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Auch eine 3-Tage-Woche ist möglich

Moritz Orendt

Gründer von Blogbox, Content Captain und Atlas der Selbstständigkeit. Freelancer. Online Marketing, digitale Produktentwicklung.

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Moritz OrendtMittwoch, 10.05.2023

Erst gestern hat die Hans-Böckler-Stiftung eine Studie zur 4-Tage-Woche veröffentlicht. Die Ergebnisse sind ein einziger Aufruf, in möglichst vielen Teilen der Arbeitswelt sofort flächendeckend die Arbeitszeit zu verkürzen:

  • 81% der Beschäftigten wollen eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich
  • Die Motivation ist wenig überraschend mehr Zeit: für sich, für die Familie, für ehrenamtliches Engagement
  • Der Lohnausgleich wird durch eine erhöhte Produktivität ausgeglichen.

Dass die Arbeitszeitverkürzung nicht zwingend bei 4 Tagen enden muss, zeigen einige Pionierunternehmen, zum Beispiel die Tür an Tür Digitalfabrik. Deren 36 Beschäftigte arbeiten alle maximal 20 Stunden pro Woche.

Der Laden läuft. Die Arbeitsstellen sind begehrt. Auf die letzte offene Stelle haben sie 40 Bewerbungen erhalten. Das zeigt für mich, dass die Abstimmung mit den Füßen auf eine kurze Arbeitswoche drängt.

Ich habe Mitgründer und Geschäftsführer Daniel Kehne gefragt, was die Motivation hinter ihrem Arbeitsmodell ist und wie das alles dann in der Praxis funktioniert.


Auch eine 3-Tage-Woche ist möglich

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Kommentare 5
  1. Georg Wallwitz
    Georg Wallwitz · vor mehr als ein Jahr

    Der Übergang zur 4-Tage-Woche müsste entweder durch eine Produktivitätssteigerung um 20% oder um eine Aufstockung der Arbeitskräfte in Deutschland um 20% kompensiert werden. Wenn das beides nicht funktioniert, gibt es einen entsprechenden Wohlstandsverlust. Solange nicht klar ist, wo die Produktivitätssteigerung oder die (hoch qualifizierten) Arbeitskräfte in diesem Umfang kommen sollen, lohnt es sich noch nicht, über die 3-Tage-Woche Gedanken zu machen. Denn die Bevölkerung würde den Wohlstandsverlust nicht mitmachen.
    Es ist natürlich erlaubt und irgendwie nett, sich darüber Gedanken zu machen. Aber sollte dabei nicht aus den Augen verloren werden, dass die Mikro- und die Makro-Ebenen in der Wirtschaft sehr unterschiedliche Tierchen sind. Was in einem Unternehmen funktionieren mag, muss noch lange nicht für die ganze Volkswirtschaft funktionieren.

    1. Moritz Orendt
      Moritz Orendt · vor mehr als ein Jahr

      Guten Morgen Juri,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Dazu fallen mir drei Dinge ein:

      1. Dass eine 4-Tage-Woche einen Produktivitätseinbruch um 20% zur Folge hat, halte ich für eine gewagte Annahme. Die meisten Studien (zumindest, die die ich lese, zum Beispiel hier: https://www.zeit.de/ar...) kommen zu dem Schluss, dass die Produktivität in vielen Bürojobs eher steigt. Und auch in einigen Bereichen, in denen einerseits eine Produktivitätssteigerung durch Arbeitszeitverkürzung nicht wahrscheinlich ist (z.B. Pflege) und andererseits Fachkräftemangel und schlechte Arbeitsbedingungen aufeinandertreffen (z.B. Pflege), ist der Effekt einer generellen Arbeitszeitverkürzung auch nicht ganz klar: Erstens ist die Teilzeitquote eh schon sehr hoch (die Leute packen die 40 Stunden nicht) und zweitens interessieren sich dank besserer Arbeitsbedingungen wieder mehr Leute für den Beruf.

      2. Die Mikro-Ebene beeinflusst doch die Makro-Ebene. Wenn Unternehmen, die die 4- (oder auch die 3-Tage)-Woche anbieten, ihre Stellen besetzen können, und die, die auf den 40 Stunden beharren, auf dem Arbeitsmarkt leer ausgehen, dann werden wir die einzelnen Beispiele auf der Mikro-Ebene immer mehr und irgendwann werden die Bedingungen der Mikro-Ebene zu denen der Makro-Ebene.

      3. Dass Produktivitätssprünge zur Verringerung der Arbeitszeit führen, meinte ja Keynes vor ungefähr 100 Jahren, als er uns eine Wochenarbeitszeit von 15 Stunden prophezeite. Die von ihm prognostizierten Produktivitätsgewinne sind längst da und wir hängen immer noch bei der 40-Stunden-Woche.

      Ich glaube, die Arbeitszeit hat mehr was mit Verhandlungsmacht als mit Produktivität zu tun. Und da verschiebt der demografische Wandel die Macht. Ich bin gespannt, wo wir da in den nächsten 5 bis 10 Jahren rauskommen. Mein Tipp: Irgendwo zwischen 25 und 32 Stunden.

      Schade, dass wir unseren Podcast nicht mehr machen. Ich würde gerne ausführlich darüber diskutieren.

    2. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr

      @Moritz Orendt Gerade in Dienstleistungs- aber auch in vielen Produktionsjobs geht es aber darum an 5 oder sogar an 7 Tagen die Woche Dienst zu leisten. Schon rein rechnerisch geht das bei begrenztem Arbeitskräftepotential nicht in 3 Tagen bzw. entsprechenden Arbeitsstunden. Wir wissen auch, dass die Produktivität schon lange nicht mehr so kräftig steigt.

      https://de.statista.co...

      Bisher war Arbeitszeitverkürzung eigentlich Folge von Produktionssteigerungen - nicht Ursache. Es ist sicher richtig, das es in den Verwaltungsstrukturen etc. sehr viel Bullshit-Arbeit und Leerlauf gibt. Wenn da Bürokratie wegfällt, da schafft man vieles auch in weniger Zeit.

      Oder man macht es wie einige im deutschen Handwerk:

      "Wer bei Betrieben anruft oder die Handwerkskammern fragt, erfährt: In aller Regel werden die bestehenden Arbeitsstunden auf die verbleibenden vier Tage aufgeteilt – oder Anreizsysteme zur Mehrarbeit über das reguläre Stundensoll hinaus geschaffen. …..

      Das System (der Firma) Hunger funktioniert wie folgt: Die ehemalige 40-Stunden-Woche ist zur 36-Stunden-Woche zusammengeschrumpft. Statt acht sind es nun neun Arbeitsstunden pro Tag. Theoretisch, sagt Hunger, schrumpfe das Nettogehalt seiner Arbeiter dadurch um etwa 80 Euro im Monat; für jede Stunde zusätzlich gibt es aber einen Bonus von etwas mehr als sieben Euro auf den normalen Satz, dazu kommen Verpflegungsboni, steuerfreie Zulagen. In der Praxis, so Hunger, verdiene niemand weniger, manche sogar mehrere Hundert Euro zusätzlich im Monat.

      „Seit Einführung des Modells haben wir fünf neue Kollegen eingestellt“, nach jahrelanger Flaute. Und am Ende komme es nicht auf die Stundenzahl an, die einzelne Mitarbeiter leisteten, sondern darauf, wie viele Stunden insgesamt gearbeitet würden."

      https://www.welt.de/po...

    3. Moritz Orendt
      Moritz Orendt · vor mehr als ein Jahr

      @Thomas Wahl Danke dir für das Beispiel mit dem Handwerk: Genau, die Arbeit muss erledigt werden und alles, was die Arbeitsbedingungen im Sinne der Arbeitskräfte verändert, hilft dabei.

      Die auch schon von Juri geäußerte Annahme, einer Arbeitszeitverkürzung geht immer eine Produktivitätssteigerung voraus, teile ich nicht. Hast du dafür eine Quelle? Ich glaube, dass beides einfach unabhängig voneinander geschieht.

      Wie oben schon geschrieben, glaube ich, dass es eher an gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen liegt. Und da sich hier die Macht verschiebt, von Arbeitgebern zu Arbeitnehmern, wird sich auch das Ergebnis verschieben. Manchmal braucht es einfach genug Druck, um vom Status Quo wegzukommen. Mobiles Arbeiten war auch lange die Ausnahme - dann kam Corona - und zack ist es in den meisten Bürojobs Standard. Ich kann mir vorstellen, dass der Druck durch den Fachkräftemangel so groß wird, dass auch die 4-Tage-Woche "the new normal" wird.

      Und die Frage "ob wir uns das leisten können" halte ich auch für nicht zielführend. Wenn die gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse in die von Richtung gehen, in die ich glaube, dann werden wir uns das genauso selbstverständlich leisten wie den derzeitigen Status Quo.

      Ob dann das BIP wächst oder schrumpft oder gleichbleibt, wird man dann sehen. Und wenn sich die Verteilung des gesellschaftlichen Wohlstands dann etwas verändern muss und Kindergärtner, Pflegerinnen und Handwerkerinnen besser bezahlt werden müssen (weil hier die Verkürzung der Arbeitszeit wirklich einen Produktivitätsverlust bedeutet), dann ist das aus meiner Sicht nicht das Schlechteste.

    4. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor mehr als ein Jahr · bearbeitet vor mehr als ein Jahr

      @Moritz Orendt Also auch in den Tarifverhandlungen folgte die Lohnerhöhung der Produktivität. Man hat ja in D Anfang der 80er versucht die Lohnsteigerung weit über die Produktivitätsdynamik zu heben. Hat zu stark steigender Arbeitslosigkeit und Krise geführt. Nein, Wirtschaft ist kein perpetuum mobile in der Wohlstand eine Verhandlungssache sein kann. Sonst hätte der Sozialismus funktioniert.

      Was man sicher in den Grenzen der vorhandenen Ressourcen "verhandeln" kann ist die Verteilung der erarbeiteten Mittel zwischen den Sektoren. Aber die Kosten für einen guten Gesundheitssektor müssen erst mal primär erarbeitet werden. Keine Gesellschaft kann davon leben sich wechselseitig zu pflegen und zu unterhalten. Und wenn im Pflegebereich ein Verlust an Produktivität einsetzt wäre das bei demographisch sinkenden Arbeitskräftezahlen ein echtes Problem. Auch wenn der Abbau von Bürokratie dem entgegenwirkt. Aber das Abbauen hilft nur einmal.

      Mobiles Arbeiten kam auch nicht so einfach zack. Ich habe mit Home Office Mitte der 90er als Pilotprojekt begonnen. Noch mit drei ISDN-Anschlüssen. Und dann ging es Stück für Stück weiter. Aber sicher gegen Widerstände und alte Gewohnheiten. Nun ist aber die räumliche Verlagerung von Arbeit etwas anderes als die ausgleichslose Verkürzung von Arbeitszeit.

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