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Wie Ferda Ataman sich die Arbeit der ADS vorstellt

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteFreitag, 22.07.2022

Unmittelbar nach der Nominierung von Ferda Ataman zur neuen Leiterin der ADS durch die Bundesregierung startete eine rechtskonservative Kampagne mit dem Ziel, die Wahl von Ataman durch den Bundestag zu verhindern. In meinem piq „Mit alternativen Fakten gegen Ferda Ataman“ vom 06.07.2022 habe ich auf einen Artikel von Stephan Anpalagan, der die Anschuldigungen und Vorwürfe gegen Ataman einem nach dem anderen anhand von Zitaten von Ataman als falsch entlarvte.

Erfreulicherweise scheiterte diese Kampagne gegen Ataman. Am 7. Juli 2022 wählte der Bundestag sie zur neuen Leiterin der ADS – nachdem diese Funktion vier Jahre lang vakant war.

In einem Interview mit der taz, das Dinah Riese führte, nimmt Ataman nun zum einen Stellung zu dieser Kampagne gegen sie und zu den verleumderischen Vorwürfen. Sie zeigt sich in dem Interview weniger über die Vorwürfe und Behauptungen überrascht. Ataman:

Was mich überrascht hat: Viele Medien haben solche Behauptungen ungeprüft übernommen und kaum ein Journalist hat bei mir nachgefragt, was ich zu den Vorwürfen sage.

Das wirft kein gutes Licht auf die Qualität auch der so genannten Qualitätsmedien.

Zum anderen, und das macht dieses Interview für mich hier empfehlenswert, erläutert Ataman die vielfältigen Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle. Im Fokus steht nicht die Frage der Integration, sondern die Frage der Diskriminierung.

Die Bundesregierungen taten sich enorm schwer mit der Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU. Erst nach massivem Druck seitens der EU und nach Androhung von Strafzahlungen hat die Bundesregierung im letzten Moment 2006 die Richtlinie umgesetzt – auf dem denkbar niedrigsten Niveau. Verantwortlich für die verzögerte Umsetzung – das sei hier noch einmal erinnert – waren die Regierungen von Bundeskanzler Gerd Schröder. Verantwortlich für die minimalistische Umsetzung waren die folgenden vier Regierungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel – die Mehrzahl davon in Koalition mit der SPD.

Die grüne Familienministerin Lisa Paus, die Ferda Ataman als neue Leiterin der ADS vorgeschlagen hatte, will offenbar dieser insbesondere für die historisch diskriminierungslastige deutsche Gesellschaft wichtige Arbeit der ADS, die ihr gebührende Aufmerksamkeit und Rolle verschaffen. Über die dafür nötigen Erfahrungen, Kompetenzen und auch über die nötige Sensibilität für diese Arbeit verfügt Ataman – wie sie in diesem Interview zeigt.

Wie Ferda Ataman sich die Arbeit der ADS vorstellt

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Kommentare 4
  1. Pari Niemann
    Pari Niemann · vor mehr als 2 Jahre

    Das ist sehr interessant. Die deutsche Presse hat sich bisher kaum für ADS interessiert, nicht vor 2006 - sonst musste wohl jemandem aufgefallen sein, dass Deutschland viel zu spät dran war die EU -Richtlinie in das heimische Gesetzt zu integrieren- und nicht nach 2006, als Niemandem aufgefallen war, dass das Bundesesetzt beim Verstoß keine Sanktionen zuließ, also praktisch nutzlos ist. Nun, aber kommt eine gestandene und erfahrene Antidiskriminierungs-Expertin- und dazu noch selbst mit Migrationsbackround und auf einmal reagiert die deutsche Presse.
    Also, liebe Pressemenchen, Schaut genau hin und vorallem hört genau zu was diese Expertin sagt bevor Ihr reagiert.
    Ich wünsche Ferda Ataman viel Kranft und viel Erfolg für ihre Arbeit.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als 2 Jahre

      Ja, du triffst den Nagel auf den Kopf. Ich habe von der Widerständigkeit der damaligen Bundesregierung bezüglich der Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie auch nur deshalb erfahren, weil ich damals beruflich mit Integrations- und Diskriminierungsthemen befasst war und daher eingeladen war zu einer großen Konferenz, die die Haltung der Bundesregierung zu dieser EU-Richtlinie zum Thema hatte. Diese Konferenz fand 2004 oder 2005 in Bochum statt und wurde vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Evangelischen Kirche im Rheinland in Kooperation mit der damaligen NRW-Landesregierung durchgeführt. Auch diese Konferenz fand damals nur wenig mediale Resonanz. Hier ist noch viel aufzuarbeiten und auf Ferda Ataman wartet viel und eine schwierige Arbeit.

  2. Omar Adam Ayaita
    Omar Adam Ayaita · vor mehr als 2 Jahre

    Ganz wichtiger Beitrag. Ich arbeite als Wissenschaftler unter anderem in der Diskriminierungsforschung. Internationale Wissenschaftler*innen sind oft sehr überrascht, dass Deutschland erst 2006 Diskriminierung auf privaten Märkten gesetzlich verboten hat. Allzu oft herrschte - und herrscht - in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung die Auffassung vor, Diskriminierung sei Privatsache und in Ordnung. Die destruktiven gesellschaftlichen Wirkungen werden ignoriert, aus der Geschichte in dieser Hinsicht nicht ausreichend gelernt. Trotz Kritik aus UN und EU gibt es im deutschen Recht weiterhin Schlupflöcher, die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gesetzlich möglich machen. Das klingt dann zum Beispiel so: "Bei der Vermietung von Wohnraum ist eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig" (§19 Abs. 3 AGG).

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als 2 Jahre

      Ich denke, diese deutsche Reserviertheit gegenüber der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU hat viel mit der Entstehung Idee des deutschen Nationalstaats zu tun, die eng vervknüpft ist mit Antisemitismus und Rassismus. Das scheint hier nachzuwirken. Kommt hinzu, dass die Kirchen in Deutschland ein Sonderarbeitsrecht haben, das vom Kern her diskriminierend ist – es hat seine ideologischen Wurzeln im nationalsozialistischen Arbeitsrecht (Dienstgemeinschaft), das per se auf Diskriminierung ausgelegt war. Mit rund 1,5 Millionen beschäftigten in den Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden, für die allesamt das kirchliche Sonderarbeitsrecht gilt, gibt es einen großen gesellschaftlichen Akteur, der sich bis heute mit der EU-Richtlinie und EU-Recht schwer tut. Auch das ist von der deutschen Rechtsordnung ab gesichert.

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