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In 18 Schriftrollen erzählt Eugen Ruge die Geschichte des Flüchtlingssohns Jozyg aus Pannonien, später Jowna, Jacobus und schließlich Josse genannt. Josse schämt sich, dass man ihm seine Armut ansehen kann; seine Mutter wird schicksalsergeben Körbe flechten, damit es ihm an nichts fehlt.
Als es am Monte Somma bei Pompeji zu sonderbaren Gasaustritten kommt und tote Vögel gefunden werden, lauschen interessierte Bürger konzentriert dem Vortrag eines „römisch veranlagten Griechen“, der lange am Fuß des Ätna gelebt hat und den Anspruch erhob, sich mit Vulkanen auszukennen. Georgos sah alle Indizien gegeben, dass der Hausberg in Silhouette und Verhalten ein Vulkan sein müsste, der Tuffstein unter ihren Füßen würde seine These beweisen. Da die Bürger seit Jahren unzufrieden damit sind, dass Wahlen nichts ändern, bietet der angebliche Vulkan eine willkommene Gelegenheit, sich gegen den Staat aufzulehnen. Nörgler „glauben“ an den Vulkan, gebildete Bürger lehnen die Idee ab – und die Immobilienpreise in der Stadt sind bereits im Sinkflug.
Josse, selbst kein großer Redner, hängt an den Lippen des Vulkan-Experten. Da seit dem letzten Erdbeben die Wasserleitungen beschädigt sind und Wasser aus einer Quelle in Meernähe geholt werden muss, findet er sich bald in einer bunten Truppe, die nahe dieser Quelle eine Kommune gründen will. Als Handlanger erfahren auf Baustellen, ist Josse das einzige Mitglied, das mit Steinen und Zement umzugehen versteht. Er packt die Gelegenheit beim Schopf, sich neu zu erfinden, und mimt in der jungen Kommune den Bauexperten. Der alte Maras, angeblich letzter Spross des Stamms der Samniten, verfolgt inzwischen die absurde Idee, das Volk würde hier am Meer am besten seine Häuser selbst bauen. Josse hat jedoch längst realisiert, dass das Volk die Verpflegung vertilgt, Fliegenpilzsud konsumiert und faulenzt. Wer als Antreiber am Schlendrian scheitert, muss wohl zwangsläufig an einer politischen Karriere arbeiten.
In weiteren Handlungssträngen sieht Livia, Ehefrau des Stadtoberhaupts, in ihrer Rolle als Bauunternehmerin bereits die Münzen im Beutel klingen und ein freigelassener Sklave baut das Erbe seines Ex-Besitzers zur lukrativen Ziegelei und Zementmanufaktur aus. Apropos Sklaven, eine wichtige Rolle füllt Epiphanes aus, ein eleganter, erfahrener Haussklave, der schon Livias Großmutter diente. Äußerst süffisant hält Eugen Ruge seinen Leser:innen den Spiegel vor, indem er den alten Römern ein modernes Gewand der Anti-Demokraten und Verschwörungsmystiker umlegt.
Der Logik seiner schrägen Figuren bin ich gern gefolgt und habe mich mit Vergnügen in Probleme brüchiger Wasserleitungen, defekter Latrinen und geschlossener Thermen versetzt. Neben Josses erstaunlicher Karriere nach einem Blitzkurs in Rhetorik hat mich besonders der Einfluss von Livia, Gattin des Fabius Rufus, erheitert.
Von Ruge erwartet hatte ich – wie gewohnt – einen verschmitzten Blick auf seine Figuren, den er mir in einem Stapel Schriftrollen geliefert hat …
Eine Rezension von Buchdoktor aus der yourbook.shop-Community.
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Quelle: Eugen Ruge Bild: dtv yourbook.shop
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Für mich ist dieses Buch ein weiterer Schritt im Verfall eines Autors. Deshalb stimme ich der Rezension von Andreas Kilb in der FAZ zu, die so endet:
Denn was der Autor Ruge uns nicht gibt, ist ein Grund, uns tiefer einzulassen auf diese an ihrer Oberfläche so liebevoll ausgepinselte Geschichte. Die Sprache, in die er sie kleidet, klingt modern („römischer Imperialismus“, „emanzipatorischer Anspruch der Frauen“, „falsches Bewusstsein“), aber die Haltung dahinter ist es nicht. Die epische Ironie, nach der die vielen augenzwinkernden Ansprachen des Erzählers an seine Leser tasten („wir wissen, dass . . . “), war bei Thomas Mann ein Erkenntnismittel; hier ist sie nur noch ein Mittel. Deshalb hat es keinen Sinn, in den Umwälzungen der Gegenwart nach einem Phänomen zu suchen, das im Spiegel von Ruges „Pompeji“ klarer sichtbar wird. Dieses Bild schließt nichts auf, es klimpert nur mit seinen historischen Schlüsseln. Das war in Eugen Ruges früheren Geschichtsromanen anders.