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Klima und Wandel

Stefan Rahmstorf über das Risiko eines nahen Kollaps des AMOC

René Walter
Grafik-Designer, Blogger, Memetiker | goodinternet.substack.com

Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.

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René WalterMontag, 10.06.2024

Vor ein paar Tagen ging in meinen Timelines ein Tweet/Skeet/Tröt von Professor Stefan Rahmstorf halb-viral, in dem er neueste Diskussionen unter Klima-Experten anriss und andeutete, dass "35 bis 45% aller qualitativ hochwertigen Klimamodelle einen Kollaps des Wärmetransports der Nordatlantik-Ströme in den 2030er Jahren" prognostizieren.

Wenige Tage später postete er die hier gepickte Keynote von einem Workshop in Litauen, in dem er über sein neues Paper über die Kipppunkte der Atlantischen Umwälzströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) spricht und zu dem Schluss kommt, dass die Klimamodelle des IPCC die Wahrscheinlichkeit eines nahenden Zusammenbruchs des AMOC unterschätzen. Im Februar erschien eine vielbeachtete Studie, die zeigte, dass der AMOC tatsächlich Anzeichen eines Zusammenbruchs zeigt, und die Forscher berechneten eine Wahrscheinlichkeit dafür von 95% bis 2100. Die neuesten Diskussionen und die neuen Modellberechnungen verschärfen diese bereits katastrophale Prognose.

In diesem Kontext ist es hilfreich zu wissen, dass der IPCC und Klimaforschung im Allgemeinen zu konservativen Schätzungen neigen, einerseits um wissenschaftliche Konsensbildung zu vereinfachen, andererseits um Bevölkerung und Politik nicht in Aufruhr zu versetzen. Es stellt sich die Frage, ob Aufruhr angesichts einer Wahrscheinlichkeit von 35% für einen beginnenden Kollaps des AMOC in den 2030er Jahren nicht das Gebot der Stunde ist. 

Eine harte Konfrontation von Politik und Bevölkerung sähe circa so aus: Ab 2050 beginnt der AMOC mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% zu kollabieren. Innerhalb von 100 Jahren wird England zunehmend unbewohnbar und es gibt einen Temperaturabfall in Europa von bis zu 35°C, was arktische Temperaturen im Winter von Berlin bis Norwegen bedeutet mit selbstevidenten ökonomischen Folgen. Und das ist nicht die Zukunft irgendeiner anonymen Menschengeneration in hunderten von Jahren, sondern die Zukunft unserer Enkelkinder. Und sie wird so eintreten, wenn wir nicht sofort Maßnahmen ergreifen.

Es ist Zeit, den konservativen Eiertanz und die Rücksichtnahme des IPCC auf die Befindlichkeiten rechts-konservativer Schneeflockenpolitiker zu beenden und den Menschen klarzumachen was auf dem Spiel steht -- und wer dafür die Verantwortung trägt.

Stefan Rahmstorf über das Risiko eines nahen Kollaps des AMOC

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Kommentare 9
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor 7 Monaten

    Ist ein Temperaturabfall von 35 Grad in Europa in einer sich überhitzenden Welt ein wahrscheinliches Szenario? ...klingt irgendwie widersinnig.

    1. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor 7 Monaten · bearbeitet vor 7 Monaten

      Ich bin nicht vom Fach, aber die Klimabedingungen unterscheiden sich ja auch jetzt zT sehr stark, je nach Region. Die Meeresströmungen haben einen starken Einfluss auf lokales Klima, es gibt weitere. Das Erschreckende an Rahmstorfs Erkenntnissen ist, dass sie auf Modellen beruhen, die ein neues Level von Qualität erreicht haben. Und alle Modelle, die mit genaueren Daten als bisher und mithilfe von KI Szenarien berechnen, kommen zu einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit für Worst-Case-Szenarien. Eins davon: Kipppunkte. Und zusätzlich: das Datum für Kipppunkte könnte deutlich früher eintreffen.
      Wenn AMOC schon jetzt 15% langsamer geworden ist und die Frage nicht beantwortet werden kann, ab wie viel Prozent Verlangsamung Amoc stoppt, gleichzeitig aber genauere Modelle sagen: wahrscheinlich früher als gedacht, ist es viellicht nicht mehr so entscheidend, ob die Temperatur um 35 Grad oder 25 Grad innerhalb weniger Dekaden fällt. Das Entscheidende ist, dass der Rest der Welt sich weiter erhitzt und die Luftmassengrenze ziemlich direkt über Mitteleuropa verlaufen wird.
      Starke Temperaturunterschiede an Luftmassengrenzen sind hier das größte Problem. Die Hochwasserereignisse der letzten Jahre sind da offenbar noch nicht mal ein Vorgeschmack. Es geht dann um ganz andere Phänomene.

      Ich fühle das im Moment so ähnlich wie damals, als es mit der Pandemie losging und Wissenschaftler:innen anfingen zu sagen: Wir erreichen einen Punkt, an dem man die Bevölkerung warnen muss. Wie es dann weiterging, ist bekannt. Mit dieser Erfahrung im Nacken weiß ich überhaupt nicht, wie eine angemessene Warnung vor diesen Szenarien aussehen könnte.

    2. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 7 Monaten

      @Silke Jäger Lähmend.
      Ich verstehe auch das Wegschauen. Was soll der die Einzeln'e sonst auch tun. Man kann kaum weitermachen mit irgendwas. Habe wirklich den größten Respekt vor den Menschen, die sich so anhaltend damit befassen und darüber berichten...

    3. Silke Jäger
      Silke Jäger · vor 7 Monaten

      @Marcus von Jordan Lähmend trifft es.

  2. Joachim Sonnen
    Joachim Sonnen · vor 7 Monaten

    Das Schlimme daran ist: zu wenige Entscheidungsträger werden dieses Szenario glauben. Es wird folgendes passieren: Rahmsdorf wird für einen "typisch alarmistischen" Wissenschaftler gehalten werden der eine Einzelmeinung vertritt. Es wird nichts passieren, weil kein Politiker seine Wähler riskieren will. Und ich fürchte es wird so kommen wie beschrieben. Und dann sind wir es hier in Europa, die in anderen Teilen der Welt Zuflucht suchen - und keine bekommen werden.

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 7 Monaten

      Rahmstorf (und das PIK) wird von Kollegen schon lange für alarmistisch gehalten. Z.B. von Bjorn Stevens, Direktor am MPI für Meteorologie Hamburg:

      ZEIT: Warum behaupten die Potsdamer Klimaforscher etwas anderes?
      Stevens: Das müssen Sie sie fragen. Ich kann nur bewundern, wie die Kollegen dort die Fachliteratur nach den alarmierendsten Geschichten durchforsten. Ich finde es schade, dass diese dann unkritisch präsentiert werden.

      ZEIT: Das Szenario ist also falsch?
      Stevens: Ja. Es basiert auf einer aus dem Zusammenhang gerissenen Arbeit unseres Instituts und auf einem zweiten Paper, das zahlreiche Mängel hat.

      "ZEIT: Welche Mängel?
      Stevens: Das dramatische Verhalten des Klimas in dieser Simulation beruhte auf einer groben Vereinfachung der Wolken, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Wenn man genau hinschaut, halten die alarmierendsten Geschichten einer wissenschaftlichen Überprüfung oft nicht stand.

      ZEIT:Meinen Sie auch Kipppunkt-Prognosen, wie die zum Abschmelzen des Antarktis-Eises, zum Kollaps des Golfstroms und zur Versteppung des Amazonas-Regenwalds?
      Stevens:Ja, und die meisten anderen. Natürlich wird sich die Welt durch die globale Erwärmung verändern, in einigen Regionen auch dramatischer. Aber wie, wo und wann, ist noch alles andere als sicher.

      ZEIT:Im deutschen Klimadiskurs warnt das PIK meist vor Tipping-Points, während Ihr Institut die Gefahr von Kipppunkten eher herunterspielt. ……
      Stevens:Kipppunkte sind faszinierend, und es ist gut möglich, dass es sie gibt. Aber sie sind auch eine Frage der Definition. Woran denken Sie beim Wort Tipping-Point?

      ZEIT:An eine sich selbst verstärkende Rückkopplung, die unumkehrbar ist.
      Stevens:Eine sich beschleunigende Veränderung, die man nicht rückgängig machen kann, richtig. Wie ein Bleistift, der herunterfällt. Er kann nicht wieder von selbst nach oben fallen. Aber die Tipping-Points, die mein Kollege … Schellnhuber u.a. am PIK hervorheben, basieren auf ihrer privaten, viel schwächeren Definition. Da werden Tipping-Points umgedeutet, sodass auch weniger abrupte oder sogar umkehrbare Klimaveränderungen darunterfallen. Mit dieser Neudefinition finden sie Kipppunkte überall. Dann ist Daueralarm. Mein Institut verharmlost Kipppunkte nicht, wir legen nur mehr Wert auf Klarheit.

      ZEIT:Beneiden Sie das Potsdam-Institut um seine Medienpräsenz?
      Stevens:Wer würde nicht gerne interessant sein? Leider bevorzugen die Menschen Geschichten über den Weltuntergang. Davon verstehe ich nicht viel.

      ZEIT:Wollen Sie damit sagen, dass die globale Erwärmung kein Problem ist?
      Stevens:Sie ist ein Riesenproblem, auch weil wir so wenig über ihre tatsächlichen Auswirkungen wissen. Ob und wo biblische Dürren und Überschwemmungen auftreten werden, ist laut IPCC für fast alle Regionen ungewiss.

      ZEIT:Stefan Rahmstorf vom PIK vergleicht sich mit einem Arzt, der herausgefunden hat, dass Rauchen gefährlich ist, und jetzt die Menschen dazu aufrufen müsse, damit aufzuhören.
      Stevens:Als Wissenschaftler erkläre ich den Leuten gerne, wie die Dinge, von denen ich etwas verstehe, funktionieren. Aber was qualifiziert mich, ihnen zu sagen, wie sie sich verhalten sollen? Das muss der gesellschaftliche Diskurs ergeben, der mehr von gutem Journalismus als von charismatischen Wissenschaftlern geprägt sein sollte. Wenn die Menschen nicht lernen, selbst zu denken, sind wir sowieso verloren." Quelle: DIE ZEIT

    2. Thomas Wahl
    3. Joachim Sonnen
      Joachim Sonnen · vor 7 Monaten

      @Thomas Wahl Hm, das Interview mit Stevens ist von Okt. 22, der Vortag von Rahmstorf von Feb. 24, worauf hat Stevens denn seine Erwiderung geschrieben ?
      Rahmstorf spricht doch davon, dass die Ergebnisse neu sind auch für ihn selbst. Soweit ich es verstehe befasst sich Stevens mit Haufenwolken, weniger mit dem AMOC.

      Für Laien ist es schon schwer die ganze wissenschaftliche Literatur sowohl zu lesen, zu verstehen, als auch auf ihre Solidität zu bewerten.
      Der Artikel, auf den sich Rahmstorf bezieht ist aus "Science Advances", klingt erst mal seriös für mich.

      Ist keine ganz leichte Lektüre, wenn ich's richtig verstehe werden die bekannte Meßdaten in Simulationen "reingekippt" und als Ergebnis sollen Warnsignale für den Kollaps vom AMOC rauskommen. Dafür scheint es vermehrt Hinweise zu geben. Ich habe verstanden, dass es unstrittig ist, dass der Kollabs des AMOC einen Kipppunkt darstellt.

      Die Folgen, über die im Vortrag von Rahmstorf gesprochen wurde, sind in jedem Fall unerfreulich für Europa, es ist nachvollziehbar, Extremwetter mit Tendenz zu sehr kalt.

      Vor über 20 Jahren hatte ich mal im Geo-Magazin einen Artikel gelesen, in dem genau diese Szenario schon mal beschrieben wurde - leider habe ich die Hefte beim letzten Umzug entsorgt.

      Generell mal die Frage: gibt es vielleicht irgendwo eine Liste mit dem Ranking der Zuverlässigkeit von wissenschaftlichen Instituten und Medien ?

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 7 Monaten · bearbeitet vor 7 Monaten

      @Joachim Sonnen Es geht mir hier doch nicht um die Bewertung der Inhalte. Das wird sich im weiteren Prozess der Wissenschaft klären. Sondern es geht um den (berechtigten) in Kollegenkreisen erhobenen Alarmismusvorwurf gegenüber R. und um diesen Satz: "Stevens: Das müssen Sie sie fragen. Ich kann nur bewundern, wie die Kollegen dort die Fachliteratur nach den alarmierendsten Geschichten durchforsten. Ich finde es schade, dass diese dann unkritisch präsentiert werden." Also auch darum, dass Wissenschaftler die aktuellen Grenzen ihres Wissens, die Ungewissheit erkennen und kommunizieren. Wissenschaft ist ein offener, komplexer sozialer Prozess ohne letztendliche Gewissheiten, Wissenschaftler sind Menschen mit Eitelkeiten und Schwächen, jedenfalls keine rationalen Rechenmaschinen. Auch Rahmstorf ….. Sie interpretieren, werten, definieren verschieden (was ein Kipppunkt z.B. sein soll) sehen sich in unterschiedlichen sozialen Funktionen etc.. Es gibt in dem Sinne keine reinen Fakten. So kommen dann sehr unterschiedliche Szenarien zustande. Von denen in den Medien dann meist die beängstigendsten unkritisch verbreitet werden. In D die von Rahmstorf&Co., was auch ihre große Medienpräsenz erklärt. Sie liefern zuverläßlich Hype. Von den Kritiken der anderen Forscher hört man wenig. Und keiner von uns kann das natürlich selbst nachvollziehen. Aber wir sollten es wissen. Im Angstmodus entscheidet man i.d.R. schlecht.

      Was daraus in der Wirklichkeit folgt ist letztlich noch komplexer als die jeweilige Fachwissenschaft. Hängt von Entscheidungen ab in unseren Gesellschaften. Darüber wissen wir noch weniger, die Modelle sind noch viel weniger entwickelt.

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