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Fundstücke

Russlands Verbindungen in den Sudan

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteFreitag, 21.04.2023

Am 18. April 2023 berichtete die kleine, aber renommierte niederländischsprachige belgische Tageszeitung „De Morgen“, dass die russische Söldnerfirma Wagner-Gruppe von Jewgeni Prigoschin auch bei den aktuellen bewaffneten Auseinandersetzungen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum ihre Finger im Spiel hat. Der Artikel enthält eine Reihe interessanter Details, auf die ich bisher in deutschsprachigen Leitmedien so noch nicht gestoßen bin. Deshalb will ich hier auf diesen Artikel hinweisen. Da er in Niederländisch verfasst ist, habe ich den Inhalt im Folgenden auf Deutsch referiert. Der Autor Bruno Struys hat dieser Art der Wiedergabe und Veröffentlichung hier auf piqd freundlicherweise zugestimmt.

Die Zeitung schreibt, dass einige Tage vor dem Ausbruch der Gefechte zwischen der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) und der sudanesischen Armee aus Justiz-Kreisen des Landes bekannt wurde, dass die sudanesische Justiz den Sicherheitschef des Bergbauunternehmens Al Sawlaj ins Visier genommen hat. Neben den knapp 100 Toten vom letzten Samstag (15. April), so das Blatt, erscheine diese Nachricht zunächst eher nebensächlich. Allerdings, so „De Morgen“ weiter, sei der Sicherheitschef der Goldmine russischer Staatsbürger und hinter dem Namen der Mine „Al Sawlaj“ verberge sich das Unternehmen „Meroe Gold“, das erst kürzlich in „Al Sawlaj“ umbenannt wurde. Eigentümer dieses Bergbauunternehmens sei die Wagner-Gruppe.

Weiter heißt es in dem Artikel, dass die RSF, die von Mohamed Hamdan Dagalo, auch bekannt unter dem Namen Hemedtie, kontrolliert wird, nicht nur gute Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten unterhält, sondern ebenso zur Wagner-Gruppe, die bekanntermaßen nicht nur in der Ukraine, sondern ebenso im Mittleren Osten sowie in Mali und der Zentralafrikanischen Republik aktiv ist.

Weiter schreibt „De Morgen“, dass die Wagner-Gruppe schon vor dem Putsch von 2019 gegen den früheren Diktator Omar al-Bashir begann, sich Einfluss im Sudan zu verschaffen – allerdings sehr verdeckt und hintergründig. Ziel sei es gewesen, den politisch unruhigen Sudan als Waffen-Hub zu nutzen, um Waffenlieferungen in die Zentralafrikanische Republik zu leiten. Im August 2018 habe der damalige sudanesische Diktator Omar al-Bashir ein beachtenswertes Geschäft mit der Wagner-Gruppe abgeschlossen: den Erwerb der Goldmine „Meroe Gold“ durch die russische Söldnerfirma.

Der Sudan, heißt es weiter, sei nach Ghana und Südafrika der größte Goldproduzent auf dem afrikanischen Kontinent. Gewöhnlich müssten ausländische Bergbauunternehmen den sudanesischen Staat mit 30 Prozent an den Bergbaubetrieben beteiligen, damit auch der Sudan von Bodenschätzen profitiert. Wie „De Morgen“ berichtet, bekam „Meroe Gold“ Schürfrechte für drei sudanesische Regionen, in denen Gold gewonnen wird. Zudem wurde die Wagner-Gruppe von der Verpflichtung freigestellt, den sudanesischen Staat mit 30 Prozent an dem Unternehmen „Meroe Gold“ zu beteiligen. Nach Angaben der investigativen Journalistengruppe OCCRP (https://www.occrp.org/en), so „De Morgen“ weiter, bezahlt der Mutterkonzern von „Meroe Gold“, „M Invest“, Millionen Dollar an einen Betrieb des sudanesischen Militärgeheimdienstes. Im Gegenzug habe „M Invest“ Visa und Waffen für sein russisches Personal im Sudan erhalten.

Die Wagner-Gruppe habe so in den letzten Jahren Gold im Wert von mehreren Milliarden Dollar aus dem Sudan geholt. Im letzten Sommer sei die Rede davon gewesen, dass in den letzten anderthalb Jahren mindestens 16 Schmuggelflüge nach Russland gegangen seine. Die Schmuggelflüge seien jedoch nicht auf direktem Wege nach Russland gegangen, sondern von Port Sudan nach Latakia in Syrien, wo Russland eine Militärbasis unterhält. Auf diese Weise finanziere die Wagner-Gruppe ihren Einsatz im Krieg gegen die Ukraine. Laut einer Recherche von CNN operiere „Meroe Gold“ in der Umgebung der sudanesischen Stadt Al-Ibaidiya nun unter dem Namen „Al Sawlaj“, nachdem die USA „Meroe Gold“ zunehmend ins Visier genommen haben. Seit Ende Februar 2023 – drei Jahre nach den USA – habe nun auch die EU das Unternehmen auf eine Sanktionsliste gesetzt. „De Morgen“ wörtlich:

"Meroe Gold ist eine Fassade für die Aktivitäten der Wagner-Gruppe im Sudan", heißt es in der Sanktionsliste. "Sie ist eng mit Jewgeni Prigoschin verbunden. Durch seine Verbindungen zur sudanesischen Armee sicherte sich die Wagner-Gruppe die Ausbeutung und den Export von sudanesischem Gold nach Russland".

Abschließend resümiert „De Morgen“, dass es derzeit noch keine Belege dafür gebe, dass die Wagner-Gruppe in die Gefechte, die am letzten Samstag ausgebrochen sind, involviert ist. Die Wagner-Gruppe sei vor allem daran interessiert, dass die Goldgeschäfte weiterlaufen. Auch sei es nicht sicher, dass es eine Beziehung zwischen dem Konflikt und den gerichtlichen Untersuchungen gäbe, aber das „Timing“ sei doch auffallend. Von 58 Angestellten des Unternehmens „Al Sawlaj/Meroe Gold“, die Anfang dieses Jahres in Zusammenhang mit dem Goldschmuggel verhört wurden, haben 35 die russische Staatsangehörigkeit. Drei von ihnen seinen mittlerweile verhaftet worden, darunter der Sicherheitschef.

Allerdings, schreibt „De Morgen“ weiter, könnte es sich auch ganz anders verhalten. Der französische Nachrichtendienst „Jeune Afrique“ habe berichtet, dass aus diplomatischen Quellen auch zu hören sei, dass es sich bei den Gefechten im Sudan um einen US-amerikanischen Versuch handeln könnte, die Wagner-Gruppe von ihren sudanesischen Einnahmequellen abzuschneiden. Urheber dieses Plans könnte durchaus der CIA-Chef William Burns sein. "Das ist Burns’ Markenzeichen: den Einfluss Wagners zu verringern und eine zweite Front des Krieges in der Ukraine in Afrika zu eröffnen“, wird die diplomatische Quelle zitiert.

Anfang Februar, rundet „De Morgen“ seinen Artikel ab, hat der russische Außenminister Lavrov bei einem Besuch in Khartum auch den RSF-Chef Hemedti getroffen. Gegenüber der Presse habe Lavrov die Aktivitäten der Wagner-Gruppe in Afrika verteidigt. Die Söldnerfirma sei auf Ersuchen der jeweiligen Regierungen in den Ländern aktiv und trage angesichts der Bedrohung durch Terrorismus zur Stabilität der Region bei.

Nachtrag vom 24.04.2023

Ich bin heute noch auf einen ebenfalls sehr informativen Artikel in der NZZ gestoßen. Darin geht es um die Entdeckung der sudanesischen Goldvorkommen in 2012 durch Wanderarbeiter und deren Folgen, zu denen u.a. auch die jetzigen bewaffneten Auseinandersetzungen in Khartum gehören: Schmuggelgeschäfte mit dem Kreml und eine Mine namens Schweiz: wie der Goldreichtum des Sudans zur heutigen Krise führte. Im Sudan, einem der ärmsten Länder der Welt, bekämpfen sich zwei Armeen mit je Zehntausenden Soldaten. Ohne die Goldvorkommen des Landes wäre das kaum denkbar. Fabian Urech | Neue Zürcher Zeitung, 24.04.2023

Russlands Verbindungen in den Sudan

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Kommentare 5
  1. Maximilian Rosch
    Maximilian Rosch · vor mehr als ein Jahr

    Im Newsletter "Sensemaker Daily" habe ich einen guten Überblick über die Situation im Sudan gelesen, der vielleicht eine gute Ergänzung für Leser'innen ist, die bisher noch keine Infos über den Konflikt haben: https://www.tortoiseme...
    Ganz aktuell berichtet hier auch die ZEIT: https://www.zeit.de/po...
    Den russischen Einfluss decken beide allerdings nicht ab, der Beitrag von De Morgen ist ein sehr relevanter piq.

    1. Maximilian Rosch
      Maximilian Rosch · vor mehr als ein Jahr

      Deinen gestrigen piq muss ich natürlich auch erwähnen, die Einordnung von Dominic Johnson in der taz bietet wirklich einen sehr strukturierten und umfassenden Einblick: https://www.piqd.de/fu...

    2. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      Danke für die Ergänzungen.

  2. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als ein Jahr

    Danke für diese Wiedergabe mit sprechenden Details.

    Aufschlussreich ist dieses Gespräch mit Gerrit Kurtz von der Stiftung Wissenschaft und Politik:
    https://www.tagesspieg...

    Über russische Einflüsse heißt es darin:

    Daglo wird von Russland unterstützt. Auch Mitglieder der berüchtigten Wagner-Gruppe sind im Sudan aktiv. Welche Rolle spielt der Kreml?
    Hemeti ist in der Tat der zentrale Ansprechpartner für Moskau. Das betrifft vor allem die Verarbeitung von Gold und den Goldschmuggel. Unternehmen, die mit der Wagner-Gruppe in Verbindung stehen, haben Lizenzen, um das Edelmetall abzubauen. Ein guter Teil des Goldes landet in Russland, trotz der Sanktionen.

    Verfolgt Russland außer materiellen auch geostrategische Interessen?
    Ja, Moskau will zum Beispiel am Roten Meer einen Militärstützpunkt errichten. Dafür haben sich die Rapid Support Forces stark gemacht. Das sudanesische Militär war anfangs deutlich skeptischer, hat aber vor einigen Wochen bei einem Besuch von Russlands Außenminister Lawrow Unterstützung signalisiert.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      Danke für die Ergänzung!

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