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Europa

Kontrollen an Grenzen führen erneut zu Grenzen in Köpfen

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
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Jürgen KluteFreitag, 20.09.2024

Die Wiedereinführung von Kontrollen an allen deutschen Grenzen führt zu Irritationen und Unverständnis in den deutschen Nachbarländern und in der EU. Das Tageblatt Lëtzebuerg hat nun ein Doppeltinterview mit dem früheren Luxemburger Premierminister und späteren EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker (CSV) und dem früheren auch in Deutschland bekannten Luxemburger Außenminister Jean Asselborn (LSAP) veröffentlicht, in dem sich beide zu den deutschen Grenzschließungen äußern. Das Interview führte der Chefredakteur des Tageblatts, Armand Back.

Beide Luxemburger Politiker – der erstere ein Christdemokrat, der letztere ein Sozialdemokrat – kritisieren, dass der Schritt zum einen innenpolitisch motiviert sei, dass der Schritt ungeeignet sei, das adressierte Problem zu lösen, dass der Schritt angesichts der realen Situation in Deutschland verhältnismäßig sei und daher den Fortbestand des Schengen-Raums gefährde, und sie kritisieren, dass die aktuelle Luxemburger Regierung bisher keine öffentliche Kritik an den Grenzschließungen geübt habe. „Wer große Grenzkontrollen macht, läuft Gefahr, dass auch Grenzen im Kopf sich wieder breitmachen.“ – so Juncker.

Juncker weiter:

„Das Problem, das Deutschland hat, ist ein internes – und das wird nicht damit begradigt, dass man einen weiteren Zuwachs durch Zurückweisungen an Grenzen macht. Umso mehr, da es juristisch nicht klar ist, ob das überhaupt zulässig ist. Ich stelle fest, dass die deutsche Regierung während Monaten gesagt hat, aus juristischen Gründen wäre genau das nicht möglich – und jetzt ist es doch möglich, ohne dass das weder juristisch noch politisch millimetergenau geprüft ist. Insofern bleibe ich der Meinung, dass das eine Reaktion ist, die durchaus einen Dammbruch bedeuten kann, was den Respekt von den Überbleibseln der Schengen-Regeln angeht.“

Asselborn ergänzt:

„Ich kenne die deutsche Innenministerin Nancy Faeser gut und schätze sie hoch. Und ich verstehe, dass sie und auch der Bundeskanzler ein Zeichen setzen wollten vor der nächsten Landtagswahl am Sonntag in Brandenburg. Diese Wahlen mögen wichtig sein, aber in meinen Augen nicht so wichtig, dass man damit Schengen aufs Spiel setzen sollte. Denn das Problem ist nicht Schengen. Will man in einem Land wie Deutschland Grenzkontrollen effektiv und effizient machen, gibt es an allen Grenzen dutzende Kilometer Stau. Es ist illusorisch, zu denken, dass Stichproben, die die Leute auch schon eine halbe oder eine Stunde aufhalten, irgendwie ein effizientes Resultat bringen.“

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Kommentare 10
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 2 Monaten

    Zeugt die mantraartige Ablehnung von Grenzkontrollen nicht auch von Grenzen in den Köpfen?

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 2 Monaten · bearbeitet vor 2 Monaten

      Der Abbau der Grenzen ist eine der tragen Säulen der EU. Wer das in Frage stellt, der hat die EU nicht verstanden.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 2 Monaten · bearbeitet vor 2 Monaten

      @Jürgen Klute Die Grenzen existieren ja nach wie vor. Nur wird dort nicht mehr kontrolliert. Was sicher sehr angenehm ist. Aber es muß sich auch als alltagstauglich politisch bewähren. Und um das zu sicher zu stellen sollten ja die Außengrenzen geschützt werden. Das funktioniert nun alles nicht so wie gedacht. Also muß man neue Lösungen finden. Es einfach zur "tragenden Säule" zu erklären hilft dabei gar nichts. Es wird dann unter Umständen eher zum Sargnagel. Man muß also um Lösungen streiten, verschiedene Ausprobieren und nicht andere eifach madig machen. Dazu muß man aber auch zuhören. Und das ohne Unterstellungen, wie, der andere hätte die EU nicht verstanden. Als ob es nur ein richtiges Verständnis der ganzen Geschichte geben könnte. Und das ist natürlich immer das eigene. Was mir zeigt, das da wirklich etwas nicht richtig verstanden wurde?

    3. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 2 Monaten

      @Thomas Wahl Ich habe die Zeit vor der Grenzöffnung noch gut in Erinnerung. Ich weiß, wie hinderlich die Grenzen waren und welche qualitativen Verbesserungen die Grenzöffnungen für die EU-Bürger:innen und für die Wirtschaft mit sich gebracht haben. Wenn Nationalisten meinen, Grenzen würden ein Problem lösen, dann täuschen sie sich einfach. Es wird lediglich einen hohen ökonomischen Preis haben, wie exemplarisch in GB nach dem Brexit zu beobachten ist.

      Die Grenzöffnungen waren der alltagstauglichste Teil aller bisherigen EU-Regelungen. Migration ist vor allem ein Problem in den Köpfen von Nationalisten und Menschen, die keinen Kontakt zu Migranten haben. Migration ist in Europa nun wirklich kein zentrales Problem im Vergleich zu anderen Regionen dieser Welt, in denen Menschen vor Kriegen oder Klimakrisenfolgen innerhalb ihrer Länder oder in die Nachbarländer flüchten. In der Regel sind das Länder, die einen erheblich niedrigeren Wohlstand haben als die europäischen Länder, die viel mehr Ressourcen haben, um auch mit temporär höheren Zahlen von Flüchtlingen klar zu kommen.

      Man kann gerne glauben wollen, dass Europa mit Grenzen vor Migration abschotten kann. Das ist ein sehr nativer Glaube. Menschen, die aus ihren Ländern flüchten, weil sie um ihr Leben fürchten, haben nichts zu verlieren und sie werden mit keinem Grenzzaun auf Dauer aufzuhalten sein. Das sind Wunschvorstellungen, die in der bekannten Menschheitsgeschichte noch nie funktioniert haben.

      Statt Scheindebatten über Migration und neue Grenzzäune und Mauern zu führen, wäre es hilfreich, sich den realen Problemen zu stellen: Der Klimaerwärmung und der Energiewende. Das ist wohl die einzige Chance, Migration zu reduzieren.

      Ja, und ich ich teile nach wie vor die Position von Jean-Claude Juncker und Jean Asselborn: Wer in der EU erneut Grenzen hochzieht, der hat die EU nicht verstanden. Und dass die Bundesregierung nicht nur sinnlos und panisch Grenzen hochzieht, sondern dies auch noch ohne Rücksicht auf und Absprachen mit den anderen EU-Mitgliedern, kann mittelfristig die EU zum Scheitern bringen. Eigentlich ist ein zentrales Ziel der EU, solch Rücksichtsloses politische Handeln aus Berlin durch Einbinden der deutschen Politik in die EU zu unterbinden und einzuhegen. Die Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten macht dies zunehmen schwerer. Auf französischer Seite hat man das bei den Vier-puls-Zwei-Verhandlungen befürchtet. Durch eine stärkere wirtschaftliche und politische Integration hat man das zu verhindern versucht. Derzeit sieht es so aus, dass das nicht vollends gelungen ist. Für Europa verheißt das keine gute Zukunft, wenn die deutsche Politik diesen Weg der rücksichtslosen nationalen Politik fortsetzt.

      Nationalismus war, ist und bleibt das gefährlichste Gift für Europa und ein gutes und menschenwürdiges Leben in Europa. Da liegen die Verfasser des Manifests von Ventotene aus dem Jahre 1941, Altiero Spinelli (Kommunist), Ernesto Rossi (Liberaler) und Eugenio Colorni (Sozialreformer), nach wie vor richtig. Sie haben schlicht die Geschichte auf ihrer Seite.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 2 Monaten · bearbeitet vor 2 Monaten

      @Jürgen Klute Natürlich sind Grenzen auch hinderlich, wie Fenster und Türen, Sitten und Gebräuche, Kleider und Mäntel usw usw. Und doch geht es nicht ganz ohne. Kein System funktioniert ohne seine Grenzen.
      Es geht nicht darum neue Grenzen hoch zu ziehen. Das ist doch eine Unterstellung. Es geht auch nicht darum Europa "von der Migration" abzuschotten. Wir brauchen Migration. Zwischen nichts tun, Kontrollen und wirklich Abschotten liegen Welten. Es geht nicht um ganz oder gar nicht. Ist das so schwer zu verstehen? Wir kontrollieren alles und jedes in der EU, jeden Container, der in die EU kommt, jede Ware bis ans Ende der Lieferkette, aber an der Grenze kontrollieren wir keinen einzigen Menschen? Weil das die Grundfesten der EU erschüttern würde? Das ist doch absurd.

      Man kann natürlich die reine Lehre verteidigen. Hab ich lange erlebt, in einer Partei, die ständig meinte, die Geschichte auf ihrer Seite zu haben. Soweit zu solchen Sprüchen.

      Man kann das Volk für blöd und verführt erklären. Unabhängig davon was richtig ist, eine Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift (hab ich mal erfahren). Wer das ignoriert, nicht reagiert, der hat schlechte Karten. Selbst wenn er recht hätte.

      Ich wünsche aber dir und deiner Partei viel Glück bei den nächsten Wahlen. Wer sich so unerschütterlich auf der Siegerstrasse der Geschichte wähnt …. Für wahrscheinlicher halte ich jedoch den Spruch: Wer zu spät kommt, denn bestraft das Leben.

    5. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 2 Monaten

      @Thomas Wahl Meine Haltung zur EU hat mit meiner Parteizugehörigkeit wenig zu tun. Meine Haltung zur EU hat etwas mit der deutschen Geschichte zu tun.

      Aber um mal etwas deutlicher zu werden: Ohne die Integration der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik und damit in die EU und ohne die gigantischen EU-Finanztransferds wäre die ehemalige DDR heute ein wohlumgrenztes Armenhaus mitten in Europa.

      Die Reaktion eines erschreckend hohen Teils der Einwohner Ostdeutschlands reagiert auf diesen Wohlstandszuwachs – nämlich Teil der drittwohlhabendsten Gesellschaft weltweit zu sein – mit pubertärem Trotz in Form der Zustimmung zu rechten und autoritären Parteien, die diesen Wohlstand aufgrund ihrer (Wirtschafts) politischen Inkompetenz in kurzer Zeit vernichten würden.

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 2 Monaten · bearbeitet vor 2 Monaten

      @Jürgen Klute Eine Haltung ist eine Haltung, kann richtig oder falsch sein. Haltungen, so sie leben, verändern sich. Sie sind zu hinterfragen. In der DDR wurde man auch immer nach seiner "Haltung" gefragt. Nur hinterfragen sollte man sie nicht. Und das hatte immer was mit der deutschen Geschichte zu tun. Auch meine Haltung heute. Ich weiß also wirklich nicht, was diese Aussage bedeuten soll. Das sind doch entweder Plattitüden, Herrschaftsmethoden oder Sprüche zur Selbstvergewisserung. Trägt das zum Verstehen der Wirklichkeit bei? Ich denke nicht.

      Ja, wahrscheinlich hätte sich die Bundesrepublik ein anderes Volk für die Vereinigung wählen sollen. Oder es bleiben lassen. Dann wäre sie heute noch ein Land mit einer sehr großen Bundeswehr, Kriegsbereit, mit einem Schirm aus Atomraketen, geschützten Grenzen. Vielleicht wäre sogar die Parteienlandschaft noch die gleiche oder ähnlich. Vielleicht sogar mit DM. Adorno hatte wahrscheinlich doch recht, die Totalität der Geschichte läuft wohl völlig falsch …. Nur ist Geschichte eben offen.

    7. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor 2 Monaten

      @Thomas Wahl Meine Empfehlung: Lass mal die DDR Geschichte sein und versuch mal in der EU der Gegenwart anzukommen. Die EU gestaltet das heutige Leben im Wesentlichen und ist zur Eindämmung der Klimaerwärmung unentbehrlich. EU und Nato galten in der DDR zwar als politische Organisationen des Klassenfeindes. Aber wer hat überlebt und wer ist untergegangen?

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 2 Monaten · bearbeitet vor 2 Monaten

      @Jürgen Klute Nun ja, ich lebe bewußt inzwischen länger in der EU als in der DDR. Ich kenne die Institutionen, Unternehmen, die Menschen beider Systeme aus eigenem Erleben und Handeln. Ich habe in der DDR geforscht und gearbeitet. Den Untergang und den Übergang bewußt mit erlebt, z.T. gestaltet. Dann für die Kommission und für Bundesministerien Unternehmen und Forschungsinstitute gefördert. Ein Vorteil gegenüber den meisten im Westen. Man muß mich nicht belehren. Man kommt dann schnell in den Geruch des "Besserwessis". Eine Spezies, die übrigens sehr viel zur heutigen Mentalität im Osten beigetragen hat. Und ja, die EU wäre sicher sehr wichtig für die Lösung der globalen Probleme. Aber nicht so wie sie jetzt funktioniert und z.T. geführt von Leuten, die glauben den allein selig machenden Weg zu kennen. Und die Andersdenkende entweder als Feinde oder als Belehrungsbedürftige behandeln. So wird das genau nichts mit der EU (und vielleicht auch nicht mit der Demokratie). Was natürlich fatal an die DDR erinnert. Nein, Geschichte und eigene Erfahrungen sollte man niemals vergessen. Sonst wiederholen sie sich. Nein, man kommt ohne das Wissen um die ganze Geschichte nie in der Gegenwart an.

  2. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor 2 Monaten

    So siegen die Rechtsextremen, in dem die sogenannte Mitte zündelt.

    Es ist die Ausweitung des Liberalismus ins Diktatorische, was Karl Polanyi schon in den 1920/30er Jahren beobachtete und während des Zweiten Weltkriegs bis heute gültig beschrieb.
    https://forum.eu/users...

    Leider sind die Grenzkontrollen, die in Deinem Pick das Thema sind, nur Teil einer Tendenz.

    Gegen den Rat von Experten macht auch Schweden solche Eigentore:
    https://www.spiegel.de...

    Über die Rückkehrprämien heißt es:
    "Die Regierung selbst hatte einen Experten bestellt, der das Konzept einschätzen sollte. Solche Analysen sind üblich, die schwedische Politik ist oft um Konsens und wissenschaftliche Einbindung bemüht.
    Das Urteil des Experten war jedoch bemerkenswert: Er riet klar davon ab, was so klar selten oder noch nie vorgekommen ist. Die Ausreiseprämie würde nicht zum gewünschten Erfolg führen, dafür viel kosten und viele Menschen von der Integration abschrecken. Ich halte das für plausibel. Die Regierung hat jedoch bereits angekündigt, seinen Rat zu ignorieren. Das ist schon sehr erstaunlich."

    Weitere Beispiele sind möglich.

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