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Ein 90-Jähriger — mitten aus dem Leben gerissen! Andrzej Wajda ist tot + Einen Nachtrag

Achim Engelberg
schreibt, kuratiert, gibt heraus
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Achim EngelbergMontag, 10.10.2016

Trotz dem herausragenden Theatermann Tadeusz Kantor, trotz dem fabelhaften Komponisten Krzysztof Penderecki, trotz anderer famoser Künstler ist für mich Andrzej Wajda der charakteristische Künstler unseres Nachbarlandes. Zum einen, weil er viele in seinen Kosmos einlud: So verfilmte er DIE TOTE KLASSE, eine der wichtigen Theaterarbeiten Kantors, und Penderecki komponierte Musik für einen von Wajdas Filmen.

Vergleicht man ihn mit Filmkollegen, so ragt in einigen Arbeiten Krzysztof Kieslowski an ihn heran, aber das Gesamtwerk erschließt uns nicht in vergleichsweise Osteuropa — dafür starb Kieslowski viel zu früh. Das Oeuvre von Roman Polanski gehört viel stärker dem Weltkino an. Ein Meisterwerk wie CHINATOWN, das in Kalifornien spielt, wäre im Kosmos Wajda unmöglich gewesen.

Beim Tod eines 90-Jährigen kann man nicht sagen plötzlich und unerwartet, dennoch kam die Nachricht überraschend. Noch im September hatte Wajda seinen nun letzten Spielfilm vorgestellt, der als polnischer Beitrag für den Auslands-Oscar nominiert ist. In seinen letzten Interviews kritisierte er den Rechtsruck in Polen:

„Es gefällt mir nicht, dass eine Gruppe das Land so klar dominiert. Das ist doch keine Demokratie. Ich verstehe, dass unser Wahlsystem dazu geführt hat. Aber wir können nicht alle einer Gruppierung unterordnen, denn diese repräsentiert nicht die ganze Gesellschaft. Und wenn jemand anders denkt, dann heißt es: Ihr könnt doch ins Ausland gehen, wir wollen Euch hier nicht."

In seinem gewaltigen Werk - schon 1958 verfilmte er ASCHE UND DIAMANT von Jerzy Andrzejewski - spiegelt sich polnische und osteuropäische Geschichte. Mit seiner Zusammenarbeit mit zahlreichen Kollegen entstand ein Kosmos, ohne den man Osteuropa kaum verstehen und erfühlen kann.

Über wenige 90-Jährige kann man sagen, sie seien mitten aus dem Leben gerissen worden — bei Andrzej Wajda schon.

Neben den Nachruf von Deutschlandradio Kultur mit Links:

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1028175.befleckte-empfaengnis.html

Ein 90-Jähriger — mitten aus dem Leben gerissen! Andrzej Wajda ist tot
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