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Kurator'in für: Fundstücke Zeit und Geschichte
Seit der ersten Stunde als Kurator bei Forum dabei: Dirk Liesemer arbeitet als Journalist für Magazine wie mare und G/Geschichte. Er hat Politik, Philosophie und Öffentliches Recht studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, immer mal wieder in Redaktionen gearbeitet und ehrenamtlich eine Reihe von Recherchereisen mitorganisiert und begleitet. Bisher fünf Bücher, darunter "Café Größenwahn" (2023), ein Ausflug zu den großen Kaffeehausliteraten des Fin de Siècle. Foto: Andreas Unger
Dieser Artikel kommt Monate zu spät, aber er hätte wohl auch nichts geändert: Kurz vor Weihnachten hat die Bundesregierung die ersten zwanzig Benin-Bronzen an Nigeria übergeben, was allgemein bejubelt wurde – und bereits zuvor waren die Eigentumsrechte von 1130 Artefakten an Nigeria übertragen worden. Damit hatte Deutschland bewiesen, dass es aus seiner kolonialen Vergangenheit lernen kann. Konnte man jedenfalls denken. Aber nun dieser Text, der die Art und Weise der Rückgabe als eine ziemlich verantwortungslos durchgeführte Sache darstellt.
Brigitta Hauser-Schäublin, von 1992 bis 2016 Ordentliche Professorin und Forschungsprofessorin für Ethnologie in Göttingen, listet eine erstaunlich lange und detaillierte Reihe an Kritikpunkten auf, bei denen ich mich gefragt habe, wie sie nur übersehen beziehungsweise missachtet werden konnten. Denn es kann natürlich nicht im Interesse Deutschlands sein, dass die zurückgegebenen Kulturgüter früher oder später gestohlen werden und auf dem internationalen Kunstmarkt verschwinden. Genau das sei in der Vergangenheit immer wieder geschehen. Und wenig stelle sicher, dass so etwas nicht auch künftig passiere.
Ich will hier mal drei Zitate als Appetizer aus dem lesenswerten Text bringen (bei dem ich mich auch gefragt habe, warum ich solche kritischen Beiträge praktisch nur in der F.A.Z. finde).
Zum Rückgabe-Vertrag schreibt sie:
Nicht einmal die vom internationalen Museumsbund (ICOM) definierten Standardaufgaben von Museen – Bewahren, Schützen, Erforschen und Zugänglichmachen – sind im Vertrag erwähnt.
Zur Verfolgung von Kunstrauben in Nigeria schreibt sie:
Der Direktor des Lagos State Record and Archives Bureau beklagte sich 2019 bei Journalisten der nigerianischen Zeitschrift „Punch“ darüber, dass in den Depots immer wieder Objekte gestohlen würden – und zwar von Insidern. Einen Überblick, was an Objekten vorhanden sei, gebe es nicht. Bereits früher waren fingierte Einbrüche festgestellt worden. Systematische Nachforschungen blieben aus.
Dass auch zumindest eine Reihe von Kunstgegenständen verschwunden sind, die erst in den vergangenen Jahren zurückgegeben wurden, hält sie ebenfalls fest:
Ähnliches gilt für das Museum of Fine Arts in Boston, das 2014 acht Objekte, darunter drei Benin-Artefakte, zurückgegeben hat, die offensichtlich ebenfalls postkolonial gestohlen worden und im Kunsthandel wiederaufgetaucht waren. Keines davon ist in der Benin-Datenbank vermerkt: Verbleib unbekannt.
Die Benin-Datenbank ist eine von der Ernst von Siemens Kunststiftung finanzierte Plattform, auf der die Artefakte katalogisiert sind (sein sollten).
Wie oben geschrieben: sehr lesenswert, auch weil die Autorin einen differenzierten Blick auf das einstige koloniale Personal wirft:
Dass es auch Kolonialbeamte gab, die Kulturgutschützer waren und als Erste begannen, für die Museen, die sie in den Kolonien errichteten, Sammlungen anzulegen und Objekte zu inventarisieren, passt nicht in das aktivistische Täter-Opfer-Schema. Dabei haben manche Kolonialverwaltungen sogar versucht, mit Gesetzen die massenhafte unkontrollierte Ausfuhr von Kulturgütern zu verhindern.
Es sind insgesamt recht viele und detaillierte Vorwürfe. Ich habe beim Lesen den Eindruck gewonnen, dass die deutsche Politik die Artefakte einfach nur loswerden und damit das Thema abräumen wollte, was auch immer damit in Nigeria geschehen mag. Übrigens schreibt die Autorin mit keinem Wort, dass man die Güter nicht zurückgeben sollte. Wer kein FAZ-Abo hat: hier gibt es den Text für eine Woche lang auf Blendle.
Quelle: Brigitta Hauser-Schäublin Bild: AKG Artikel kostenpflichtig www.faz.net
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Wenn man immer nur auf die eigene Geschichte starrt um zu lernen, dann kreist man letztendlich um sich selbst und lernt das Falsche.
Ich hab den Artikel auch gelesen. Wirklich überrascht war ich nicht. Jeder der Afrika etwas kennt, konnte vermuten, das es diese Probleme in einigen der Länder geben wird. Bürgerkriege, Korruption, Diktaturen sowie versagende Staaten und Institutionen sind kein guter Platz für sensible (und wertvolle) Kulturgüter ….
Die FAZ leuchtet in Grauzonen der heutigen Dekolonisierung hinein.
Ob berechtigt, das muss noch offen bleiben.
Nicht in der FAZ, sondern in der FR verneint Stiftungspräsident Hermann Parzinger die Gefahr:
https://www.fr.de/kult...