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Volk und Wirtschaft

Klimapolitik in Deutschland gescheitert?

Jürgen Klute
Theologe, Publizist und Politiker
Zum Kurator'innen-Profil
Jürgen KluteSamstag, 01.04.2023

Erst scheiterte das Berliner Volksbegehren zum Thema Klimapolitik, dann hat die Ampel-Koalition die klimapolitischen Ziele drastisch reduziert. Bei vielen, die sich der Brisanz der Klimaerwärmung bewusst sind, hat das Frust und Verbitterung ausgelöst (auch bei mir) und einige Reaktionen aus der Ampel-Koalition haben für Irritationen gesorgt. So die Äußerung von Bundesfinanzminister Christian Lindner bei Maybrit Illner, die Bürger und Bürgerinnen tragen letztlich die Verantwortung für die aktuelle Klimabewegung, denn die Politik folge ja nur dem Willen der Wähler und Wählerinnen. „Selten wurde die Klimaregression so gut formuliert wie von @c_lindner bei @maybritillner“, kommentiert der stellvertretende Chefredakteur von DIE ZEIT, Bernd Ulrich, diese Aussage treffend auf Twitter.

Mario Sixtus stellte auf Lindners Aussage hin auf Twitter die folgende für mich gut nachvollziehbare These auf: „Das Ziel der #FDP-Klimapolitik ist die Verunsicherung der Bürger*innen, damit diese möglichst lange in der Fossilabhängkeit weiterwurschteln. Deshalb das Phantasieren von #Efuels und #Wasserstoffheizungen und das Gerede von #Technologieoffenheit, statt eindeutiger Regeln.“ Lobby-Politik auf höchstem Niveau sozusagen!

Vor diesem Hintergrund habe ich den hier empfohlen taz-Beitrag von Kersten Augustin mit großem Interesse gelesen. Augustin fragt nach den Gründen der augenblicklichen klimapolitischen Situation. Mir gefällt, dass er keine simplen Antworten gibt à la Christian Lindner, aber auch nicht in den Umkehrschluss verfällt und allein „die Politik“ für die aktuelle unbefriedigende Situation verantwortlich macht.

Vielmehr blinkt zwischen den Zeilen seines Beitrags kontinuierlich das eigentliche Thema auf, um das es geht: Wirtschaftspolitik – also um die wirtschaftliche Seite der klimapolitisch unumgänglichen Energiewende. Die betrifft sowohl die Seite der Unternehmen, also auch die Bürgerinnen und Bürger. Das hätte der Autor noch etwas deutlicher formulieren können. Stattdessen spricht er lieber von der sozialen Frage. Aber die ist eben auch eine wirtschaftliche Frage.

Augustin beschreibt sehr gut, wie Politik im Blick auf strittige Fragen in der Bundesrepublik funktioniert und öffnet damit den Blick für eine Überwindung der gegenwärtigen klimapolitischen Stagnation oder vielleicht auch Regression in Deutschland. Seine Schlussfolgerung lautet:

„Menschen engagieren sich oder gehen wählen, weil sie sich einen Vorteil für ihr Leben und das ihrer Mitmenschen erhoffen. Das ist auch nicht verwerflich.

Will Klimapolitik erfolgreich sein, kann sie die soziale Frage, die nach der Verteilung der Kosten nicht weiter ausklammern, wie es die Bundesregierung tut. Die ärmere Hälfte der deutschen Gesellschaft hält sich schon heute nahezu an die Grenze von höchstens 5,3 Tonnen CO2 pro Person – dem Ziel der Bundesregierung für 2030.

Die soziale Frage mit der Klimafrage verbinden, das heißt: Mehr Populismus wagen. Klimasteuern für Reiche, das wäre ein Anfang. Von einer Ampelkoalition wäre das zu viel verlangt. Aber was macht eigentlich die Klimabewegung?“

Klimapolitik in Deutschland gescheitert?

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Kommentare 49
  1. Achim Engelberg
    Achim Engelberg · vor mehr als ein Jahr

    Eine Klimasteuer für Reiche ist gut, weil sie - wie es im Beitrag heißt - ein Anfang wäre für einen Wandel.

    Allerdings gibt es einen zentralen Widerspruch:

    Es gibt überzeugende Argumente, dass die Klimakatastrophen nur mit der Überwindung des Kapitalismus eingedämmt bis verhindert werden können.

    Hier ein Beispiel: https://oxiblog.de/kli...

    Es ist einer der Texte, die auf Geschichte warten müssen. Noch zeigt sich keine Möglichkeit, den Kapitalismus zu überwinden.

    1. Niklas Sievert
      Niklas Sievert · vor mehr als ein Jahr

      Und ab wann ist man „reich“? Wer wäre von einer solchen Steuer betroffen und in welcher Höhe? Wie hoch wäre das Gesamtaufkommen- und könnte das mehr sein als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein; der einen signifikanten Unterschied beim Thema Klimaschutz bewirken könnte? Oder doch (mal wieder) nichts als Symbolpoliltik?

    2. Achim Engelberg
      Achim Engelberg · vor mehr als ein Jahr

      @Niklas Sievert Zu den ersten beiden Fragen findet man etliche Fingerzeige im taz-Artikel bzw. in den dort verhandenen Links.

      Dass das auch nur ein Tropfen sein könnte, dafür bietet der von mir verlinkte Beitrag einiges Nachdenkenwertes.

      Allerdings hat der Autor keine Lösung. Vielleicht gibt es die noch nicht, weil sich die politisch relevante Masse noch nicht gebildet hat.

    3. Niklas Sievert
      Niklas Sievert · vor mehr als ein Jahr

      @Achim Engelberg Ich finde den Begriff „Reiche“ polemisch. Wie will man den objektiv definieren? Ist „reich“, wer den Spitzensteuersatz zahlt? Ist „reich“, wer Betriebsvermögen sein eigen nennt und nicht so einfach liquidieren kann, um seine (Ablass-) „Klimasteuern“ bezahlen zu können, die den Klimawandel nicht eine Hundertstelsekunde wird verzögern können?
      Das sind doch einfach nur populistische, unausgegorene Konzepte wider jede Vernunft.

    4. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Niklas Sievert Es gibt in der Armuts-/Reichtumsforschung durchaus Définition von Reichtum. Ernst-Ulrich Huster hat in den 1990er Jahren Mal zwei Reichtumsschwellen definiert. Die erste Orientiert sich an der Armutsgrenze, die oft definiert wird als die Hälfte des Durchschnittseinkommens. Dem entsprechend hat Huster die erste Reichtumsschwelle als das Doppelte des Durchschnittseinkommens definiert. Das erfasst natürlich nicht den exorbitanten Reichtum einiger weniger. Daher hat Huster die zweite Schelle definiert als ein Vermögen, von dessen Verzinsung sich gut leben lässt. Das ist sicherlich keine endgültige Reichtumsdefinitions, aber die beiden Schwellen geben durchaus Orientierungspunkte für Politiker:innen, die sich mit dem Thema befassen.

    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Heißt das, dass man alle Vermögen enteignet, wenn man davon mehr als gut leben kann?

    6. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl @Thomas Wahl: Sorry, wir diskutieren hier nicht über Enteignungen, sondern über eine sozial angemessene und sozial ausgewogene Verteilung der Kosten der aus Klimaschutzgründen notwendigen Energiewende. In dem Kontext ging es um die Frage ob und wie sich Reichtum begrifflich fassen ließe.

    7. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Ja gut. Aber Vermögen lassen sich nicht einfach produktiv oder als Luxus verkonsumieren um Kosten zu decken. Dem wohnt ein tragischer Denkfehler inne. Betriebsvermögen und Immobilien sind kein Geld sondern Erwartungswerte, falls man diese Veräußert. Das Steigen (und Fallen) der Vermögen ist damit auch ein Steigen/Fallen der Erwartungen und nicht zwangsläufig wirklich gewachsener Reichtum.

      Man kann/muß natürlich die Einkommen aus Vermögen besteuern. Aber auch dem sind Grenzen gesetzt. Und man benötigt diese Einkommen auch zur erweiterten Reproduktion.

    8. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Ich glaube, den Kolleginnen und Kollegen, die hier diskutieren, sind sich dieser Dinge bewusst. Es geht selbstverständlich um die Frage der Besteuerung. Darüber wird man/frau wohl reden müssen, wenn es um die Frage der Kostenverteilung der Energiewende geht. Wobei eine Energiewende langfristig dann auch wieder die Energiekosten senken dürfte, angesichts der heute bekannten Produktionskosten für erneuerbare Energie. Insofern geht es um die Finanzierung eines Transformationsprozesses. Dass bei einigen Teilen der Gesellschaft (im privaten wie im Unternehmensbereich) steuerpolitische Spielräume bestehen, die eine Finanzierung der Energiewende möglich machen. Dazu ist ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess nötig, der von politischer Seite nur unzulänglich und aus meiner Sicht in die falsche Richtung gehend gefördert wird. Aber immerhin gibt es eine entsprechende Debatte dazu. Wohin sie führt, werden wir sehen.

    9. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Die Energie kosten werden nicht sinken. Billig ist nur was an Strom aus dem Solarpanel oder aus der Windmühle kommt, die auch noch subventioniert wurden. Die ganzen Kosten des Back Up, der Verteilung und Steuerung werden da nicht mitgerechnet. Was dann aus der Steckdose kommt, wird teuer bleiben. Ob es irgendwann in den Preisen konstant bleibt, wird man sehen. Windanlagen müssen ja nach 25-30 Jahren ausgewechselt werden. Die erste Generation ist jetzt reif. Die wahren und langfristigen (materiellen und ökologischen) Kosten der EE sind völlig offen. Das sollte man endlich mal zur Kenntnis nehmen. Und sich vor seinen Wählern ehrlich machen.

      Es geht also nicht abstrakt um die Finanzierung eines Prozesses sondern um eine ökologische, materiell-technische und finanzielle Optimierung dieses Prozesses. Sich einfach eine Energiewende kaufen, das scheint einfach, die Bürger werden es nur nicht schlucken. Und auch ein noch reiches Land wie D verfügt nur über begrenzte Ressourcen.

    10. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Nun ja, wie war das nochmal mit den Subventionen des Steinkohlebergbaus (die öffentlich zugänglichen Zahlen über die Steinkohlesubvention habe ich vor einigen Jahren mal in diesem Abriss zusammengestellt: https://www.rosalux.de...). Auch die Atomenergie wurde stablich subventioniert. Diese Kosten müssen eben auch bei der Kostenermittlung der fossilen Energieproduktion eingerechnet werden. Das wird aber eben in der Regel nicht gemacht. Auch die Kosten, die sich aus den Schäden infolge der Klimaerwärmung ergeben, müssen der fossilen Energieproduktion zugerechnet werden, wenn die Gesamtkosten ermitteln will. Im Vergleich dazu ist Ökostrom dann doch um einiges günstiger als Strom aus fossilen. Das lässt sich einfach nicht wegdiskutieren.

    11. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Es ist bekannt, dass zumindest die Forschung zur Kernkraft auch subventioniert wurde. Aber eine Kosten- und Subventionsrechnung ohne Nutzensrechnung bringt auch nichts. Alle Akteure im gesellschaftlichen Prozess haben schließlich massiv von der fossilen Wirtschaft profitiert. Man braucht sich nur mal die absolute Armut hierzulande vor der Industrialisierung anzuschauen.

    12. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Ich glaube, dass sich die meisten der Natur von Vermögen überhaupt nicht bewußt sind. Und auch die Medien reden ständig von Vermögen als Geld auf dem Konto. Im übrigen besteuern Vermögenssteuern nicht die Einkommen aus Vermögen sondern die „Vermögenswerte". Bei Erbschaftssteuern versucht man zumindest bei Betriebsvermögen den Ertrag mit zu berücksichtigen.

      Im übrigens stell sich mir die Frage, wenn EE so billig sind, warum muß ma sie dann über Steuern finanzieren. Das passt alles nicht zusammen.

    13. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl 1) Das ist aber jetzt ein Thema, das mit der hier verhandelten Frage nichts zu tun hat. Steuertechnisch ist das m.W. klar definiert, was zu versteuern ist und was nicht. Und allein darum geht es bei der hier verhandelten Frage und nicht um irgendwelche theoretischen Vermögenswerte und irgendwelchen Theorien zu theoretischen Vermögenswerten.

      2) Wie gesagt, fossile Energieträger wurden und werden bei weitem höher subventioniert als erneuerbare Energie. Auf Quellen zur Kohlesubventionierung habe ich oben verwiesen. Nicht einberechnet sind die so genannten Ewigkeitskosten, die sich aus dem Steinkohlenbergbau ergeben. Sie fallen erst noch an und sind daher lediglich im jährlichen Rückblick konkret bezifferbar. Zu den Ewigkeitskosten zählen u.a. die Bergsenkungen im Ruhrgebiet, die zu regelmäßigen Straßen- Schienen- und Brückenreparaturen führen wie zu Gebäudesenkungen mit entsprechenden Schäden. Zu den Ewigkeitskosten zählen auch die Kosten für die Wasserhaltung im Ruhrgebiet. Durch den Bergbau ist die Region um bis zu 20 Meter abgesenkt worden. Demzufolge fließen die Oberflächengewässer nicht mehr ohne technische Hilfe (das sind konkret über 100 große Pumpstationen) Richtung Nordsee. Ohne die Pumpstationen würde die Region zu einem See volllaufen. Diese Kosten heißen Ewigkeitskosten, weil sie anfallen, solange Menschen im Ruhrgebiet leben bzw. bis das Ruhrgebiet durch mögliche tektonische Bewegungen wieder soweit angehoben wird, dass die Pumpstationen abgeschaltet werden können. Da kann man/frau nun viel spekulieren, aber diese Kosten bekommt man mit den kühnsten und spekulativsten Theorien nicht wegspekuliert. Mit diesen Kosten müssen sich noch etliche Generationen nach uns rumschlagen.

    14. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Hat denn mal jemand die Ewigkeitskosten berechnet, die etwa durch die Fundamente der Windräder entstehen - usw.? Zivilisation mit 8 Mrd. Menschen oder 80 Mio. in D sind nicht naturneutral möglich.

      Es ist ja auch bekannt, was bis heute in die EE geflossen ist. Was sicher genau so wichtig ist wie damals bei Kohle und Gas. Aber so zu tun, als wäre diese Industrialisierung ein Verbrechen der Wirtschaft gewesen, das ist schon ziemlich schräg. Unser ganzes Sozialwesen, unser langes Leben unsere Kultur beruht auf fossiler Energie und anderen natürlichen Ressourcen. Und auch die Fähigkeiten und Ressourcen die negativen Wirkungen zu überwinden. Also keiner will die Folgen der Vergangenheit weg spekulieren. Und auch nicht die der Zukunft ….

    15. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Nein, es geht bei den verhandelten Frage und nicht um irgendwelche theoretischen Vermögenswerte sondern darum, was sich aus den real vorhandenen Vermögenswerten überhaupt herausholen läßt - ohne das man das Huhn schlachtet, das goldene Eier legt.

    16. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Der Sechste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2021) https://www.armuts-und... verwendet den Begriff der Wohlhabenheit für die Bezeichnung der höchsten soziale Lage. Er stellt nicht auf Vermögen, sondern auf Einkommen ab. „Armut“ und „Wohlhabenheit“ werden als relative Kategorien betrachtet. Danach besteht Einkommens-Wohlhabenheit bei Einkommen von mehr als dem Doppelten des Median-Einkommens (bei Äquivalenzgewichtung der Haushaltsmitglieder unter Verwendung der sog. neuen OECD-Skala). Nach Daten für 2013/2017 waren 9,1 % der Bevölkerung der höchsten soziale Lage zuzurechnen. Einkommensarmut hingegen besteht bei weniger als 60 % des medialen Einkommens, 11 % der Bevölkerung waren davon betroffen.
      (Anmerkung: Der Median ist genau der mittlere Wert aller ihrer Höhe nach sortierten Einkommenswerte. Bei nicht normalverteilten Datensätzen wie in diesem Fall ist der Median aussagekräftiger als der arithmetische Durchschnitt, da sich letzterer aufgrund extrem hoher Einkommen relativ weniger Personen stark nach oben verschiebt.)

    17. Ferdinand H
      Ferdinand H · vor mehr als ein Jahr

      @Niklas Sievert Also lieber nichts tun, bis alles richtig definiert wurde? Ich finde deine Einstellung ist das Problem. Immer nur Kritik äußern ohne konstruktive Vorschläge zu geben. Das ist keine Entwicklung, sondern Verweigerung.

    18. Niklas Sievert
      Niklas Sievert · vor mehr als ein Jahr

      @Ferdinand H Und inwiefern widerlegt dieses ad hominem mein Argument? Ich fordere schlicht eine volkswirtschaftliche Kosten / Nutzen-Analyse.
      Oder aber „Deutsch sein heißt, eine Sache um Ihrer Selbst willen tun“, nicht wahr? 😉

    19. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Niklas Sievert Koste/Nutzenanalysen dazu gibt es seit langem und ausreichend. Da muss man doch wirklich ein bisschen googeln, dann stößt man/frau auf sie.

    20. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Das stimmt. Aber welche davon sind realistisch? Das ist doch die Frage. 😏

    21. Niklas Sievert
      Niklas Sievert · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Warum nicht gleich das Kinderkriegen verbieten oder eine Einkind-Politik à la chinoise einführen?
      Ich weiß, das klingt polemisch, wäre aber eine konsequente Haltung in Erwartung des nahenden Weltuntergangs angesichts der Tatsache, dass jeder ungeborene Mensch eine Co2-Bilanz von 0 hat.

    22. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Niklas Sievert Was hat diese Antwort jetzt noch mit dem hier diskutierten Thema zu tun?

    23. Ferdinand H
      Ferdinand H · vor mehr als ein Jahr

      @Niklas Sievert Alleine das wegnehmen hat schon Effekte. Aber noch besser wäre es die Einnahmen in Klimaprojekte zu investieren.

      https://www.umweltbund...

      Mein Argument war, dass das ständige hinterfragen und in Zweifel ziehen eine bekannte Verzögerungstaktik der Fossilen Industrie ist. Wir haben aber keine Zeit mehr zu diskutieren sondern müssen rasant handeln, wie auch der neuste IPCC Bericht nochmal dargelegt hat: https://youtu.be/SDRxf...

    24. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Ferdinand H Im IPCC-Bericht steht nichts davon, das wir hier in D den Reichen was wegnehmen sollen. Da stehen verschiedene Wege/Technologien drin, die man nutzen kann um den Klimawandel zu verlangsamen. Atomkraft, Gas und CCS gehören auch dazu. Aber hierzulande alles was man hat in "Klimaprojekte" zu stecken, koste es was es wolle, bringt überhaupt nichts. Der Klimawandel wird kommen und dann benötigen wir auch noch Ressourcen um uns anzupassen. Und die Welt braucht Ressourcen um Hunger und Armut zu bekämpfen.

      Das ständige Angst machen ist ja eine beliebte Taktik von Aktivisten, um Völker in eine unüberlegte und einseitige Klimastrategie zu drängen, die eigentlich auf ein anderes Gesellschaftsmodell zielt.

  2. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als ein Jahr

    Hm, Klimapolitik kann nicht scheitern - sie kann nur verlangsamt und verzögert werden, mit allen möglichen Ausreden, meistens von der Form oder wenigstens aus der Motivation "Kostet mich zu viel Konsumtion, will ich nicht, sollen die Anderen machen. Was im Süden geschieht geht mich nichts an." Wenn dies passiert, wird eben die Erderwärmung etwas später gestoppt werden, mit Folgen, die sehr schwer genau zu qualifizieren und quantifizieren sind, also mit einer sehr indirekten, verteilten, dabei aber nichtsdestoweniger wirksamen Ursache-Wirkungs-Kette und Verantwortung.

  3. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

    Wo hat die Ampelkoalition die klimapolitischen Ziele drastisch reduziert? Hab ich da was nicht mitbekommen?

    1. Ferdinand H
      Ferdinand H · vor mehr als ein Jahr

      Sektorenziele...

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Ferdinand H Das Zielverfehlungen in einem Sektor in einem anderen ausgeglichen werden und auch eher längerfristige Zielvorgaben gesetzt werden sollen, das ist doch keine drastische Reduktion. Starre und zu detaillierte Zielvorgaben sind sowieso unrealistisch ….

    3. Ferdinand H
      Ferdinand H · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Ich finde schon, weil die Überperformance von einem Sektor durch die Unterperformance eines anderen Sektors ausgeglichen wird. Im vorherigen System wäre der eine Sektor dann einfach besser gewesen und der andere hätte sein gestecktes Ziel trotzdem erreichen müssen.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Ferdinand H Die Performance und die Möglichkeiten sowie die Folgen der Aktivitäten eines Sektors zeigt sich nicht in der Zielsetzung sondern im realen Prozess.Auch die Bürger sollte man ja mitnehmen. Ein Ziel garantiert gar nichts und schon gar kein "muß". Ziele sind, wie vieles im Entwicklungsprozess, nicht einfach zu "planen". Ich habe in meinem Berufsleben hunderte von Projekten gefördert, entworfen, kontrolliert und ausgewertet. Kann mich an keines erinnern, dass genau so geendet hat wie geplant. Die Wirklichkeit ist kein mechanisches System.

  4. Dominik Lenné
    Dominik Lenné · vor mehr als ein Jahr

    Diese Einschätzung scheint in der Luft zu liegen, siehe mein kürlicher Tweet in demselben Kontext (https://twitter.com/d_...):

    Letztlich eiern wir um *eine* Frage herum: die Soziale. Für die Mitte der Gesellschaft und aufwärts ist das ein lösbares Problem, etwas Konsumtionseinbuße hinzunehmen.
    Und ich sehe nur eine Lösung: anwendungsgebundene Umverteilung von oben nach unten. Wie auch immer organisiert.

    1. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      Da kann ich dir nur zustimmen. Aber in der deutschen Debatte wird Klimapolitik und Umweltschutz oft nach meinem Eindruck als etwas diskutiert, das mit Wirtschaft wenig oder nichts zu tun hat oder zu tun haben darf. Es ist oft eine eigentümlich abstrakte Debatte. Dass es dabei um einen tief greifenden Umbau der Wirtschaft geht, bleibt dann hinter einer Nebelwand verborgen. Dabei hat Politik nach meinem Verständnis die Aufgabe, offen die wirtschaftlichen und und damit auch sozialen Folgen einer klimapolitischen Transformation zu benennen und sie politisch so zu bearbeiten, dass die Folgen niemand in den wirtschaftlichen Abgrund stürzen lassen. Die Bundesregierung scheint das mehrheitlich anders zu sehen. Darin unterscheidet sich die Bundesregierung m.E. von etlichen Regierungen anderer westeuropäischer Staaten, die mit der klimapolitischen Transformation schon deutlich weiter vorangekommen sind als die Bundesrepublik.

    2. Dominik Lenné
      Dominik Lenné · vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Könntest Du Beispiele solcher Länder ausfürhen?

    3. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Dominik Lenné Also, in den Niederlanden gilt tagsüber auf den Autobahnen eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, ab 10 Uhr (m.W.) wieder die üblichen 120 km/h. In Utrecht dominieren Fahrräder und Fußgänger, Autos sind stark zurückgedrängt. Aus der eigenen Gasförderung sollte schon ausgestiegen worden sein – der Ukraine-Krieg und Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas haben diesen Schritt wohl verzöger (auf deutschen Druck hin). Auch ist ein Ausstieg aus Verbrennungsmotoren beschlossen (wie m.W. auch in GB). Amsterdam wird derzeit stark umgebaut im Sinne einer Verkehrswende.

      Kopenhagen und Oslo sind mittlerweile auf gutem Weg bezüglich einer Verkehrswende. In Dänemark ist seit 2013 der Einbau von Gas- und Ölheizungen in Neubauten verboten; seit 2016 müssen alte Heizungen durch nicht fossile Heizungen ersetzt werden.

      In Frankreich haben zwischen 200 und 300 Kommunen eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/ innerorts eingeführt. Bordeaux, Paris und Lyon werden seit einigen Jahren verkehrspolitisch umgebaut. Paris ist ja einigermaßen bekannt. Verkehrspolitische Regeln aus Paris habe ich auf meinem Blog habe ich Mitte Januar 2018 mal die damaligen Pariser Regelungen in deutschsprachiger Übersetzung vorgestellt: https://europa.blog/de...). In Paris – eigentlich in ganz Frankreich – gibt es zudem mittlerweile auch Vorkehrungen gegen Hitzewellen.

      Das Geschäftszentrum von Lyon wird seit etwa 2010 klimaverträglich völlig umgebaut. Bis 2030 soll das Geschäftsviertel so umgebaut sein, dass es auch bei steigenden Temperaturen bewohnbar bleibt. Ebenso wir der im Geschäftsviertel liegende Bahnhof um einen Bahnsteig erweitert. Der Loyner Bahnhof Part de Dieu ist der wichtigste Personenbahnhof Frankreichs. Auch zum Umbau des Loyner Geschäftsviertels habe ich im Juli 2019 einen Beitrag auf meinem Blog veröffentlich: https://europa.blog/de....

      Barcelona und Madrid wandeln sich ebenfalls zu menschenfreundlichen Städten.

      Als letztes will ich auf Belgien verweisen. Gent hat den Durchgangsverkehr für Autos komplett gestoppt. Nur noch für Anwohner ist es möglich, mit dem Auto zur Wohnung zu gelangen. Ansosnten dominieren Fahrräder und ÖPNV.

      Brüssel hat 2012 angefangen, die Stadtplanung umzustellen: Statt aus der Perspektive dr Berufspendler wird die Stadt heute aus der Sicht der Einwohner und deren Lebensqualität umgebaut. Flächendeckend gilt 30 km/h und fast alle Straßen sind für Fahrräder zugänglich, auf vielen haben Räder Vorrang. Grundsätzlich sind Räder und Fußgänger den Autos gleichgestellt. Bis 2035 werden in mehreren Stufen Verbrennungsmotoren aus der Stadt verbannt. Jährlich investiert Brüssel rund 1 Milliarde in den ÖPNV als Alternative zum Individualverkehr. Die Bahn wird ausgebaut und verbessert (es gibt heftige Beschwerden über Verspätungen – die passieren hin und wieder und liegen bei rund 5 bis 10 Minuten, dass soll jetzt behoben werden bei einer Verdichtung der Tacktung). In Flandern wird der ÖPNV in der Fläche optimiert. Jahresticket in Brüssel für 12 bis 24 Jährige: 12 Euro; Jahresticket für Senioren ab 65: 12 Euro. Bahnticket für SeniorInnen (65 +), gltig ab 9:00 für das gesamte belgisch Netz, Hin- und Rückfahrt am gleichen Tag: 7,80 Euro.
      Aber 2025 sind Gas- und Ölheizungen für Neubauten verboten. Die Energiewende wurde ausgebremst durch den Ukraine-Krieg und Deutschlands Gabhängigkeit von Russland.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Aber all diese punktuellen Beispiele finden sich doch in D auch. Und natürlich sind etwa in Dänemark oder Belgien auch die Energiemixe andere. Belgien erzeugt etwa die Hälfte seines Stromes mit KKW.
      https://www.google.de/...

      Dänemark schafft es immerhin auf 75% Erneuerbare bei Strom. Wobei mir nicht klar ist, wie sie die Schwankungen ausgleichen.

      Niederlande erzeugt fast 40% seines Stromes mit Gas. 20% mit Steinkohle. Da die eigene Gas-Förderung einzustellen ist ziemlich klimapolitisch kontraproduktiv und etwas scheinheilig - find ich.

    5. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Belgien steigt schrittweise aus der Atomenergie aus. Eigentlich wollte Belgien 2025 komplett aussteigen. Da Belgien aber das Gas, das die AKW ersetzen sollte, aufgrund der deutschen Abhängigkeit von russischem zu großen Teilen nun an Deutschland weiterleitet, verzögert sich der Ausstieg um 10 Jahre – und bietet damit den Anhängern der Atomenergie die Möglichkeit, den Ausstieg ganz in Frage zu stellen. Das Diskussion läuft in Belgien. Weshalb man in Belgien – neben anderen Gründen – derzeit nicht so gut zu sprechen auf die Bundesregierung.

      Ja, einzelne Beispiele gibt es in Deutschland auf. Nur in den von mir genannten Ländern steht hinter den Beispielen mittlerweile ein starker politischer Wille und eine politische Strategie. Davon kann in Deutschland nicht die Rede sein. Auch hängt Deutschland um hinter den anderen Ländern her. Brüssel hat 2012 begonnen, die Verkehrswende systematisch vorzubereiten. Dabei ging es nicht im singuläre Maßnahmen, sondern um einen Perspektivwechsel für die Stadtentwicklung: Sei 2012 steht, wie gesagt, die Lebensqualität der EinwohnerInnen Brüssels im Zentrum der Stadtplanung und nicht mehr der Wunsch der Berufspendler, möglichst bequem mit dem eigenen Auto möglichst dicht an den Arbeitsplatz heranzukommen. Deshalb hat die Brüsseler Regionalregierung auch die Methode des "tactical urbanism" eingeführt, um auf diese Weise BürgerInnen mitzunehmen. Das gibt es erst recht nicht in Deutschland, dass eine Regierung Strategien überlegt, um BürgerInnen für einen Politikwechsel zu gewinnen und sie auch gleichzeitig in die Gestaltung einzubinden.

      Ähnlich ist es wohl in Lyon gelaufen. Dort wurde der Umbau des Geschäftszentrums um 2010 begonnen. Abgeschlossen werden soll der Umbau 2030. Ein solches Projekt braucht einige Jahre Planungsvorlauf. Und es braucht eine klare Vorstellung von dem, wo man hin will und wie man ein solches Großprojekt umsetzt. Ich kenne in Deutschland solche Projekte nicht.

      Statt dessen verwässert die Bundesregierung gerade ihre klimapolitischen Ziele, in dem sie die Sektorziele aufgegeben hat. Die Bundesregierung versucht nicht, BürgerInnen von einer Verkehrs- und Energiewende zu überzeugen, sondern nutzt vorhandene Widerstände, um sie auszubremsen – im Interesse der fossilen Wirtschaft. Claudia Kempfert hat das j wunderbar aufgeschlüsselt, wie die bundesdeutsche fossile Wirtschaft ihre Interessen durchsetzt.

    6. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Nun ist Deutschland etwas sehr viel größer als Brüssel, Belgien oder die Niederlande. Zudem noch eine Föderation aus Bundesländern. Tactical Urbanismus muß man, wie der Begriff schon nahe legt, den Kommunen überlassen und kann das nicht über die Bundesregierung dekretieren. Der Versuch muß schief laufen. Das ist auch ein Grund, warum in D die ganze Energiewende nie zu Ende gedacht wurde, aus lauter sich widersprechenden losen Enden besteht, die alles auf einmal wollen. Und nun mit der Wirklichkeit kollidieren.

      Das jetzt Habeck Vertreter der fossilen Wirtschaft geworden ist, das tut mir leid. Warum hat er die EE-Lobby denn verraten? Ist die Wirklichkeit nicht doch etwas komplexer? Wenn es mal nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, erscheint es mir immer etwas simpel, einen bösen Wirtschaftszweig dafür zu beschuldigen. Die technisch-ökonomischen Wechselwirkungen sind da doch vielfältiger. Und das ist etwas, was C. Kempfert noch nie verstanden hat.

    7. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Na ja, die Größe des Landes ist eine Ausrede. Frankreich ist deutlich größer als Belgien und schafft eben auch einen Einstieg in die Verkehrswende. In den Nachbarländern gibt es eben kein nationales Gesetz wie in Deutschland, dass dem Autoverkehr Vorrang einräumt. Da liegt doch das Problem und nicht in der Grüße des Landes. "Tactical urbanism" wurde als Methode übrigens in den USA entwickelt. Die sind noch deutlich größer als die Bundesrepublik.

      Zu Habeck: Als Industrie- und Sozialpfarrer im Ruhrgebiet habe ich die Kohlelobby sehr gut kennen gelernt und in gewisser Weise war ich ja auch als Vertreter der Kirch teil dieser Lobby. Als die Ruhrgebietskirchenkreise 1995 beim Wuppertal Institut die Studie "Von der Kohle zur Sonne" in Auftrag gegeben haben – die Studie wurde von einem Arbeitskreis begleitet, in dem die IGBE und die RAG eingebunden waren –, habe ich persönlich erlebt, wie die Kohleindustrie und die IGBE (heute IGBCE) gegen die Studie vorgegangen ist. Ich habe daher einen recht klare Vorstellung von dem Druck, den SPD, Gewerkschaften, Industrie und FDP auf Die Grünen ausüben. Die SPD dürfte es genießen, wie die Grünen und Habeck in die Zange genommen und aufgerieben werden. Darum geht es m.E. der SPD vor allem anderen: Die Grünen in der Koalition aufzureiben.

      Nicht nur Claudia Kempfer hat das begriffen. Auch Correctiv hat gestern einen Bericht über den Lobbyismus für fossile Energieträger veröffentlicht, in dem die SPD natürlich eine prominente Rolle spielt: "Wodka, Scholz und Gazprom" (https://correctiv.org/...). Diese Recherche bestätigt noch einmal meine eigenen jahrelangen Erfahrungen als Industrie- und Sozialpfarrer im Ruhrgebiet aus einer ganz anderen Perspektive.

      Hebeck und die Grünen stehen schlicht vor der Frage, ob sie aufgeben sollen, um sich zu retten, und sie dann nicht mehr Sand im Getriebe der Bundesregierung und ihrer Fokussierung auf fossile Energieträger mehr sind oder eben nicht.

      Ich habe eher Respekt vor Habeck und den Grünen, dass sie sich zum Sündenbock machen lassen, um zu verhindern, dass es nicht noch schlimmer wird. Denn was sollte denn klimapolitisch noch zu erwarten sein, wenn die Grünen die Koalition platzen ließen? Wieder eine große Koalition? Oder Schwarz-rot-gelb? Klimapolitisch sähe es dann doch noch sehr viel düsterer aus in der Bundesrepublik als es jetzt schon aussieht.

    8. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Ich hab ja nicht behauptet, das tactical urbanism nicht in einem großen Land entwickelt werden kann. Sondern das es per Definition von den Bewohnern der urbanen Gebilde gestaltet und realisiert werden muß. Und nicht von einer Zentralregierung, die den Bürgern sagt, was diese zu wollen haben.

      Ich hab nun auch ein paar Jahrzehnte Erfahrung mit Lobbyismus aller Art auf dem Buckel. Es ist natürlich klar, dass die fossile Industrie gekämpft hat, wie jede Lobby. Wie die Atomlobby und wie die EE—Lobby, die Lobby der Grünen NGO. Und letztere war nicht feiner, nur noch ideologischer und von wenig technischem KnowHow getrübt. Auch wenn sie sich für die Rettung der Welt hält. Und nicht sieht, dass genau ihre unsägliche Einäugigkeit bei Wind und Sonne zu der jetzigen Dominanz der fossilen Energien geführt hat. Der schnelle Ausbau von Sonne und Wind ohne Speicher, ohne intelligente Steuerung, ohne Verteilnetze und grundlastfähige Kraftwerke kann technisch und damit ökonomisch nicht funktionieren. Zwanzig Jahre in Fachgesprächen wurde man für diese Meinung als Feind der Energiewende beschimpft. Und nun bestätigt es sich. Wir haben die AKW abgeschafft und müssen mit Kohle zulegen. Aber schuld ist die Kohlelobby. Nein, Habeck und die Grünen stehen vor der Frage, wie sie mit einem schlecht durchdachten und zusammengezimmerten System, in dem wichtige Elemente noch fehlen, die Energieversorgung technisch und ökonomisch sichern können. Und das wird mit beschleunigtem Abschalten der großen Kraftwerke und ganz schnell noch viel mehr von EE und Wärmepumpen nur noch teurer und chaotischer. Dem Klima hilft das dann auch nicht. Da wirken auch keine Sondervermögen. Es ist ein evolutionärer Prozess, Versuch und Irrtum aber mit realistischen Zielen.

    9. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Die Argumentation kann ich nun beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen. Das Ausstiegsdatum aus der Atomenergie wurde vor rund zehn Jahren festgelegt. Es gab also 10 Jahre Zeit, sich auf diesen Tag vorzubereiten.

      Schon in den 1990er Jahren – zum Beispiel in der Studie "Von der Kohle zur Sonne" des Wuppertal Instituts – wurde dafür argumentiert, mehr Gelder in die Entwicklung alternativer Energieproduktion zu investieren statt in Atomenergie und Kohleverstromung. Wäre das passiert, dann gäbe es die Probleme bei der Speichertechnologie in Deutschland so nicht. Aber andern Ländern, die nicht so stark auf Kohle und Gas gesetzt haben, gelingt der Umstieg ja durchaus. Das AKWs keine Lösung sind, zeigt übrigens Frankreich. Die Wasserknappheit in Folge der Klimakrise ist ein großes Problem für die französischen AKWs. Aber das nur am Rande. Das Problem scheint mir zu sein, dass in der Bundesrepublik enorm viel zeit und Energie darauf verwandt wird zu erklären, warum etwas nicht geht, um dann einfach mit dem Alten weiterzumachen, statt nach Lösungen zu suchen. Das als evolutionären Prozess, als Versuch und Irrtum, zu beschreiben, finde ich etwas arg euphemistisch.

    10. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Das Ausstiegsdatum wurde vor 10 Jahren wieder kurzfristig verkürzt. Wobei 10 Jahre wirklich wenig Zeit ist, eine Wirtschaft umzubauen. Und man hat ja massiv in erneuerbare Energien investiert - vorher schon (hat nicht Jürgen Trittin schon im Jahr 2004 versprochen, die Energiewende werde nicht mehr als eine Kugel Eis im Monat kosten?) und seither. Sonst würden wir heute nicht übers Jahr ca. 50% unseres Stromes mit EE erzeugen können. Nur ersetzt das eben nicht den Rest, besonders wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. 100% EE funktioniert technisch-physikalisch nicht und für das große mehrtägige Speicherproblem gibt es demnächst keine technische Lösung. Vielleicht gelingt das mal mit Wasserstoff. Aber das wird teuer, komplex und materialintensiv. Daran wird ja nun auch schon einige Jahre gebastelt. Man hat ja auch nicht mehr in die Atomkraft investiert, im Gegenteil. Das Argument mit dem Wassermangel bei Atomkraft ist übrigens keins (genau so wenig wie fehlender Wind bei EE - so simpel ist das doch nun wirklich nicht), es geht prinzipiell auch ohne Wasserkühlung. Man hätte nur nicht in der Frühphase aus der Atomtechnologie aussteigen dürfen. Vor lauter Angst vor etwas neuem. Schon mit den bis vor 10/15 Jahren existierenden AKW wären wir heute bei Strom weitgehend klimaneutral. Man kann nicht vor allem Angst haben, außer vor den eigenen als ganz einfach imaginierten EE. Da vergißt man dann das Vorsorgeprinzip komplett.

      Nein, Ländern, die keine ausreichende Wasserkraft haben, gelingt eben der komplette Ausstieg aus Atomkraft und Gas auch nicht. Alle setzen auf einen Energiemix. Und viele auch auf Atomkraft. Letztlich geht es genau darum, technologieoffen den optimalen energetischen Mix zu finden, der es den Industrienationen ermöglicht sozial und wirtschaftlich zu überleben. Dabei ist die Methode mit der Angst vor der Klimakatastrophe durchzusetzen, alles sofort und ganz, ganz schnell zu machen der teuerste Weg.

    11. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Na ja, zehn Jahre sind nicht eine so kurze Zeit. Aber in die letzten zehn Jahre wurde der Ausbau EE ja nicht beschleunigt, sondern abgebremst zugunsten der Nutzung russischen Erdgases. Da war vermeidbar aber politisch nicht gewollt.

      Im Blick auf technische Lösungen: Stefan Rahmstorf und Volker Quaschning haben da als international anerkannte Fachwissenschaftler eine andere Einschätzung.

    12. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Bis Technologien marktreif und effizient im Masseneinsatz sind braucht es viel mehr als 10 Jahre. Gerade für kritische Infrastrukturen ……

      Also Rahmstorf ist Klimaforscher. Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit sind Ozeanographie und Paläoklimatologie. Und Volker Quaschning ist als euphorischer EE-Lobbyist heftig umstritten und oft kritisiert/widerlegt - soweit das letztere mit Meinungen über die Zukunft möglich ist. Wenn ich Quaschnik höre, dann werde ich regelmäßig zum Fan des Vorsorgeprinzips. Ich kenne kaum ein Land der Welt, dass seinen Empfehlungen folgt. Was mit der Dänischen Strategie wird, wir werden sehen. Dänemark ist heuten ein Nettoimporteur von Elektrizität: Die inländische Stromerzeugung machte jedenfalls nur 83% des Gesamtverbrauchs aus. Importiert werden a.a. Endergie aus Wasser- und Kernkraft. Und Dänemark ist ein großer Exporteur von Öl und Gas, was auch etwas scheinheilig ist.

      Das Gas wurde eben nicht zum Abbremsen der EE benötigt (was soll das für einen Sinn machen?) sondern zur Funktion des Energiesystems überhaupt. Wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint, dann liefern auch unendlich viele EE-Anlagen keinen Strom. Und das ist gar nicht so selten und wird auch 2040 noch so sein.

    13. Niklas Sievert
      Niklas Sievert · vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute „Ebenso wird der im Geschäftsviertel liegende Bahnhof um einen Bahnsteig erweitert.“
      Wie putzig. Dies und die anderen aufgeführten Beispiele mögen ja sinnvolle Maßnahmen zur Steigerung der (lokalen) Lebensqualität sein- aber wer glaubt im Ernst daran, dass das den Temperaturanstieg auch nur um eine Zehntelsekunde verzögern wird? Ich möchte nur mal an das übergeordnete Thema erinnern, das hier zur Debatte steht.
      Solange die Schwellenländer in Asien, Südamerika und zunehmend Afrika sich wirtschaftlich aufrappeln und sich am Wohlstandsniveau, das wir ihnen seit Jahrzehnten vorleben, orientieren- und das nur mit billigen, zuverlässigen FOSSILEN Energieträgern werden bewerkstelligen können, können wir uns auf unseren Lastenrädern noch so sehr fürs Klima abstrampeln- an dessen grundsätzlichem Verlauf wird sich dadurch NICHTS ändern.

    14. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Dominik Lenné Das sind die mir geläufigsten Beispiele aus West- und Nordeuropa. Die Brüsseler Regionalregierung arbeitet übrigens teils nach der Methode "tactical urbanism", um Bürgerinnen für die Verkehrswende zu gewinnen. Es gibt zudem verschiedene Formen der BürgerInnenbeteiligung. Dennoch gibt es in Brüssel auch Streit um die Verkehrswende. Aber "die Politik" steht unter dem Druck der Zivilgesellschaft und hat sich parteiübergreifend vor ein paar Jahren zu einem ökologischem Stadtumbau verpflichtet. Nicht alle Parteien mögen sich daran halten, da der Streit um den so genannten Plan de Circulation sich natürlich auch für den anstehenden Wahlkampf eignet. Aber da drängen eben Teile der Zivilgesellschaft darauf, das zu unterlassen. Ob das klappt, wird sich zeigen. Andererseits, mit der Methode "tactical urbanism" werden Adminstration und Politik von sich aus aktiv, um BürgerInnen für die klimapolitisch und gesundheitspolitisch dringend nötige Verkehrswende in Brüssel zu gewinnen. Der Begriff "tactical urbanism" ist in Deutschland noch nicht so sehr bekannt. Deshalb hier noch ein Link auf ein Interview mit den Entwicklern dieser Methode, dass ich in deutschsprachiger Übersetzung ebenfalls auf meinem Blog veröffentlicht habe: https://europa.blog/de.... Wären Politik, Verwaltung und Medien bereit, davon zu lernen, liefen die Debatten in Deutschland vermutlich anders. Aber so isoliert Deutschland sich immer mehr innerhalb der EU. Die Reaktionen in belgischen Medien auf die deutschen Querschüsse im Blick auf das Aus des Verbrennungsmotors waren schon bemerkenswert deutlich. Soweit mal.

    15. Dominik Lenné
      Dominik Lenné · vor mehr als ein Jahr

      @Jürgen Klute Wie wäre es, wenn Du einen Piq über tactical urbanism schriebest? - das ist definitiv von allgemeinem Interesse. Ich kannte diesen Begriff noch gar nicht. ...

    16. Jürgen Klute
      Jürgen Klute · vor mehr als ein Jahr

      @Dominik Lenné Eigentlich haben wir ja hier die Regel, nicht auf eigene Publikationen zu verweisen. Aber das Interview ist ja nicht von mir, sondern nur auf meinem Blog veröffentlicht. Dann mach ich mal in den nächsten Tagen einen piq zu tactical urbanism.

    17. Lutz Müller
      Lutz Müller · vor mehr als ein Jahr

      Im Report München ging kürzlich Clara Westhoff, die uns auch als Piqerin bekannt ist, den Zusammenhängen von Klimaschutz und sozialer Sicherheit nach, und zwar unter dem speziellen Aspekt der Generationengerechtigkeit: "Klimastreik und Zukunftsangst - Wie tickt die junge Generation?" www.ardmediathek.de/vi... (7 min)
      Zum Verhältnis der Kohorte der Baby-Boomer und der jungen Generation fragt sie: "Können, wollen die Jungen die Lasten der Alten noch tragen?"

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