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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
Tradition, an den wir lieber nicht denken: die Idee, dem verschwenderischen Chaos des Kapitalismus durch die Umsetzung eines umfassenden Wirtschaftsplans ein Ende zu setzen. Die zentrale Planung wird normalerweise mit dem Marxismus in Verbindung gebracht, obwohl Karl Marx selbst nur eine vage Hoffnung äußerte, die Industrie unter politische Kontrolle zu bringen und das "Feilschen" loszuwerden (Schacher).Aber es waren damals nicht nur Marxisten – auch Bertrand Russell warnte 1927 davor, dass die Zivilisation ohne eine weltweite "zentrale Behörde", die sicherstellt, dass "die Produktion wissenschaftlich organisiert ist", zusammenbrechen würde. Und die Weltwirtschaftskrise schien die Idee zu bestätigen. Auch Albert Einstein beklagte damals die "wirtschaftliche Anarchie der kapitalistischen Gesellschaft" und forderte eine "sozialistische Wirtschaft", in der "Produktionsmittel" "geplant" genutzt werden sollten.
Die Begeisterung für eine umfassende Wirtschaftsplanung brach nach der Implosion der Sowjetunion 1991 zusammen, war aber bereits durch die jahrzehntelange Kritik unter der Rubrik "Neoliberalismus" untergraben worden.Bekanntlich geht die neoliberale Theorie auf Ludwig von Mises zurück, der nach dem Ersten Weltkrieg gegen die Idee kämpfte, wonach (wie es ihm damals wohl nicht ganz zu Unrecht schien) jeder von der Vorstellung mitgerissen wurde, dass der Kapitalismus "die Summe allen Übels" sei. Damit meinte er wohl eher nicht die Marxisten, sondern die manichäischen Antikapitalisten, die den Kapitalismus nicht als komplexen und auch progressiven historischen Vorläufer des Sozialismus sehen wollten. Für diese war Kapitalismus eine "Sache der Dunkelheit, die auf die Vernichtung von Gerechtigkeit, Großzügigkeit und gutem Willen aus war". Ja, auch dieses Denken ist nicht neu.
die Probleme, die ein reifes kapitalistisches System hervorbringt, sie sind offensichtlich (Handelszyklen, Arbeitslosigkeit, Inflation und ständige Umwälzungen), aber sie zählen laut Mises sehr wenig, verglichen mit seinem spektakulären Erfolg bei der Steigerung der Produktivität der Arbeit und der Verbesserung des menschlichen Wohlergehens.Für Mises bedeutete eine "geplante Wirtschaft", die Gesellschaft wie eine Armee zu behandeln, in der "Befehle erlassen und befolgt werden" und individuelle Initiative zusammen mit der freien Meinungsäußerung unterdrückt sind.
Mises erwartete, dass Lenins bolschewistische Regierung seinen Standpunkt beweisen würde. Er hatte Lenin einmal als Zyniker bezeichnet, der sich "nicht um Probleme über seine Nasenspitze hinaus kümmert", aber er zählte ihn jetzt zu den typischen Sozialisten. Er glaubte nicht, dass das bolschewistische Regime lange dauern würde - er dachte, es würde verblassen wie die kurze und absurde Episode der Täuferherrschaft im Münster des 16. Jahrhunderts - hoffte aber, dass es lange genug überleben würde, um der Welt eine heilsame Lektion zu erteilen: dass der Sozialismus im Wesentlichen autoritär ist.Angesichts der siebzig Jahre Sowjetunion, die lange auch eine mörderische Diktatur war, die liberale Werte als Häresien behandelte, hat Mises hier recht behalten. So weit, so klug, aber irgendwann entschied er sich dafür, eine sehr einseitige Position zu vertreten:
dass man entweder absolut freie Märkte oder eine totale zentrale Planung haben kann, aber nichts dazwischen.Und, so argumentierte Mises, liberale Freiheiten seien untrennbar mit dem Kapitalismus verbunden. Was in China gerade widerlegt wird.
sagte ihm bereits 1933, dass er zu einem "neuen Liberalismus" übergegangen sei, der Raum für "kollektive Maßnahmen" ließ und auf die Dogmen des Laissez-faire verzichtete.1936 veröffentlichte er ein Papier über "Wirtschaft und Wissen", mit dem er versuchte,
ein Gespenst auszutreiben, das seit langem die Welt der Wirtschaft bevölkerte: das Gespenst des "quasi-allwissenden Individuums", auch bekannt als "homo oeconomicus". Einige Kommentatoren schrieben den Begriff Adam Smith zu, aber Hayek betrachtete ihn als eine Erfindung der "abstrakten Ökonomen" des 19. Jahrhunderts, die versuchten, die politische Ökonomie in "eine Übung in reiner Logik" zu verwandeln, die nur für perfekte Märkte anwendbar ist, in denen "jedes Ereignis", wie er es ausdrückte, "jedem Akteur sofort bekannt ist".Ein Vorwurf, den man der Volkswirtschaftslehre heute noch oft macht.
von denen die eine abstrakte Informationen umfasst, die kodifiziert, aggregiert und zum Nutzen des "beobachtenden Ökonomen" in ein zentrales Buch eingetragen werden können. Die andere Informationsmenge besteht aus all dem zufälligen lokalen Wissen, das im Wesentlichen grob und unvollkommen ist und auf dem die gewöhnlichen Menschen ihre alltäglichen wirtschaftlichen Entscheidungen aufbauen. Diese zweite Art von Wissen - man könnte es als Agentenwissen bezeichnen - war von Natur aus "geteilt": Es war "über viele Menschen verstreut" und konnte nie "in einem Kopf konzentriert" werden.
Hier boten die Märkte eine Lösung für das, was Hayek das "Problem der Teilung des Wissens" nannte.
Märkte sind demnach ein "Mechanismus zur Übermittlung von Informationen", aber im Gegensatz zu Zeitungen, die wie ein Netz funktionierten und Informationen über einen zentralen Knotenpunkt sammelten und verteilten, funktionierten sie wie ein Netz ohne Zentrale, das es uns ermögliche, "uns ... des Wissens zu bedienen, das wir als Einzelne nicht besitzen".Märkte waren für Hayek ein "Wunder", das die wirtschaftlichen Entscheidungen in einem
"Prozess koordiniert, in dem der Einzelne eine Rolle spielt, die er nie ganz verstehen kann". Sie sind, wenn man so will, ein Instrument, um unser Unwissen zu bündeln. Diese Art, die Märkte zu betrachten, mag nicht revolutionär gewesen sein, aber sie war wirklich erhellend, und Hayek würde sie als die einzige "Entdeckung" bezeichnen, die er je gemacht hat ….Und er hoffte auch, die Fiktion vom "Homo oeconomicus" besiegt zu haben. Sein berühmtestes Buch "The Road to Serfdom" wurde im März 1944 in England veröffentlicht und blieb zunächst relativ unbeachtet. Aber damals stand Hayek mit "Der Weg zur Knechtschaft"
nahezu allein als liberaler Mahner in einer Wüste des scheinbar unausweichlichen Kollektivismus von rechts und links. „Planung“, „Kontrolle“, „Zentralisierung“ der Wirtschaft und der Gesellschaft galten überall – auch im freien Westen – als unvermeidlich und letztlich auch dem liberalen Individualismus überlegen. Hayek behauptete das Gegenteil. Sein Argument ist mehrdimensional. Es galt damals im politischen Mainstream als skandalös und dürfte noch heute viele „Gutmenschen“ schockieren. Zum einen legt Hayek dar, dass Sozialismus und Faschismus im Kern gleichermaßen den Weg in die Knechtschaft führen: Beide zielen auf die Zerstörung von Markt, Privateigentum, Demokratie und persönlicher Freiheit. Beide laufen auf ähnlich totalitäre Beherrschung der Gesellschaft durch eine politische Elite hinaus.Hätten seine damaligen und heutigen Kritiker genauer gelesen, hätten sie bemerkt, dass Hayek die "dogmatische Laissez-faire-Haltung" ablehnte und ein "breites und unbestrittenes Feld für staatliche Aktivitäten" postuliert hat. Er forderte einen "rechtlichen Rahmen" wie "Fabrikgesetze" und "Bauvorschriften" und Beschränkungen der "Arbeitszeit" , um die Armen zu schützen, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten sowie "Betrug und Täuschung" zu verhindern. Der Staat soll seine Bürger durchaus vor „gemeinsamen Gefahren des Lebens“ schützen, etwa durch ein „umfassendes Sozialversicherungssystem“, und gleichzeitig „Arbeit und ein Mindesteinkommen für alle“ garantieren.
Und (die Leser) hätte(n) sicherlich Hayeks Unterstützung für staatliche Interventionen begrüßt, die darauf abzielen, soziale "Mobilität" zu fördern, die "Ungleichheit der Chancen" zu verringern und auch "Wissen und Informationen" zu verbreiten.Andere kritische Leser bemerkten schon damals, dass Hayeks Liberalismus mit so vielen „Ausnahmen“ abgesichert war, dass er „ein erhebliches Maß an sozialer Kontrolle“ zuließ.
Er lobte Pinochet zum Beispiel als Beschützer der individuellen Freiheit und drängte Thatcher, Argentinien zu bombardieren.Und es gilt auch, seine Einblicke in die wirtschaftliche Bedeutung von verteiltem, implizitem lokalem Wissen sind sicher gegen jede absolute Doktrin der zentralen Planung gerichtet,
… aber sie gelten gleichermaßen gegen die zentralisierte Verwaltung großer Unternehmen und auch gegen die wirtschaftliche Macht von Remote-Bankern, Finanziers, Beratern und Buchhaltern. Vielleicht ist es nicht verwunderlich, dass Anhänger von Mises anfingen, düster über den "hayekischen Sozialismus" zu murmeln.Heute wird der Begriff "Neoliberalismus" hauptsächlich sehr reduziert
als Label für eine Reihe von rechtsgerichteten Politiken verwendet, die in den 1970er Jahren von Augusto Pinochet, Ronald Reagan und Margaret Thatcher vertreten wurden, sowie seitdem von verschiedenen verrückten Konservativen als Argumente für das "Zurückrollen des Staates" und "Ermächtigung des Einzelnen" durch Privatisierung, Steuersenkungen und Deregulierung benutzt werden.Merke: Der Wissenschaft folgen heißt nicht, einzelnen Wissenschaftlern zu folgen, sondern dem Erkenntnisprozess. Irrtümer eingeschlossen.
Quelle: Jonathan Rée Bild: London Review of ... EN www.lrb.co.uk
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Leider scheint es mir in den Wirtschaftswissenschaften noch sehr viel "Argument by Authority" zu geben: Hayek hat gesagt, von Mises hat geschrieben, Friedman vertrat, Keynes meinte... All das ist wissenschaftsgeschichtlich interessant, aber ansonsten gar nicht, finde ich. Man zieht natürlich die eigene Auffassung von den wichtigen Autoren - woher sonst? Aber wenn man ihr Gewicht durch den Namen des Autors verstärken möchte, führt das nirgendwohin.
Erhellender piq, vielen Dank!
Für ein ebenso nüchternes und unvoreingenommenes "close reading" der Ursprünge neolib. Denkens möchte ich hier auf Thomas Biebrichers Studie Die politische Theorie des Neoliberalismus verweisen.
Beeindruckend differenziert-sowohl der piqd des sonst eher wirtschaftsliberalen Haltungen zuneigenden Autors wie der Originalartikel von Ree und auch der vielgehasste Hayek, dessen Rechtfertigung von staatlichen Interventionen deutlich weiter ging, als mir bisher bekannt war