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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Daniel Cohn-Bendit ist immer für eine dezidierte Meinung gut und natürlich ein exzellenter Kenner Frankreichs und Europas. Auch Macron kennt er persönlich, sie sprechen aber seit zwei Jahren nicht mehr mit einander. Für Cohn-Bendit ist die
ganze Sache total verrückt …. Macron hat nach der verlorenen EU-Wahl das Parlament aufgelöst, ein Wahnsinn. Ich gebe Ihnen ein Bild, das Sie als Schweizerin sicher gut verstehen. Der französische Staatspräsident kommt mir vor wie ein Tourenskifahrer. Und was hält er in der Hand? Eine Stange Dynamit. Diese wirft er in einen Schneehang, vor dem ein Schild warnt: Lawine möglich. Frankreich betritt unsicheres Terrain. Die Auseinandersetzung, in die Macron die Franzosen zwingt, rüttelt an den Grundfesten der Fünften Republik – und das so kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele. Wahnwitziger kann man nicht sein.
Sicher, möglicherweise verhilft er damit, zumindest vorzeitig, dem rechten Macht Rassemblement National (RN) zur Macht. Das Kalkül könnte sein, dass sich die extreme Rechte, einmal an der Macht, als regierungsunfähig erweist. Cohn-Bendit dazu:
Könnte sein, dass sich die extreme Rechte entzaubert. Aber das ist doch kein Spiel!
Nun ist spieltheoretisch jede Politik ein Spiel und zwar ein sehr komplexes. Mit offenem Ausgang. Wie gut man spielt hängt auch von der realitätsnahen, rationalen Beurteilung der Gegenspieler ab. Cohn-Bendit meint zur Strategie Melonis in Italien und dann auch für Le Pen in Frankreich:
… aber als langfristiges Ziel strebt Meloni doch an, was Orban in Ungarn getan hat: die Grundlagen bereiten für eine illiberale Demokratie. Die EU bekämpft Meloni nicht, weil sie das Geld aus Brüssel braucht. Le Pen wird sich da ähnlich verhalten, falls sie 2027 zur Präsidentin gewählt werden sollte. Auch sie will eine illiberale Demokratie, das heisst eine Diktatur der Mehrheit. Der Rechtsstaat wird ausgehöhlt. Das RN warnt ständig vor Fremden. Absurde Vorschläge machen die Runde.
Stellt sich die Frage, wie etwa Macron auf Dauer demokratisch gegen eine Mehrheit regieren könnte? Also ist diese Einschätzung ein ideologisches Vorurteil oder ist es rational? Was Cohn Bendit dann als Beispiel eines absurden Vorschlag anführt:
Parteipräsident Jordan Bardella will verhindern, dass Franzosen mit zwei Pässen künftig relevante Staatsposten besetzen können. Dahinter steckt die Botschaft: Wer kein Biofranzose ist, ist nicht vertrauenswürdig.
charakterisiert m.E. eher Cohn-Bendits Vorurteile als die Kenntnis des politischen Spieles. Bardella weiß sicher, dass die Abgabe einer zweiten Staatsbürgerschaft einen Bürger mit Migrationshintergrund nicht zum Biofranzosen macht. Aber ihm ist sicher bewußt, dass dieser Vorschlag seine Gegner zur Weißglut bringt und ihm Wählerstimmen. Ich bin mir auch nicht sicher ob das Programm des RN wirklich eine komplette Fata Morgana ist. Es stimmt
Es ist im Grunde ein nationalistisch-sozialistisches Programm. Endlich wieder Ordnung im Land, weniger Migranten und schon gar keine illegalen. Zudem die Rente wieder mit 62 Jahren oder früher.
Klar ist, der RN will ein Europa, dass mehr auf ein Bündnis der Nationen ausgerichtet ist. Aber was daran wäre eine Fata Morgana? Sehen es doch die linkeren Parteien als eine reale Gefahr. Und viele Wähler als eine bessere Lösung. Wahr ist auch: das Programm der französischen Linken ist nicht weniger utopisch, eher mehr. Cohn-Bendit:
Brauchst du was, kriegst du was – auch das eine Fata Morgana. Die Wähler sind emotional herausgefordert. Und in der Mitte sind die Leute, die zum Lager des Präsidenten gehören, der schlicht versagt hat.
Zwar habe Emmanuel Macron
die unglaubliche Begabung, eine politische Situation zu erfassen und seine Analyse in Realpolitik zu giessen. Dieser Mann ist aber gleichzeitig unfähig, mit seinem Gegenüber im Austausch zu bleiben und Widersprüche auszuhalten. Macron glaubt, dass er alles besser weiss und dass das, was er für richtig hält, auch richtig ist. Das hat ihn in den letzten Jahren isoliert.
Auch der SPIEGEL fragt in seinem Leitartikel, was Macron zu seinem Schritt bewogen hat:
Die Frage war, was wollt ihr, wer soll dieses Land regieren? Um das zu beantworten, habe ich den Franzosen die Stimme erteilt.« Es sei nicht gut, wenn das Gegrummel und die Wut der Unzufriedenen nur in den Kulissen stattfinde, so Macron. »Das Ergebnis am Abend des zweiten Wahlgangs wird deshalb nicht die Schuld eines Einzelnen sein, die Franzosen und Französinnen selbst werden es zu verantworten haben.« Allein dieser Satz ist für viele Franzosen eine Frechheit, aber er offenbart einen Einblick in die derzeitige Verfasstheit des Präsidenten. Man könnte ihn übersetzen mit: Das habt ihr nun davon.
Es mag sein, dass viele Franzosen diesen Satz als Frechheit empfinden. Aber was wäre das für eine Demokratie, in der das Volk keine Verantwortung für sein Wahlverhalten trägt? Und sicher ist richtig, wenn der SPIEGEL sagt:
Ohne Macron und seine einsame Entscheidung, nach den Europawahlen das Parlament aufzulösen, würde es keine neue Abstimmung geben. Und es gäbe nicht die politische Krise, die das Land erfasst hat und von der noch niemand sagen kann, wie gravierend sie sich auswirken wird.
Aber im Grunde würde die Krise nur hinausgezögert. Und die Chance der schnellen Entzauberung des RN vor der nächsten Präsidentschaftswahl vertan.
Wie schlimm kann es werden? Kommt europaweit ein neuer Faschismus oder behält Sloterdijk recht:
Die nationalen Akzente, die wir vor Augen haben, sind nicht mit den Nationalismen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu vergleichen. Wir haben es vor allem mit defensiven Regungen zu tun – heute geht es um Fremdenabwehr, Verlustangst, Sorge vor dem Abstieg und Ressentiment gegen die mobilen Eliten, die von der Modernität und Multinationalität profitieren. Der neue Nationalismus, wenn man das Syndrom wirklich so nennen will, hat keine expansive Komponente, er ist nicht imperial orientiert. Das unterscheidet ihn radikal von den Nationalismen des späteren 19. Jahrhunderts, die allesamt einen imperialistischen Zug hatten – man denke daran, dass selbst das kleine Belgien, diese 1830 erfundene synthetische Nation, seinen Teil an der afrikanischen Beute haben wollte. Alle europäischen Nationen von 1900 traten zugleich als Imperien auf. Davon kann heute keine Rede sein. Die Zeichen stehen eher auf Rückzug – es gibt in Italien und Frankreich genug neu-patriotische Hohlköpfe, die am liebsten auch aus der EU austreten wollten, um ganz unter sich zu sein. Die Briten sind tatsächlich ausgestiegen. Auch der Faschismusbegriff, den manche Linke wieder hervorkramen, um etwas zu haben, wogegen sie sein können, läuft heute ins Leere.
Sloterdijk geht jedenfalls davon aus, dass die EU weiter existieren wird. Sie sei solide institutionalisiert, und werde auch separatistische Tendenzen überstehen.
Am Ende würde auch eine neu-rechte Regierung in Frankreich niemals die EU verlassen. Man trägt zwar antieuropäische Parolen vor, könnte aber keine antieuropäische Politik machen, weil man viel zu abhängig ist von europäischen Verflechtungen. Die EU wird weiterhin mehr oder weniger solide existieren, aber der Euro könnte durch eine törichte Rechte an Wert verlieren.
Zurück zu Cohn-Bendits Sicht auf die heutige Gesellschaften und ihre Politik, von der er sagt:
Wir leben in verrückten Gesellschaften, wo Objektivität offenbar nichts mehr gilt. Vor rund zwei Jahren fragte mich eine Zeitschrift, ob ich einen Text über Utopie schreiben wolle zusammen mit meinem Freund, dem Politikwissenschafter Claus Leggewie. Wir haben uns gefragt, was in der Politik von heute denn eigentlich noch eine Utopie ist.
Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?
Zu einem ernüchternden. Die eigentliche Utopie heute ist schlicht der Wunsch nach einer rationalen Politik. So weit sind wir davon entfernt.
Das ist nicht ganz falsch. Aber wäre Cohn-Bendit ein rationalerer Politiker?
Quelle: Erika Burri Bild: Christophe Petit ... www.nzz.ch
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Hieran sieht man wie sehr man sich irren kann und wie überraschend die Wähler in F agiert haben.
Es geht weiter:
"Für Deutschland bedeutet das Ergebnis, dass die EU-feindlichen Kräfte eine deutliche Mehrheit in Frankreich bilden. Knapp zwanzig Jahre nach dem Nein zum europäischen Verfassungsvertrag knüpft das Land an eine europafeindliche Grundstimmung an. Am 29. Mai 2005 hatten knapp 55 Prozent der Franzosen Nein zu einer Vertiefung der EU gesagt. Nicht nur der RN will jetzt weitere Integrationsschritte verhindern und den EU-Erweiterungsprozess mit der Ukraine und Moldau beenden. Auch die Linkspartei LFI hat sich auf die Fahnen geschrieben, die EU-Verträge infrage zu stellen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es in der nächsten Nationalversammlung keine Mehrheit für die Ratifizierung von Freihandelsverträgen wie Mercosur geben wird.
Aus dem Élysée-Palast war am Montag zu vernehmen, der Präsident bereite sich auf eine „kämpferische Kohabitation“ vor. Frankreich hat es bislang dreimal erlebt, dass der Präsident mit einer oppositionellen Regierung über die Geschicke der Nation bestimmte. Doch es gab einen erheblichen Unterschied. Die damaligen Präsidenten konnten die Monate der relativen Machtbeschränkung mit der Perspektive über sich ergehen lassen, beim nächsten Wahltermin die Pattsituation aufzulösen. Macron hat diese Möglichkeit seit einer Verfassungsänderung nicht mehr. Er kann 2027 nicht wieder kandidieren.
Zudem waren sich Sozialisten und Neogaullisten von 1986 bis 1988, von 1993 bis 1995 und wieder von 1997 bis 2002 bei den außen- und sicherheitspolitischen Weichenstellungen überwiegend einig. Doch eine Kohabitation mit dem RN könnte Macrons Kurs gefährden, heißt es im Élysée. Das gilt insbesondere mit Blick auf den Ukrainekrieg. Bardella hat zwar angekündigt, die Waffenlieferungen fortsetzen zu wollen. Aber er will die Lieferung von Mittel- und Langstreckenwaffen beenden, mit denen Ziele auf russischem Boden getroffen werden könnten. Außerdem hat er den Franzosen versprochen, keine Soldaten, auch nicht zu Ausbildungszwecken, in die Ukraine zu entsenden."
https://www.faz.net/ak...
Die Rechtsextremen bis faschistischen/nationalsozialistischen Parteien in der EU wollen zwar die ökonomischen Vorteile der EU beibehalten, aber die politische Integration und die rechtsstaatlichen und demokratischen Grundlagen der EU zurückdrehen. Dabei übersehen sie, dass die ökonomische Integration nur deshalb funktioniert, weil sie mit der politischen Integration verzahnt ist und weil die EU auf der Grundlage von Menschenrechten und Minderheitenschutz arbeitet, ohne die eine politische Integration nicht möglich wäre. Das sind die Lehren aus dem nationalsozialistischem Rassismus.
Schon der Kohle- und Stahlvertrag war mit einer politischen Integration verknüpft. Neben der "Hohe Behörde", die für die Umsetzung des Vertrags verantwortlich war und aus der 1967 die EU-Kommission entstand, gab es den "Besonderen Ministerrat", den Vorläufer des Rates der EU, und die "Gemeinsame Versammlung", dem Vorläufer es Europäischen Parlaments, die die ökonomische Integration politische gestaltet und kontrolliert haben.
Ein Zurückdrehen der politischen Integration wird daher m.E. zwangsläufig negative Auswirkungen auf die ökonomische Integration haben. Aber daran hängt eben die Zivilisierung des Interessenausgleichs zwischen den EU-Mitgliedern. Das scheinen die Rechtsextremen nicht zu begreifen. Und genau deshalb sind sie hoch gefährlich und für die europäische Demokratie zerstörerisch.
M.E. ist deshalb auch der deutsche Versuch, Russland durch Handel zu wandeln (Wandel durch Handel) misslungen, weil es ohne politische Integration nicht zu einer ökonomischen Integration kommen konnte – ohne politische Integration ist es allein zu einseitigen ökonomischen Abhängigkeiten gekommen.
Noch eine Anmerkung zu Sloterdijk, der Belgien als eine "1830 erfundene synthetische Nation" bezeichnet. 1830 gab es Deutschland noch nicht einmal. Deutschland ist ein viel synthetischeres, jüngeres und weitaus instabileres Konstrukt als Belgien. Auf dem Denkmal des belgischen Staatsgründer Charles Rogier in Brüssel auf dem Place de la Liberté nahe der Metrostation Madou wird daran erinnert, das er 1864 den ersten Freihandelsvertrag initiierte. Unter den auf dem Denkmal in französischer Sprache aufgelisteten Staaten findet sich die Bezeichnung "Le Zollverein". 1864 gab es noch kein Deutschland, deshalb "Le Zollverein". Erst 1871 wurde es nach mehreren Kriegen mehr oder weniger gewalttätig in Versailles zusammengestückelt – und hielt in seiner ersten Version nicht einmal 50 Jahre. Danach hat es sich noch einige Male verändert und den Rest Europas in Abgründe gestürzt. Kein anderer europäischer Staat ist instabiler als das Gebilde, das unter dem Etikett "Deutschland" verhandelt wird. Nur im Vergleich: Belgien ist eine der ältesten und stabilsten Demokratien Europas, die sich kontinuierlich aus sich selbst heraus bis heute weiterentwickelt. Und Belgien kennt keine Phasen von Diktatur und Gewaltherrschaft wie Deutschland. Auch was Sloterdijk zum belgischen Kolonialismus schreibt ist ungenau: Die afrikanischen Kolonien waren bis 1908 Privateigentum von König Leopold dem II, weil die belgische Regierung und das belgische Parlament keine Kolonien wollten. Erst auf internationalen Druck hat der belgische Staat 1908 die Kolonien übernommen, um die dortigen Zustände zumindest etwas zu verbessern. Und die Aufarbeitung der Kolonialzeit läuft in Belgien ebenfalls deutlich besser als in Deutschland. Das sollte man im Blick behalten, wenn man als Deutscher über Belgien spricht.
So sieht es nach dem ersten Wahlgang aus:
"Wie erwartet landete das RN mit seinen Verbündeten in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich mit 33 bis 34,2 Prozent vorne. Damit könnten die Rechtspopulisten Prognosen zufolge im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden. An der absoluten Mehrheit mit 289 Sitzen schrammen sie aber womöglich knapp vorbei.
Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron landete demnach mit 20,7 bis 22 Prozent auf Platz drei hinter dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire mit 28,1 bis 29,1 Prozent. Die Linken könnten auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken."
https://www.welt.de/po...