxemburger Politiker und die Resultate der AfD in Ostdeutschland.

Bereits am 30. August 2024 hatte Gaston Kirsche in der Luxemburger Zeitung woxx eine ausführliche Analyse zu den politischen Entwicklungen in Sachsen und Thüringen veröffentlicht: Wahlen in Ostdeutschland: Schiefe Bahn nach rechts. In den beiden ostdeutschen Bundesländern Thüringen und Sachsen finden am kommenden Sonntag Landtagswahlen statt. Sollte die rechtsextreme „Alternative für Deutschland“ so gut abschneiden wie prognostiziert, wären die gesellschaftlichen Folgen in ihrer Drastik kaum absehbar.

Auch im deutschsprachigen Teil Dänemarks wird die politische Entwicklung in Deutschland sehr genau verfolgt. Unter dem Titel „Landtagswahlen im Osten: Denkzettel der Unzufriedenen - und nun? Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ergeben ein unübersichtliches Bild. Das Regieren in den nächsten Jahren dürfte enorm kompliziert werden. Einen gemeinsamen Nenner gibt es dennoch.“ analysiert die deutschsprachige dänische Zeitung „Der Nordschleswiger“ die Ergebnisse und möglichen Folgen der Wahl vom Sonntag.

Für die Frankfurter Rundschaft hat Anne-Christine Merholz für die Frankfurter Rundschau eine Übersicht über internationale Reaktionen auf die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen zusammengefasst: Internationale Presse nach Sachsen- und Thüringen-Wahl: „Putin hat beunruhigenden Sieg errungen.“ Die Welt schaut hin, wenn in Deutschland gewählt wird. Von der New York Times bis zur NZZ, so ordnen die internationalen Zeitungen die Wahlen in Thüringen und Sachsen ein.

Es gibt allerdings auch aus Deutschland kritische Stimmen – ein Aufschrei aus Politik und Zivilgesellschaft ist allerdings ausgeblieben. Unter den kritischen Stimmen sind mir zwei besonders ausgefallen, die beide in der Frankfurter Rundschau nachzulesen sind. Zum einen hat der Vorsitzende der Linken in Hessen, Jakob Migenda, in einem Gastbeitrag dazu aufgerufen, einen Zaum um die Grundrechte zu errichten, um sie zu verteidigen: Nach dem Anschlag in Solingen: Baut einen Zaun um die Grundrechte! Die Verschärfung des Asylrechts hat das Potenzial, den Weg in eine Diktatur zu pflastern.

Und schließlich hat der Politik- und Kulturwissenschaftler und ehemalige Journalist Marc Raschke auf die Mitverantwortung der Medien, vor allem der öffentlich-rechtlichen, für den Erfolg der rechtsextremen AfD hingewiesen und eine Änderung ihres Umgangs mit rechtsextremen Parteien eingefordert. Dazu hat er auch Empfehlungen gegeben und auf den gänzlich anderen und klügeren Umgang der Medien in Belgien, vor allem in der französischsprachigen Region Wallonie, mit rechten Parteien verwiesen. Zwar gab es auch in Belgien bei den Wahlen am 9. Juni (in Belgien gab es zur Europawahl auch föderale und regionale Wahlen) eine – im Vergleich zur Bundesrepublik allerdings moderate – Verschiebung Richtung konservativer bis rechter Politik. Allerdings konnte durch die andere Art des medialen Umgangs mit rechtsextremen Parteien – das ist vor allem der Vlaams Belang im flämischen Landesteil – verhindert werden, dass der Vlaams Belang Einfluss auf die Regierungsbildung in Belgien bekommt. Dieser aus der Tastatur von Felicitas Breschendorf kommende Beitrag erschien am 3. September in der Frankfurter Rundschau unter dem Titel „Großes Versagen“ von ARD und ZDF? Auftritt von Höcke bei Thüringen-Wahl löst Diskussionen aus.

Update vom 05.09.2024

Die Frankfurter Rundschau hat ihre internationale Presseschau zu den Wahlergebnissen in Thüringen und Sachsen am 5. September noch ergänzt: „Der gefährlichste Mann Europas“: Höcke löst bei internationalen Medien Furcht aus. Die NSDAP hat ihren Aufstieg zur Macht von Thüringen aus begonnen. Nach Höckes Wahlsieg blicken ausländische Reporter mit Sorge auf ganz Deutschland. Von Laura May.

Am Tag zuvor, am 4. September, hat der Chefredakteuer des Tageblatt Lëtzebuerg, Armand Back, in einem Leitaritkel den Blick von Thüringen und Sachen Richtung Österreich ausgeweitet, denn dort droht bei den Parlamentswahlen in diesem September ebenfalls eine rechtsradikale Partei, die FPÖ, zur stärksten Partei zu werden. Armand Back schließt seinen Kommentar mit den Worten:

"Die jüngsten und die in Bälde zu erwartenden Erfolge der extremen Rechten gründen nicht darauf, dass sie besonders schlaue Ideen zum Beispiel bei der Migrationspolitik hätten. Sondern darauf, dass die Parteien der Mitte mittlerweile zu viel Vertrauen verspielt haben. Schlauer als erneut rechte Ideen zu kopieren und als eigene Politik zu verkaufen, wäre es, das verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen. Die Angst vor Fremden geht auch immer einher mit der Angst vor dem eigenen Abstieg – und Letztere wird, statt mit Hetze, am besten mit einer guten Wirtschafts- und Sozialpolitik bekämpft."

Hier der Link: Düstere Tage: Kommt nach dem Faschisten in Thüringen der „Volkskanzler“ in Österreich? Von Armand Back.

Wahlen in Ostdeutschland: „Katastrophe, Schockmoment, Bestrafung"

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Kommentare 4
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor 16 Tagen

    Ich bin anderer Meinung als Raschke. Wer noch zum politischen Kanon gehört, entscheiden besser Gerichte und nicht öffentlich finanzierte Journalist'innen glaube ich. Sie sollten halt ständig und umfassend darin trainiert werden, dass auf jeder Bühne jedem Zuschauer klar wird, warum Höcke als Nazi bezeichnet werden darf.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 16 Tagen

      Ja, das ist eine schwierige Frage. Ich habe ja den Wahlkampf in Belgien für den 9. Juni 2024 in den niederländischsprachigen Medien verfolgt. In den niederländischsprachigen Medien hat man Repräsentanten des rechtsextremen Vlaams Belang auch zu Gesprächsrunden eingeladen. Sie komplett auszuschließen, würde man in Belgien ohne Zweifel als undemokratisch empfinden.

      In Diskussionssendungen (ich nenne sie bewusst nicht Talkshows, die mir einfach zu trashig und sie entsprechen nicht dem Niveau den Sendungen zur Wahl, die in Belgien gesehen habe) zur Wahl wurden dann allerdings Vertreter:innen aller Parteien sehr genau danach befragt, wie sie sich ganz konkret die Umsetzung ihrer politischen Forderungen vorstellen und welche Konsequenzen das haben könnte. Dementsprechend haben die Sendungen sehr punktgenau zentrale Forderungen der Parteien vorgestellt, unter anderem mit kurzen Redeausschnitten aus Parlamentsreden.

      Außerdem waren in der Regel Zuschauer eingeladen, die dann auch Fragen an die Politiker:innen richten konnten. Und diese kleinen Gruppen von Zuschauer:innen haben die diverse belgische Gesellschaft gespiegelt. Da haben dann Belgier:innen mit Migrationshintergrund den Vorsitzenden des Vlaams Belang gesagt, dass sie als Migranten Angst vor seinen politischen Forderungen haben und wie sie sich denn die konkrete Umsetzung vorstellen sollten, ob sie dann damit rechnen müssten, des Landes verwiesen zu werden. Da viele Migranten einen belgischen Pass haben, sind sie auch Wahlberechtigt. Solche Fragen haben den Vorsitzenden des Vlaams Belang dann schon etwas "entzauber" und vermutlich dazu beigetragen, dass der Vlaams Belang nicht zur stärksten Partei in der Region Flandern wurde (der VB tritt ja nur in Flandern an).

      Journalist:innen waren zum Vorsitzenden des Vlaams Belang selbstverständlich genau so freundlich, wie zu allen andern Politiker:innen. Aber sie haben keine "Rumeierei" bei Antworten durchgehen lassen. Freundlich, aber bestimmt, haben sie konkrete Antworten verlangt.

      Und natürlich redet in den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen niemand mehr mit und über den Vlaams Belang. Er ist zweitstärkste Partei in Flandern. Aber niemand käme auf die Idee, mit dem VB über eine Koalition zu verhandeln. Und auch die Medien berichten jetzt auch kaum noch über den Vlaams Belang. Er spielt einfach keine Rolle in den Koalitionsverhandlungen. Aber hier, so finde ich, sind Medien schon gefragt: Nimmt eventuelle politische Provokationen auf und macht sie damit bekannt oder löscht man einfach solche Pressemitteilungen. In diesem Punkt verhalten sich belgische Medien nach meiner Wahrnehmung anders als deutsche. Sie verstehen sich als Teil des "cordon sanitaire" und geben dem Vlaams Belang keine unnötige Bühne.

    2. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 16 Tagen · bearbeitet vor 14 Tagen

      @Jürgen Klute ...ich kann da auch wirklich nur aus meinem Eindruck reden und ohne den geringsten Anspruch auf generelle Geltung. Zumal ich kaum Fernsehen schaue. Das hier habe ich angesehen und vielleicht zwei Anmerkungen.
      "Rumeiern" tun sie alle gerne - man siehe hier Linnemann ganz zu Beginn schon auf die Koalition mit BSW angesprochen. Und die Journalist'innen tun halt je nach Fähigkeit, was sie können, um trotzdem durchzudringen. Es hat halt eine andere Relevanz, wenn eine Partei gesichert rechtsextreme Gruppen und Individuen zu ihrem Kern zählt. Dann braucht man sehr gute vorbereitete Interviewer, die die Vertreter'innen dieser Parteien immer mit ihrem Populismus und ihrer Demokratiefeindlichkeit konfrontieren. Hier passiert das ziemlich gut, siehe z.B. 31:50, wo sehr schön klar wird, dass Weidel rechtliche unhaltbare Krassheiten rausgeblasen hat, die dieser Baumann schon nicht vertreten kann.

      Muss man sich halt fragen - geht es bei dem Gros der AfD Wähler überhaupt um Logik, oder eben um Emotionen? Wie sehr sind sie gewonnen mit Positionen und wie sehr mit Ängsten, Frust und dem Versprechen einfacher Lösungen?

      https://www.zdf.de/ber...

    3. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 16 Tagen

      @Marcus von Jordan Zum Thema Emotionen hat Maren Urner im Frühjahr 2024 ein ganzes Buch veröffentlicht: Radikal emotional – Wie Gefühle Politik machen. Vor einiger Zeit hat DER SPIEGEL mit ihr anlässlich ihres Buches ein Interview mit ihr veröffentlicht gehabt. Ihre deutlichste Kritik an Olaf Scholz ist sein Mangel an Emotionen. Nach Maren Urner ist deine Frage eindeutig mit Ja zu beantworten.

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